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Bildungswesen: Privatschulen auf dem Vormarsch

Immer mehr Familien verabschieden sich vom staatlichen Bildungsangebot und schicken ihre Kinder stattdessen auf eine private Schule. Bald könnte jedes zehnte Kind bei einem freien Träger lernen.

Der Aufschwung für die freien Schulen in Berlin hält an. Allein im laufenden Schuljahr wurden 15 berufliche und sieben allgemeinbildende neu genehmigt. Insgesamt hat sich der Anteil der Privatschüler an der Gesamtschülerschaft seit Mitte der neunziger Jahre auf etwa acht Prozent verdoppelt. Da die Neugründungen meist nur mit einer Klasse starten und im Laufe der Jahre bis in die sechste oder zwölfte Klasse hochwachsen, wird sich der Anteil der Privatschüler bald der Zehn-Prozent-Marke nähern, lautet die "vorsichtige Schätzung" von Andreas Wegener, dem Vorsitzenden des Privatschulverbandes in Berlin.

"Wir beobachten viele engagierte und mutige Leute, die Verantwortung für eine Schule übernehmen wollen“", beschrieb gestern Andreas Wegener den Trend. Wegener koordiniert in diesem Jahr zum sechsten Mal den Tag der freien Schulen, der am Sonntag mit einem Informations-Markt im Sony-Center beginnt.

Zuwachs bei Privaten, Abwanderung bei Öffentlichen

Während die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden Schulen in Berlin seit 1994 von 410.000 auf knapp 330.000 geschrumpft ist, stieg die Privatschülerzahl von 14.000 auf über 23.000. Aus rund 50 freien Schulen wurden in dieser Zeit mehr als 100. Ähnlich verläuft der Trend an beruflichen Schulen, wo der Privatschüleranteil inzwischen sogar schon bei 8,7 Prozent gegenüber 5,9 im Jahr 2002 liegt. Diese Zunahme entspricht der bundesweiten Entwicklung.

Die Zahl der freien Schulen läge noch höher, wenn sie von der öffentlichen Hand mehr unterstützt würden, betonten gestern Vertreter der freien Träger. Sie wiesen darauf hin, dass die Landeszuschüsse um rund ein Drittel unter dem liegen, was die staatlichen Schulen bekommen. Darüber wollen sie am 9. Oktober mit den haushaltspolitischen Sprechern der Abgeordnetenhaus-Fraktionen diskutieren. Diese Podiumsdiskussion in der Kreuzberger Waldorfschule gehört zum Programm im Rahmen des Tags der Freien Schulen.

Freie Träger beklagen sich über geringe öffentliche Unterstützung

Die Arbeitsgemeinschaft der freien Schulen beklagt nicht nur die geringe finanzielle Unterstützung. Vielmehr würden sie auch in einigen Bezirken behindert. Als Beispiel nannte Anita Mächler von der Evangelischen Schulstiftung den Fall der Elterninitiative, die in Kreuzberg eine evangelische Grundschule gründen wollte. Erst nach massiven Protesten hat sich das Bezirksamt jetzt darauf verständigt, ein Gebäude zur entsprechenden Nutzung auszuschreiben.

Aber nicht nur konfessionelle Schulen wollen expandieren. Zu den jetzt neu gegründeten Schulen gehört auch eine Montessori-Schule sowie die BIP-Kreativitätsgrundschule. Als neuer Träger ist zudem das Netzwerk Spiel/Kultur dabei, das in Prenzlauer Berg eine neue Gemeinschaftsschule gründen will. Dies wäre nach der Evangelischen Schule in Mitte schon die zweite freie Gemeinschaftsschule.

Das ist aber noch nicht alles. Nach Angaben der Bildungsverwaltung befinden sich weitere drei freie Schulen, darunter auch eine zweite Talmudschule, im „fortgeschrittenen Genehmigungsverfahren“.



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