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Der Kreuzberger Fatih K. bei seinem Prozess vor dem Kammergericht vor vier Jahren. Ab Donnerstag ist er dort wieder angeklagt; er soll eine Dschihadistengruppe in Syrien unterstützt haben.

© Rainer Jensen/dpa

Bizarrer Terrorprozess in Berlin: Die Logik des Dschihad

Der Berliner Terrorprozess beginnt erschütternd: Ein Salafist rechtfertigt den Anschlag in Paris. Die Angeklagten, einer davon aus Berlin, sollen am Bürgerkrieg in Syrien beteiligt gewesen sein. Der Verteidiger fordert die Einstellung des Verfahrens.

Von Frank Jansen

Der Auftakt zum Terrorprozess ist bizarr. Ein junger Mann mit schwarzem Vollbart läuft im Kriminalgericht Moabit vor dem Sicherheitsbereich am Saal 700 auf Journalisten zu und filmt sie mit seinem Handy. Dann geht er zügig weiter in einen langen Flur hinein, das Handy weiter erhoben in der rechten Hand.

Ein Reporter macht die Justizangestellte vor dem Einlass zum Sicherheitsbereich auf den wie ein Salafist aussehenden Mann aufmerksam. Die Beamtin setzt sich in Bewegung, doch die Gestalt verschwindet in einem Treppenhaus. Und im Saal 700 geht es dann auch seltsam zu.

Im Publikum steht Bernhard Falk, eine schrille Figur der Islamistenszene. Der Mann mit dem üppigen schwarz-weißen Bart war einst linksextremer Terrorist und hat mehr als zehn Jahre in Haft gesessen.

Im Gefängnis konvertierte er zum Islam, heute nennt er sich Muntasir bi-Llah. Der Tagesspiegel spricht ihn auf den Anschlag von Paris an, Falk sagt: „Das ist eine logische Konsequenz der Provokationen gegen mehr als eine Milliarde Muslime, die ,Charlie Hebdo’ jahrelang gemacht hat.“ Ein Justizwachtmeister geht dazwischen, keine Interviews im Gerichtssaal.

Paris-Schock schwing mit

Neben Falk sind allerdings am Donnerstagmorgen wenige Zuschauer zum Beginn des Prozesses gegen den Berliner Terrorverdächtigen Fatih K., 36, einen Deutschen mit türkischen Wurzeln, und den Mitangeklagten Fatih I., 27, aus Frankfurt am Main gekommen. Vielleicht hat die Aufregung über die grauenhafte Tat in Paris jetzt in Berlin einige Salafisten davon abgehalten, am ersten Tag im ersten Berliner Terrorprozess mit Bezug zum syrischen Bürgerkrieg aufzulaufen.

"Allahu akbar" strafverschärfend gewertet

Der Angeklagte Fatih K. vor dem Berliner Kammergericht.
Der Angeklagte Fatih K. vor dem Berliner Kammergericht.

© Maurizio Gambarini/dpa

Die Sicherheitsvorkehrungen sind nicht strenger als sonst. Vor dem Portal an der Turmstraße stehen am Morgen drei Polizeitransporter, die Verhandlung wird von einem Trupp bewaffneter Beamter gesichert. Zuschauer werden in einem separaten Aufgang durchsucht, Journalisten haben zu ihren Bänken vor dem Zuschauerraum nur Zutritt mit einer Akkreditierung für den Prozess. Der am ersten Tag nur eine halbe Stunde dauert.

Zunächst bremst der Vorsitzende Richter des 1. Strafsenats am Kammergericht, Josef Hoch, die Verteidiger, die Anträge stellen wollen. Erst soll die Bundesanwaltschaft die Anklage vortragen. Der Angeklagte Fatih K. habe sich in Syrien und Deutschland an der terroristischen Vereinigung Junud al Sham („Soldaten Syriens“) beteiligt, trägt Staatsanwalt Marcel Croissant vor. Fatih K. soll von Juni 2013 bis zu seiner Festnahme am 26. September 2013 für die von Tschetschenen dominierte Gruppierung aktiv gewesen sein. Croissant spricht von einer paramilitärischen Ausbildung, außerdem habe Fatih K. mit einer Kalaschnikow an Kämpfen gegen syrisches Militär teilgenommen und als Kameramann an der Herstellung von Propagandamaterial mitgewirkt.

Kreuzberger 2010 schon vor Gericht

Der Vorwurf gegen Fatih I. ist ähnlich. Er soll vom Juni 2013 bis zur Festnahme am 31. März 2014 für Junud al Sham tätig gewesen sein und paramilitärisches Training absolviert haben. Und Croissant hält Fatih I. vor, den „Soldaten Syriens“ 30 000 Euro zur Verfügung gestellt zu haben. Den größten Teil der Summe, 25 000 Euro, habe der Angeklagte „betrügerisch von der Targobank“ erlangt.

Fatih K., ein Mann mit langen Haaren und Vollbart, äußert sich zur Anklage nicht. Der Mann aus Kreuzberg hatte bereits 2010 vor Richter Hoch gestanden, damals ging es um die Unterstützung einer Terrorgruppe in Pakistan. Da Fatih K. geständig war und behauptete, der Dschihad sei ein Irrweg, kam er mit 20 Monaten Haft davon und blieb sogar auf freiem Fuß. Die Reue war wohl nicht echt.

Fatih I., gestutzter Vollbart und Kurzhaarfrisur, schweigt ebenfalls zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft. Der Verteidiger von Fatih K., Tarig Elobied, fordert die Einstellung des Verfahrens, da er die Anklage als vage empfindet: „Der konkrete Sachverhalt bleibt unklar.“ Es ergebe sich nicht, was sein Mandant in Deutschland gemacht haben soll. Elobied stellt zudem einen Befangenheitsantrag gegen Richter Hoch und zwei Kollegen aus dem Strafsenat, weil sie in einem Prozess gegen einen anderen Angeklagten die Rufe „Allahu akbar“ als strafverschärfend gewertet haben sollen. Hoch unterbricht den Prozess, zwei Verhandlungstage fallen aus. Der nächste Termin ist kommenden Donnerstag.

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