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Babyschwimmen wird vom Jobcenter bezahlt.

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Bildungspaket: Jobcenter muss für Babyschwimmen zahlen

Eine Hartz-IV-Empfängerin klagte erfolgreich die Kosten beim Sozialgericht ein. Die Richter rüffelten das Jobcenter als zu streng.

Von Fatina Keilani

Rund 61 Euro kosteten die beiden Kurse im Babyschwimmen, die Silvana G. mit ihrem Söhnchen belegte. Das Geld dafür hatte die Hartz-IV-Aufstockerin beim Jobcenter Marzahn-Hellersdorf beantragt, doch der Antrag wurde abgewiesen mit der Begründung, G. habe nicht nachgewiesen, dass die Kurse auch wirklich belegt wurden. Die berufstätige zweifache Mutter klagte vor dem Sozialgericht – und gewann am Mittwoch auf ganzer Linie.

Die 55. Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Gunter Rudnik machte klar, dass das Jobcenter zu streng mit der Frau war. Die hatte im Sommer 2011 bei der Behörde angefragt, wie sie vorgehen müsse, um in den Genuss der Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu kommen. Sie bekam nicht einmal eine Antwort. Schließlich beantragte sie die Mittel. Das Jobcenter verlangte ihr eine Teilnahmebestätigung ab, die sie so schnell nicht brachte – da kam auch schon die Ablehnung des Antrags.

„Man muss schon Glück haben, um überhaupt einen Platz in so einem Kurs zu bekommen“, sagte G.s Anwalt Holger Meinhardt. „Die Kursleiter lassen sich nicht darauf ein zu warten, bis das Jobcenter die Kostenübernahme zusagt. Außerdem ist ein Grundgedanke des Gesetzes, eine Stigmatisierung zu vermeiden.“ Silvana G. bezahlte den Kurs bei den Bäderbetrieben schließlich selbst und machte dann die Kosten geltend.

„Sie hatte die Behörde gefragt, wie sie es machen soll; mehr konnte sie nicht tun“, so das Gericht. „Sie bekam keine Antwort, sondern gleich den Ablehnungsbescheid“. Dass der übliche Weg nicht eingehalten wurde, sei allein die Schuld des Jobcenters, so die Kammer. Das Gesetz sehe auch nur vor, dass „im begründeten Einzelfall“ ein Nachweis verlangt werden könne, dass die Leistung richtig verwendet wurde. Das Gesetz stelle die Bürger gerade nicht unter Generalverdacht, so Richter Rudnik.

Der Vertreter des Jobcenters rechtfertigte das Handeln seiner Behörde: „Wir haben uns nicht geweigert, wir wollten bloß eine Teilnahmebestätigung. Es geht hier um steuerfinanziertes Geld, da muss man gewisse Unannehmlichkeiten hinnehmen.“ Der Plan, steuergünstig zu wirtschaften, verkehrte sich nun allerdings in sein Gegenteil, denn durch den Erfolg der Klage muss der Steuerzahler nun auch noch die Prozesskosten tragen.

Die Frage, ob Babyschwimmen wirklich eine Leistung des Bildungs- und Teilhabepakets oder ob es nicht doch eher Luxus ist, stellte sich den Richtern nicht. Das Gesetz sieht vor, dass Kindern unter 18 insgesamt zehn Euro monatlich für „Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit“ zugutekommen. Ob Babyschwimmen nun Sport oder Spiel ist, war für die Richter egal. Etwas länger hielten sie sich aber beim Wort „Mitgliedsbeiträge“ auf. Ist eine Kursgebühr etwas anderes als ein Mitgliedsbeitrag etwa eines Vereins? Das war die Frage. Die Kammer entschied, der Begriff „Mitgliedsbeitrag“ sei weit auszulegen, die Kursgebühr also genauso vom Gesetz erfasst. Dieselbe Kammer war es auch, die im April entschied, die Hartz-IV-Sätze vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.

Berlin hat das größte Sozialgericht Deutschlands. Dort waren am 31. August 41 851 Verfahren anhängig, davon betrafen 24 910 Hartz IV. Auf Leistungen aus dem Bildungspaket hingegen wird nur sehr selten geklagt.

Das Bildungspaket gibt es seit April 2011. Im ersten Jahr wurden kaum Leistungen daraus in Anspruch genommen – auch, weil der bürokratische Aufwand zu groß ist. Mittlerweile liegt die Quote bei über 50 Prozent. Die gefragteste Leistung ist das Schulessen. Von den 642 Millionen Euro, die für das Paket bereitgestellt wurden, fraß die Verwaltung allein 136 Millionen auf. Fatina Keilani

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