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Espresso ist ihr völlig Latte. Reisebloggerin Yvonne Zagermann im Schöneberger Café.

© Mike Wolff

Bloggerin Yvonne Zagermann: Sie fühlt sich heut’ so Brandenburg

Reisebloggerin Yvonne Zagermann ist oft unterwegs. Paris, San Francisco – Königs Wusterhausen. Denn über die Mark berichtet sie am liebsten.

Es könnten alle ihre Reiseziele dieses Jahres sein – USA, Frankreich, Schottland, Namibia –, aber nein, es ist ein Bild aus Brandenburg, das Yvonne Zagermanns Hintergrund auf dem Smartphone schmückt. Meist handelt es sich bei dieser Wahl auch um ein Stückchen Prestige: tolle Sonnenuntergänge, exotische Strände. Yvonne Zagermann hätte mehr als genug solcher Belege ihres Kosmopolitismus. Doch die 35-jährige Reisebloggerin sagt: „Was immer mein Herz hüpfen lässt, sind die Brandenburger Alleen. Am liebsten noch mit Kopfsteinpflaster.“

Im Internet berichtet Zagermann auf der Seite „Just Travelous“ seit 2011 von ihren Reisen in alle Welt. Im vergangenen Jahr, hat sie ausgerechnet, war sie 179 Tage unterwegs. Jetzt zeigt sie stolz das Hintergrundbild mit Allee und legt das Telefon auf den Tisch in einem Schöneberger Café.

Dann stimmt sie Rainald Grebes Brandenburg-Lied an, über das sich so ziemlich jeder Berliner schon amüsiert haben dürfte. Yvonne Zagermann scheint es Zeile für Zeile zu kennen. Angeblich hört sie es jedes Mal, wenn sie mit dem Auto einen Ausflug nach Brandenburg unternimmt. „Da stehen drei Nazis auf dem Hügel und finden keinen zum Verprügeln, in Brandenburg, Brandenburg. Ich fühl mich heut so leer, ich fühl mich Brandenburg…“, singt sie. Im Sommer unternimmt Zagermann mindestens einmal im Monat einen Brandenburg-Trip – zuletzt vor eineinhalb Wochen, da war sie in Motzen. Seither hat sie ein paar Tage in Paris verbracht, morgen geht es nach San Francisco.

In Paris habe sie wieder gemerkt, sagt Zagermann, wie sehr der Massentourismus eine Stadt verfälsche. Man bekommt eben oft nur die Touristen-Version zu sehen. In Brandenburg? Kann einem das nicht passieren. Auf ihrer Webseite schreibt Zagermann: „Brandenburg ist die Aussicht links, wenn der Reiseführer sagt, dass alle jetzt mal nach rechts schauen sollen. Brandenburg ist das Stück Pizza, das niemand mehr haben will, weil wirklich nichts mehr reinpasst.“ Die Aussicht links habe man eben ganz für sich alleine. Und nicht nur das. Es sei auch noch „unfassbar schön“ in Brandenburg, sagt die Bloggerin.

Der Tischnachbar im Café, der schon lange aufmerksam zuhört, kann sich jetzt nicht mehr zurückhalten: „Berlin ist arm und sexy. Brandenburg ist arm und piefig.“ Man bekomme dort nicht einmal einen ordentlichen Espresso. Das sei nachlässig. Yvonne Zagermann lässt sich auf die Diskussion ein. „Ich glaube nicht, dass das Nachlässigkeit ist“, sagt sie. „Wenn einmal im halben Jahr einer kommt und einen Espresso will, was soll man sich da eine Espressomaschine anschaffen?“

Die Gelassenheit gefällt der Bloggerin. Wenn sie im Auto sitzt und der Internetempfang langsam gegen null geht, „dann weiß ich, bin ich in Brandenburg“. Zagermann findet das gut. „Außerdem brauche ich kein Sushi in Brandenburg. Mir reicht die Currywurst.“ Der Tischnachbar widerspricht vehement und spricht von Tourismus-Konzepten. Die Bloggerin lacht und sagt: „Man merkt: Beim Thema Brandenburg kochen die Emotionen hoch.“ Das spüre sie auch bei den Kommentaren unter ihren Blog-Einträgen. Nadine aus Berlin etwa schreibt: „Manchmal weiß ich auch nicht, was ich Brandenburg wünschen soll. Endlich entdeckt zu werden oder so ursprünglich zu bleiben, wie es ist.“

Neulich in Motzen, da ist Yvonne Zagermann aus Versehen nach einer Pause eine Weile auf der linken Fahrbahn gefahren, weil sie zuletzt mit dem Auto im Linksverkehr in Schottland unterwegs gewesen war. Das kann einem auch nur passieren, wenn keine anderen Autos unterwegs sind, die einem die Richtung vorgeben. Brandenburg eben. Das Auto hat sie beim letzten Besuch dort gelassen – es hat dort sein Leben ausgehaucht. „Paul. Ein schwarzer Lupo mit Faltdach“, sagt Yvonne Zagermann. „Aber er ist dort gestorben, wo er es sich gewünscht hätte.“

In Motzen war Yvonne Zagermann, weil sie für eine Mitfahrzentrale Artikel für einen Reiseführer verfasst. Sie fährt die Strecken Berlin - Dresden - Erfurt und Berlin - München, auf der Suche nach Orten, die einen Zwischenstopp lohnen. Was solche Anfragen betrifft, merkt Yvonne Zagermann einen Trend. „Immer mehr Leute fragen sich: Wo kann ich eigentlich vor der eigenen Haustür Urlaub machen?“ Eine richtige Reise, etwa einen Monat lang durch Brandenburg, kann sie sich dann doch wieder nicht vorstellen. Lieber schnell mal ins Auto gestiegen und übers Wochenende raus.

Ihre Strategie lautet: einfach mal losfahren. Deshalb rät sie zum Ausflug mit dem Auto – mit der Bahn ginge die Spontaneität verloren. Und manchmal habe sie eben doch zwei Stunden fahren müssen, bevor sie ein offenes Restaurant gefunden habe, sagt Zagermann.

Um sich Ziele zu stecken, begibt sie sich etwa auf die Suche nach dem größten oder dem kleinsten See, nach dem größten Kaninchen Brandenburgs oder sie sucht einfach schöne Ortsnamen aus, zum Beispiel Königs Wusterhausen. Dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen, in Brandenburg.

Aber lesen Sie selbst unter: www.justtravelous.com

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