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Berlin: BKK muss zahlen: Sozialgericht: Betriebskrankenkasse soll Charité 88 000 Mark erstatten

Die Betriebskrankenkasse (BKK) muss der Charité in drei Fällen Behandlungskosten in Höhe von 88 000 Mark erstatten. Das entschied gestern das Sozialgericht Berlin.

Die Betriebskrankenkasse (BKK) muss der Charité in drei Fällen Behandlungskosten in Höhe von 88 000 Mark erstatten. Das entschied gestern das Sozialgericht Berlin. Zu den Verfahren war es gekommen, nachdem die Kasse sich im Sommer vergangenen Jahres geweigert hatte, die Kosten für die volle Behandlungsdauer zu übernehmen. So wurden in dem Fall eines operierten Nasenbeinbruchs nur vier Liegetage bezahlt. Die Kosten für weitere drei Tage bekam das Krankenhaus nicht erstattet. Die Krankenkasse bezweifelte die medizinische Notwendigkeit des einwöchigen Krankenhausaufenthalts. Jetzt muss die BKK nachzahlen.

Nach dem Vertrag über die Krankenhausbehandlung müssten stationäre Therapien grundsätzlich unbefristet bezahlt werden, erklärte der Vorsitzende Richter die Entscheidung. Lediglich in begründeten Einzelfällen dürfe die Kasse die medizinische Notwendigkeit der Behandlung vom Medizinischen Dienst der Kassen überprüfen lassen. Die Krankenhausrechnung aber müsse zunächst beglichen werden. Erst nach der Einzelfallprüfung sei die Kasse berechtigt, gegebenenfalls einen Teil der Behandlungskosten zurückzuverlangen. Mit dem gestrigen Urteil wurde die generelle Befristung der Behandlung, die die BKK seit einem Jahr über die Charité und einige andere Krankenhäuser verhängt hat, vom Sozialgericht erstmals für rechtswidrig erklärt. Ebenso entschied das Gericht gestern in zwei weiteren Fällen, die die Caritas-Krankenhilfe und das Dominikus-Krankenhaus betrafen.

Der Verwaltungsdirektor der Charité, Bernhard Motzkus, zeigte sich erfreut. Das Urteil sei "deutlicher ausgefallen, als erwartet". Die Strategie des Charité-Anwalts war aufgegangen: Während der Vertreter der BKK in jedem einzelnen beanstandeten Fall eine medizinische Begründung erzwingen wollte, hatte er die Rechtmäßigkeit der Befristungen grundsätzlich bestritten.

Laut Vertrag über die Krankenhausbehandlung zwischen Versicherern und der Berliner Krankenhausgesellschaft gilt nach einer Ergänzungsvereinbarung von 1997: "Für die Krankenhäuser im Land Berlin werden die Kostenübernahmeerklärungen grundsätzlich unbefristet ausgestellt". Die BKK dagegen beruft sich auf den ursprünglichen Vertragstext von 1994, wonach "eine Befristung bei einzelnen Krankenhäusern möglich ist, wenn nicht erklärbare überdurchschnittliche Verweildauern entstanden sind." In der Verhandlung vor dem Sozialgericht erklärte der BKK-Vertreter, dass die Charité die durchschnittliche Verweildauer um 12 Prozent überschreite. Deshalb dürfe die Kasse dort Behandlungen befristen und die Bezahlung für einen längeren Aufenthalt verweigern. Die Charité bezeichnet die BKK-Statistik als unseriös. Aber sogar nach diesen Zahlen stehe die Klinik gut da. Andere Berliner Krankenhäuser überschritten die Verweildauer um bis zu 61 Prozent.

Das gestrige Urteil nahm BKK-Anwalt Heinz Sehr im Übrigen mit sportlicher Gelassenheit auf. "Damit steht es zwischen BKK und Charité zehn zu drei", kommentierte Sehr. Tatsächlich hatte eine andere Kammer des Sozialgerichts vor 14 Tagen eine Klage der Charité gegen die BKK zurückgewiesen. Dabei ging es um zehn Fälle mit Streitwerten zwischen 800 und 30 000 Mark. Hier hatte das Gericht offenbar zu Gunsten der BKK entschieden, weil sich die Charité geweigert habe, in den Einzelfällen Verlängerungsanträge zu stellen beziehungsweise dem Medizinischen Dienst der Kassen die Behandlungsunterlagen zu übergeben. Eine Urteilsbegründung steht noch aus. Die BKK betrachtet diesen Spruch des Sozialgerichts als "Grundsatzurteil". In Gerichtskreisen wird dies anders gesehen. Das Urteil zugunsten der BKK sei eher als "Ausrutscher" zu bewerten, heißt es. Die Rechtslage sei durch den Krankenhausvertrag eindeutig geklärt. Allerdings läuft dieser Vertrag zum Jahresende aus. Vom BKK-Vertreter wird die noch geltende Vereinbarung schon jetzt für überholt erklärt. Der BKK-Landesverband Ost sei am Zustandekommen des Vertrages nicht beteiligt gewesen und habe eine Klage eingereicht, die ihn schon vor Jahresende außer Kraft setzen soll. Unterdessen sind beim Sozialgericht 1585 weitere Klagen gegen die BKK anhängig.

Richter Udo Geiger maß seinem gestrigen Spruch grundsätzliche Bedeutung bei. Es bestehe die Gefahr, dass die Patienten auf den Behandlungskosten sitzen blieben. Die Kasse wolle das finanzielle Risiko der Krankenhausfinanzierung auf das schwächste Glied der Kette, die Patienten, verlagern. Gegenüber dem Tagesspiegel bestritt Charité-Verwaltungsdirektor Motzkus gestern diese Gefahr: "Wir gehen an die Kasse ran, nicht an den Patienten." Für die Befristungs-Ausfälle in Höhe von derzeit 10,4 Millionen (BKK) und 80 Millionen (AOK) müsse im Fall des Universitätsklinikums letztlich das Land Berlin haften. Nichtstädtische Krankenhäuser seien allerdings vom Bankrott bedroht.

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