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Blaufränkischer Wein: Seiteneinsteiger mit 95 Punkten

Der gelernte Croupier Roland Velich zeigt, dass im Blaufränkischen ein eleganter, großer Wein steckt. Diesen kann man jetzt auch in Berlin kaufen.

Moric, sprich: Moritz. Der Name steht ungarisch für Lutzmannsburg, und er geht das Thema auf mehreren Ebenen an. Denn er deutet auf die pannonische Tiefebene hin, die dem angrenzenden Burgenland ihr Klima aufzwingt. Und er erinnert daran, dass die Blaufränkisch-Rebe in Ungarn unter dem Namen Kekfrankos eine wirtschaftlich vermutlich größere Bedeutung hat als in Österreich. Aber das ändert sich soeben. Roland Velich, der das Projekt „Moric“ vor acht Jahren ins Leben gerufen hat, erreichte im Februar mit seinem „Blaufränkisch Neckenmarkter 2006 Alte Reben“ 95 Punkte in Parkers „Wine Advocate“, eine bislang von österreichischen Rotweinen noch nie erreichte Wertung. Ein Urteil, das Gewicht hat, zumal es einem Wein gilt, der stilistisch das absolute Gegenteil der früher als „Parker-Weine“ verrufenen Marmeladenbomben darstellt: die Verbindung des Neckenmarkter Terroirs mit der Eleganz klassischer roter Burgunder.

Roland Velich, der Schöpfer dieses Weins, ist damit vom querköpfigen Außenseiter zum Trendsetter gereift – denn eine ähnliche Auffassung steckt auch hinter den Erfolgen der neuen Blaufränkischen vom Leithaberg und Spitzerberg, mit denen Winzer wie John Nittnaus und Dorli Muhr Neuland betreten haben. Er stammt zwar aus einer bekannten Winzerfamilie, arbeitete aber längere Zeit als Croupier, bevor er zusammen mit seinem Bruder Heinz den Familienbetrieb übernahm. Beide wurden rasch bekannt mit dem „Tiglat“, einem ebenso mutigen wie erfolgreichen Versuch, den Weingärten bei Apetlon im Burgenland einen eigenständigen Chardonnay zu entringen. Heinz Velich produziert diesen Wein inzwischen allein, platziert ihn nach wie vor alljährlich in die vorderen Ränge aller einschlägigen Verkostungen.

Roland Velich aber setzt längst auf den Blaufränkischen, eine Sorte, von der er sagt, sie sei „in ihrer Qualität nicht korrumpierbar“, sondern bringe immer interessante Ergebnisse, auch wenn sie „modern oder schlampig“ vinifiziert werde. Was also würde passieren, wenn man die Trauben unter optimalen Bedingungen ohne Manipulationen ausbaut?

„Moric“ war die Antwort. Velich startete das Projekt im Jahr 2001 zusammen mit dem burgenländischen Kollegen Erich Krutzler, der aber zwei Jahre später ausstieg, um das slowenische Weingut Dveri Pax zu leiten. Die Grundidee blieb: Velich hatte in den Orten Neckenmarkt und Lutzmannsburg rund 20 Rebflächen mit sehr alten Weinstöcken identifiziert, die ihm geeignet schienen, einerseits den Charakter der Sorte auszudrücken, andererseits aber auch die unterschiedlichen Klima- und Bodenbedingungen der Lagen durchscheinen zu lassen.

Sind die Bedingungen optimal, gibt es aus beiden Dorflagen zusätzlich eine Selektion der alten Reben, sonst nur zwei Blaufränkische aus den Lagen sowie den Moric-Basiswein „Blaufränkisch Burgenland“, in den Trauben aus allen Reben eingehen, die jünger als 20 Jahre sind. Velich besitzt selbst keine Flächen, sondern spielt die Rolle des französischen „Negociant-Eleveur“, der mit Vertragswinzern zusammenarbeitet und die Weinberge nach seinen Vorstellungen bearbeiten lässt. In Lutzmannsburg sind es zwei Hektar von zwei Besitzern; dort liest und verarbeitet er die Trauben nicht nur selbst, sondern beteiligt sich auch an der Laubarbeit und am Ausdünnen. In Neckenmarkt sind es acht Hektar eines Besitzers, dort liest er die Trauben nur selbst und verarbeitet sie weiter. Die Unterschiede der Lagen bringt er auf den einfachen Nenner: Neckenmarkter Dunkelfruchtigkeit, Lutzmannsburger Rotbeerigkeit.

