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© dpa

Bildung in Berlin: Millionen für Brennpunktschulen könnten verfallen

Das Bonusprogramm für Berliner Brennpunktschulen könnte zum Flop werden. Schulleiter beklagen, dass das Verfahren zu kompliziert sei. Und ein SPD-Politiker warnt vor „Mittelkannibalismus“.

Was als Hilfe für die ärmsten Schulen der Stadt gedacht war, könnte sich als Flop entpuppen: Beim Bonusprogramm für über 200 Brennpunktschulen, für das 2014 15 Millionen Euro bereit gestellt wurden, sind noch fast sechs Millionen Euro nicht abgerufen. Das Geld muss bis zum 31. Dezember ausgegeben werden. Schulleiter klagen, dass das Verfahren zu kompliziert sei. Gewarnt wird zudem vor einem möglichen Missbrauch der Gelder.

In einer öffentlich einsehbaren Haushaltsliste des Hauptausschusses (sog. Ist-Liste) ist nachzulesen, dass aktuell noch 5,7 Millionen Euro aus dem Bonusprogramm verfügbar sind. Darauf weist die Bildungsexpertin der Grünen, Stefanie Remlinger hin. In der letzten Woche nannte sie einen Betrag von sechs Millionen Euro im Plenum des Abgeordnetenhauses – ohne dass ihr von Senatsseite widersprochen wurde. Auf Tagesspiegel-Anfrage, wieviel noch nicht ausgegeben wurden, verweist die Bildungsverwaltung auf „laufende Verfahren“. Rechnungen und Verträge würden unterschiedlich ausbezahlt, teilweise nach Beendigung der Arbeit. „Dieser Prozess läuft gerade auf Hochtouren, so dass eine verlässliche Aussage zum Ende des Jahres zu treffen ist.“

Die Schulen können von dem Geld Sozialarbeiter, Förderkurse oder Bibliotheken bezahlen

Seit Februar 2014 erhalten 216 Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern aus armen Familien, die von der Zuzahlung zu Lehrmitteln befreit sind, bis zu 100 000 Euro im Jahr extra. Die Schulen können das Geld zum Beispiel für Sozialarbeiter, Eltern-Coaches, Sprachkurse oder Schulbibliotheken einsetzen.

Doch das ist offenbar schwieriger als gedacht. Nuri Kiefer, der bei der GEW den Vorstandsbereich Schule leitet und Rektor einer Reinickendorfer Schule ist, die am Bonusprogramm teilnimmt, weiß von Kollegen, die mit dem Antragsverfahren überfordert sind. „Zunächst ging es mit Verzögerungen los, dann war an den Schulen vor dem Sommer mit den Lehrer-Einstellungen und Prüfungen so viel zu tun, dass viele Schulleiter gar nicht dazu kamen, sich mit dem Programm zu beschäftigen.“

Und jetzt wird offenbar die Zeit knapp. Denn für das Programm müssen aufwendige Konzepte geschrieben, Zielvereinbarungen getroffen und Indikatoren entwickelt werden, an denen sich der Erfolg der Maßnahmen ablesen lässt. Unrealistisch, findet das Kiefer. Er hat an seiner Schule eine Sozialarbeiterin eingestellt, die Hausbesuche bei Jugendlichen macht, die oft schwänzen. „Der Effekt solcher Maßnahmen lässt sich nicht so eins zu eins messen.“ Wenn man mit dem Geld Sachmittel anschaffen wolle, zum Beispiel eine Schulbibliothek, könnten sich Schulleiter sogar rechtlich in Schwierigkeiten begeben. Denn bei Anschaffungen ab 10 000 Euro müssten sie Ausschreibungen machen und sich dafür in das komplizierte Vergaberecht einarbeiten. „Normalerweise machen das die Bezirke, Schulleiter sind dafür nicht unbedingt ausgebildet“. Die Grünen-Politikerin Remlinger nennt das Konzept des Bonusprogramms „nicht ganz durchdacht“.

SPD-Abgeordneter warnt vor Missbrauch

Der SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck warnt vor einem Missbrauch. Es gebe Anzeichen, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sein finanzielles Engagement in einigen Schulen zurückfahre und sie stattdessen auf das Brennpunktprogramm verweise. Bei der GEW seien ähnliche Fälle auch aus anderen Schulämtern gemeldet worden, sagt Kiefer. Das Bonusprogramm sei aber als zusätzliches Budget für die Schulen gedacht, betont Langenbrinck. Wenn die Zuwendungen gegeneinander aufgerechnet würden, sei das für ihn „Mittelkannibalismus“. Er kritisiert zudem das „Bürokratiemonster“ der Antragstellung, das dringend entschlackt werden müsste.

Ausgelöst worden war seine Intervention durch die Jens-Nydahl-Schule in Kreuzberg, die um die Finanzierung ihrer Sozialarbeiter bangt. Seit Verhängung der Haushaltssperre des Bezirks sind die Schulen und Jugendeinrichtungen verunsichert. Sie fürchten, dass der Bezirk freiwillige Leistungen herunterfährt. Wie berichtet, sprengt die Unterbringung der Flüchtlinge in der Gerhart-Hauptmann-Schule den Bezirkshaushalt. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) bestreitet, dass die Schulsozialarbeit in diesem Jahr unter der Haushaltssperre leiden müsse. Es gebe aber Kürzungen zum Haushaltsjahr 2015/16.

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