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Berlin: „Bleibt glücklich!“

Micael Dahlén plädiert für Anfänge. Immer wieder.

Der Wirtschaftsprofessor Micael Dahlén glaubt, dass unsere beste Leistung in der Zukunft liegt – auch in der Mode. In seinem Buch „Nextopia“ beschreibt er, wie sich dadurch unser Leben verändert.

Ihr Buch macht am Anfang etwas Angst, Sie beschreiben unsere Welt sehr düster. Doch gleichzeitig sagen Sie: Alles ist gut, du wirst immer glücklicher werden. Ist es so simpel?

Ja. Du darfst den Kopf nie in den Sand stecken. Die Welt ist ein Furcht erregender Ort: globale Erwärmung, Scheidung, Burnout. Ehrlich, ich will nicht Teil dieser Welt sein. Ich will kein Facebook, da fühle ich mich miserabel. Es ist ja nicht so, dass uns Aliens Facebook auf die Erde geschickt und auf unseren Computern installiert hätten. Wir sind daran selbst schuld. Und wir müssen es akzeptieren.

Ihre Formel für Optimismus ist der „Zauber des Anfangs“, der nach drei Monaten stets erlischt. Was heißt das für uns?

Unser Hauptproblem ist, darüber zu jammern, dass wir so schnell verlieren, was wir einst empfunden haben: das Kennenlernen, ein erster Kuss, die wundervolle Hochzeit. Und dann kommen wir schnell in eine Phase, in der wir uns darüber beklagen, wie schön es noch vor kurzem war. Die Wolke sieben ist verpufft, also muss sich etwas ändern. Ich denke, deshalb sind die Scheidungsraten so hoch. Wir müssen nur lernen, dass nichts von Dauer ist. Es mag hart sein, glücklich zu bleiben. Aber es ist leicht, glücklich zu werden!

Vielen Menschen fällt aber auch das Glücklichwerden schwer.

Auf einer Skala von eins bis sieben sehen sich die meisten bei ihrer Zufriedenheit bei sechs. Sie ärgern sich über die sieben, anstatt sich über die Punkte zu freuen, die sie hinter sich haben.

Lässt sich Glück auch auf Marken übertragen? Viele Labels, zum Beispiel Dior, waren Jahrzehnte erfolgreich und sind nun irritiert, weil es nicht mehr funktioniert.

Ja, die machen immer weiter. Dabei ist es in Ordnung, dass Dinge sterben, nichts muss für immer leben – auch nicht Dior. Lasst uns feiern, was war, aber lass es gehen. Die Großen geraten ins Straucheln mit ihrem Erbe: „Wir waren das, wir standen für dies.“ Aber niemanden interessiert das mehr.

Was raten Sie großen Labels?

Ich habe immer wieder für Modefirmen gearbeitet. Als ich vor sechs Jahren anfing, sprachen wir von Frühling und Herbst. Ich finde, das ist obsolet, niemand will nur zwei Mal im Jahr Sachen einkaufen. Wer gut sein will, muss wandelbar sein. Niemanden interessiert, wie gefragt eure Schnitte gestern waren, das ist so schweres Gepäck wie ein Ex-Freund. Interessant ist, was du als nächstes machst.

Sie schreiben auch über Digital Natives, junge Menschen, die sich selbstbewusst im Netz bewegen. Die anderen, älteren, nennen Sie Marsianer. Kann man beide so verbinden, dass jeder profitiert?

Ich habe viele CEOs gecoacht, die hadern damit, dass junge Menschen heute ihre Meinung so schnell ändern. Dass sie Arbeit und Freizeit so klar trennen wollen und dass sie an Entscheidungsprozessen teilhaben möchten. Dann heißt es: „Als ich anfing, habe ich zehn Jahre auf dem Flur gearbeitet und dann durfte ich zum ersten Mal dem Chef Hallo sagen!“ Von der jungen Generation fordern diese CEOs die gleiche Buckelhaltung. Aber das geht nicht mehr, die Marsianer müssen lernen, dass die neuen „Bosse“ sich dann eben woanders einen Job besorgen.

Wie verändert das Netz die Gesellschaft?

Es multipliziert unsere Möglichkeiten. Deshalb spreche ich auch nicht von Digital Natives, das ist mir zu technisch, sondern von der Generation Boss. Nimm, was du magst, und vergiss den Rest! Viele haben Angst, Entscheidungen zu treffen. Aber es gibt nicht die eine richtige! Trau dich und scheitere – du bekommst mehr als eine zweite Chance.

In Deutschland ist Scheitern nicht sehr populär. Und nun sagen Sie, Fehler zu machen wird das nächste große Ding?

Fehler machen bedeutet Fortschritt. So viele Dinge, die gestern nicht funktioniert haben, gehen heute. Mit der Liebe ist es das Gleiche. Es gibt so viele Geschichten von Leuten, die heimlich über viele Jahre verliebt sind und es nicht sagen. Und dann, auf dem Sterbebett: „Ich liebe Dich!“ – „Ich liebe dich auch!“ Das ist doch schrecklich. Also geh raus, wirf dich dieser Person in die Arme – und wenn sie nein sagt, bleiben noch mehr als 30 Milliarden andere Möglichkeiten. Was heute nicht klappt, klappt morgen.

— Das Gespräch führte Grit Thönnissen

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