Wie die meisten Pioniere musste auch Velich anfangs harte Kritik ertragen. Als der Jahrgang 2001 in die Verkostungen kam, stand die Suche nach dem Superburgenländer noch ganz oben auf der Tagesordnung, es dominierten opulente, holzbetonte, sofort zugängliche Rote internationalen Stils. Velichs Weine wirken in solcher Nachbarschaft verschlossen, schlank, alkoholarm – das ändert sich erst nach zwei oder drei Jahren Flaschenlager komplett. Das Musterbeispiel für das Potenzial der Rebe ist Ernst Triebaumers legendärer 1986er Mariental, der heute noch nicht über seinen Höhepunkt hinausgereift ist. Um aber den ersten negativen Eindruck zu vermeiden, stellt Velich nichts mehr zu österreichischen Blindverkostungen an und nimmt damit auch in Kauf, dass er in wichtigen Publikationen nicht mehr vorkommt.

Sein stilistisches Vorbild findet er nicht nur in Burgund, sondern auch im Piemont oder an der nördlichen Rhone, in Weinen, die nach seiner Auffassung in Frucht, Gerbstoffstruktur oder Würze dem Blaufränkischen ähnlich sind. Bei der Ernte sucht er nach Trauben perfekter Qualität, die er dann in Holzbottichen auf der Maische vergären lässt, ohne aber durch zu starkes Stampfen dominante Gerbstoffe zu extrahieren. Die Gärung erfolgt ausschließlich mit den natürlichen Hefen, das zögert den Ablauf hinaus und bedeutet, dass die zweite (malolaktische) Gärung oft erst nach einem Jahr abgeschlossen ist. Die Weine lagern zunächst in neutralen Eichenfässern, werden dann nach der Gärung in gebrauchte Barriques umgefüllt; nur ab und zu geht auch eine Partie aus neuer Eiche in die Cuvée ein.

Erfolg bringt Wachstum, das ist auch bei Moric nicht anders. Roland Velich sucht nach weiteren Rebflächen, die seinen Vorstellungen entsprechen, und so ist es kein Wunder, dass er am Leithaberg fündig wurde, jenem Höhenzug, der das Burgenland nach Nordwesten begrenzt. Das hohe Potenzial der dortigen Lagen für Veltliner wie Blaufränkisch ist kein Geheimnis mehr – noch nie in der österreichischen Weinbaugeschichte konnte sich ein Gebiet so schnell am Markt etablieren.

2006 war der erste Jahrgang für Velichs „Blaufränkisch St. Georgen“ vom Leithaberg, der preislich und qualitativ neben die beiden anderen Lagenweine tritt und im „Wine Advocate“ sofort mit 93 Punkten bewertet wurde. Noch interessanter ist aber, dass es aus St. Georgen jetzt auch einen Grünen Veltliner gibt, der mit 93–94 Punkten auf Augenhöhe mit den größten Wachauer Veltlinern steht – ein Burgenländer Veltliner aus dem großen Holzfass, der mit dem bekannten Typus kaum etwas zu tun hat; Parkers Verkoster David Schildknecht attestierte ihm eine „unheimliche Ähnlichkeit mit einem Chablis“.

Und dann ist da noch das Projekt „M. Jagini“, drei Hektar uralte Reben im Weinort St. Margareten, wo Velich zusammen mit dem Kollegen Hannes Schuster wiederum einen maßstabsetzenden Blaufränkischen vinifizieren will. Der erste Jahrgang wurde kürzlich in Berlin vorgestellt, ein herber, betont fragiler Typus, der die austrophile Weinwelt wiederum polarisieren wird. Aber das ist Roland Velich, der Seiteneinsteiger, ja gewohnt.

Die Moric-Weine gibt es in Berlin bei Weinstein, www.weinstein.eu und bei Wein und Glas, www.weinundglas.com. Roland Velich wird sie am 14. Juni auf der „Gala großer Weine“ im E-Werk, Wilhelmstr.43, Mitte zeigen. Informationen: www.weinundglas.com

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