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Küchen-Kuppeln. Annelie Kralisch-Pehlke (rechts) und Juliane Ebert (links) bringen auf ihrer Internetseite „Im Gegenteil“ einsame Herzen zusammen. Die 27-jährige Uta war eine der ersten Singles, die sich online porträtieren ließ. Foto: Björn Kietzmann

© Björn Kietzmann

Berlin: Bis es klick macht

Ein Trost für einsame Singles: Zwei Freundinnen haben eine Partnerbörse gebastelt – ohne Gebühren, Steckbriefe und Sternzeichen.

Bei einem Glas Wein erzählt Uta am WG-Küchentisch von ihrer neuen Bekanntschaft. Jule und Anni hören erwartungsvoll zu, schließlich haben sie Uta zum Date gewissermaßen angestiftet. Zur ersten Verabredung kam es vor einigen Tagen in einem Neuköllner Café, bei hausgemachter Limonade. Beide hatten es nicht weit zum Treffpunkt – Uta berichtet, er wohne im selben Neuköllner Kiez wie sie. „Gemeinsamkeit Nummer eins“, sagt Jule. Beide seien sie zu spät gewesen. „Gemeinsamkeit Nummer zwei“, stellt Jule fest. „Ding ding ding“, macht Anni, als habe Uta den Jackpot geknackt.

Verkuppeln sei schon immer ihre Leidenschaft gewesen, sagen Anni Kralisch-Pehlke aus Tempelhof und Jule Ebert aus Neukölln. Mitten in der Vorweihnachtszeit, die geschundene Singleseelen am meisten fürchten, haben die beiden besten Freundinnen mit ihrer Webseite „Im Gegenteil“ eine Singlebörse gestartet. Und die soll anders sein als die sonstigen Webportale in der Datingwelt.

Ohne Gebühren, ohne Steckbriefe und Sternzeichen vermitteln die 30-jährige Anni und die ein Jahr ältere Jule ihre Singles. Die Porträts, die Anni für diese schreibt, seien „wie ein kleiner Einblick, der aber nicht alles preisgibt“, sagt sie. „Eigentlich gar nicht so anders, wie wenn man jemanden in einer Bar trifft und den süß findet.“ Bei der 29-jährigen Uta etwa liest man von ihrer Schwäche für Friedhöfe, Möpse, Zombieplüschfiguren und Achterbahnfilme. Der Lifestyle schlägt die Körpermaße. Niemand suche hier einen blonden 1,85-Meter-Mann ab 30 Jahren, sagt Anni.

Jule schießt die Fotos zu den Porträts, vom Single in dessen Wohnung und in dessen Kiez. Jeder kann die Porträtierten direkt kontaktieren, ohne Anmeldung. „Den Leuten Geld abnehmen, damit sie jemandem schreiben können? Wollen wir nicht“, sagt Anni. Sie möchte keine wirtschaftliche Investition vor die Kontaktaufnahme stellen, schließlich geht es hier um eine Herzensangelegenheit.

„Sucht Girls“ und „Sucht Boys“ steht rosa und blau hinterlegt im oberen Eck der Profilbilder der inzwischen rund 20 Porträtierten. Sie sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Das Eck in Utas Profil ist jetzt grau und sagt: „Vergeben.“ Das muss nicht so bleiben. „Keine Sorgen, wir können dich auch wieder freischalten“, sagt Jule und lacht.

Zehn Monate lang war Uta Single, als Anni und Jule ihre Freundin baten, unter den ersten Porträtierten auf ihrer Webseite zu sein. Etwa 60 Anfragen habe sie bekommen, sagt Uta. „Am meisten haben mich die Leute wegen des Schielbilds angeschrieben, dass ihnen nicht aus dem Kopf gegangen sei.“ Eigentlich wollte Uta das Grimassenbild von sich mit dem Zombiebuch in der Hand gar nicht unter den Fotos lassen. Doch letztlich hat sie Jule und Anni mit ihrer Auswahl vertraut.

Vor einem halben Jahr sprachen die beiden „Kupplerinnen“ zum ersten Mal davon, dass sie unbedingt gemeinsam etwas auf die Beine stellen wollten – bislang arbeiteten sie als Autorin und Fotografin sowie als Künstlermanagerin. Beim Ideensammeln in einer Bar kamen sie schnell zum Entschluss: Eine Singlebörse sollte es sein.

Ein paar Monate später, wieder in einer Bar, feierten sie mit einer Flasche Sekt den Start ihrer Webseite. Um Mitternacht wurde der Champagner geöffnet: Da hatten sie bereits 1000 „Gefällt mir“-Klicks auf Facebook.

Inzwischen hatte die Webseite mehr als 100 000 Besucher. Neu sind mittlerweile Singles aus Hamburg hinzugekommen, im kommenden Jahr planen Anni und Jule Besuche in weiteren deutschen Städten wie München und Köln. Pro Porträt brauchen sie etwa einen Tag.

Zur hohen Nachfrage der ersten Wochen gesellte sich schnell ein Vorwurf: Hipsterverdacht. Was auch an den Fotos liegen mag. Zu sehen sind Wandgeweihe, Macbooks, Trendkieze, Tätowierungen. Ob Uta ein Hipster ist? Sie blickt durch ihre Eulenbrille und zupft am Zopf, der ihr oben auf dem Kopf sitzt. „Wahrscheinlich schon, aber wer ist denn keiner?“, fragt sie. Jule verweist auf Utas „Mopsaltar“ im WG-Zimmer, den sie auch für ihr Singleporträt fotografiert hat: ein Schrein mit Figürchen des Trendhunds. Berührungsängste mit der Hipsterkultur gibt es also nicht. „Junge kreative Leute aus Berlin werden doch eh alle über den Hipsterkamm geschoren“, sagt Jule.

Das zweite Profilfoto auf der Webseite hat inzwischen einen grauen Rand bekommen, außerdem haben Anni und Jule eine Fernbeziehung angezettelt. Wenn alles weiter so läuft, wollen sie irgendwann Geld verdienen mit ihrer Webseite. Aber nicht durch Gebühren, sondern mit Werbung. Die Kundschaft werde bestimmt Verständnis dafür haben, da sind sie sicher. Den neuesten Beziehungsklatsch jedenfalls bekommen die beiden Freundinnen ab sofort dazu – geschenkt.

Im Netz findet man die Singlebörse unter www.imgegenteil.de.

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