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Berlin: Blaue Becken, schwarze Zahlen

Erstmals in der Geschichte der Bäderbetriebe hat Klaus Lipinsky einen Überschuss erwirtschaftet

Seinen neuen Vertrag hat er bereits in der Tasche. Klaus Lipinsky ist für fünf weitere Jahre Vorstandsvorsitzender der Berliner Bäderbetriebe (BBB). Der Aufsichtsrat hat schon ein Jahr vor Ablauf des Vertrags entschieden, ihn bis 2011 zu verlängern. Der Grund: Erstmals in der Geschichte der Bäderbetriebe hat es Lipinsky geschafft, am Ende eines Geschäftsjahres mit einem Plus dazustehen: 64000 Euro haben die Bäder 2004 erwirtschaftet – obwohl immer weniger Schwimmer in die Becken steigen und auch die Umsätze zurückgegangen sind. Der Überschuss kam zustande, weil Lipinsky streng gespart hat, vor allem beim Personal.

Die Bilanz sieht so aus: 4,5 Millionen zahlende Besucher kamen im vergangenen Jahr, knapp 1,2 Millionen weniger als 2003. Im Jahr 2000 waren es noch 7,4 Millionen Badegäste, die ihren Eintritt bezahlten. Die Zahl der Besucher mit freiem Eintritt, also Schüler, Kitakinder oder Vereinsmitglieder, ist hingegen fast gleich geblieben: Rund 2,5 Millionen kommen pro Jahr. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Einnahmen. Fast drei Millionen Euro weniger hat Lipinsky verbuchen können als im Jahr zuvor.

„Erfolgsgeschichte BBB“ nennt er dennoch die Computerdatei, die alle relevanten Zahlen und Daten enthält. Dass sich Europas größter kommunaler Badbetreiber über Nacht vom finanziellen Sorgenkind zum Goldesel für die Stadt entwickelt, glaubt Lipinsky jedoch nicht. 64000 Euro reichen gerade, um zwei Monate lang das Wasser zu bezahlen, das beim Spülen der Toiletten in den Bädern verloren geht. Das hat Lipinsky errechnet. Um die Probleme des Landesbetriebs in den Griff zu bekommen, reicht die Summe dagegen auf keinen Fall. Sechs Millionen Euro Schulden drücken die BBB, und den Sanierungsbedarf in den 64 Bädern der Stadt überschlägt der Vorstandschef mit 50 Millionen Euro. Viel mehr sparen könne er aber nicht, sagt Lipinsky: „Jetzt muss die Neuausrichtung der Bäderbetriebe beginnen.“

Der Vorstandschef will den Betrieb komplett umkrempeln. Den Aufsichtsrat mit Sportsenator Klaus Böger (SPD) an der Spitze weiß er dabei hinter sich. Das Bäderanstaltsgesetz ist schon novelliert, das Ziel ist klar: Die Bäder sollen Eigentümer des Grund und Bodens werden, auf dem ihre Becken und Hallen stehen – ein Projekt, in das Lipinsky seine ganze Energie steckt: „Nur so können wir private Geldgeber finden, die uns helfen, langfristig alle Bäder offen zu halten.“

Investoren helfen auch bei der Sanierung des Strandbades Wannsee. Im Juli will Lipinsky entscheiden, wer den Zuschlag für das Restaurant Lido bekommt. Auch beim lange geschlossenen Freibad Wernersee in Kaulsdorf tut sich was: „Wir haben einen Interessenten, der das marode Bad übernehmen will.“ Die Sanierung der Halle im Sportforum Hohenschönhausen läuft dagegen klassisch- steuerfinanziert: Zwölf Millionen Euro stehen bereit. Ende Juni schließt das Bad wegen der Arbeiten für eineinhalb Jahre.

Über seine Pläne spricht Lipinsky mit viel Engagement. Dabei verbindet ihn streng genommen nur die Farbe der Aktenordner in seinem Büro mit den Becken der Bäder – beide sind blau. Sport treibt der 54-Jährige mit festem Boden unter den Füßen und seiner Frau an der Seite: „Wir machen intensive Spaziergänge oder fahren Rad.“ Auch sein beruflicher Werdegang hatte mit Wasser bislang nichts zu tun. Lipinsky arbeitete unter anderem bei der BVG, wo er den Unternehmensbereich U-Bahn leitete. 2000 wechselte er zu den Bäderbetrieben.

Dass er von der Materie wenig Ahnung hatte, war für ihn kein Problem: „Es kommt darauf an, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter alles richtig machen.“ Das hatten sie vor seinem Antritt offenbar nicht getan. Für Lipinsky, den Zahlenfuchs, war das, was er vorfand, schwer erträglich. „Es gab keine badbezogenen Daten“, sagt er. Das ist jetzt anders. Für jedes Bad hat er einen eigenen – blauen – Ordner in seinem Schrank, in dem er Kosten, Besucherzahlen, Umsätze und einen Grundriss findet.

Und er findet eine Personal-Statistik. Deren Zahlen sind jedoch nicht geeignet, sich bei der Belegschaft beliebt zu machen. 1135 Menschen arbeiteten bei Lipinskys Start bei den Bäderbetrieben. Heute sind es noch 819, davon 697, die als Schwimmmeister, Rettungsschwimmer, Kassen- und Badewärter oder als Techniker oder Gärtner in den Bädern arbeiten. Der Rest ist in der Verwaltung tätig. Das durchschnittliche Bruttogehalt liegt bei 35000 Euro, weniger als bei der BVG zum Beispiel. Ähnlich wie andere Landesbetriebe sind die BBB noch Mitglied in der Tarifgemeinschaft der kommunalen Arbeitgeber. Anders der Senat. Der ist ausgestiegen.

Bei den Bäderbetrieben bleibt er aber an Bord. 38,3 Millionen Euro kommen in diesem Jahr als Zuschuss aus der Landeskasse, unabhängig davon, wie viele Badegäste tatsächlich kommen. 2000 zahlte der Senat noch 51,5 Millionen Euro. Um alle Bäder weiter betreiben zu können, geht es ohne Landeszuschuss nicht. Auch Lipinskys Überschuss hilft da nicht weiter. Der ist schon längst durchgerauscht.

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