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Berlin: Bloß keine Skandale provozieren

Stillstand bis nach der Wahl: Die rot-rote Landesregierung meidet kontroverse Themen und Vorschläge

Von Barbara Junge

Selbstverständlich hat die Wahl am 22. September nichts mit der Arbeit in der Landesregierung zu tun. „Die Tätigkeit in der Verwaltung geht natürlich unabhängig vom Wahltermin weiter“, unterstreicht Innensenator Ehrhart Körting (SPD). „Wir arbeiten völlig unabhängig von der Wahl und müssen unseren Job machen“, weist Senatssprecher Michael Donnermeyer die Unterstellung zurück, bis zum Tag der Bundestagswahl werde nicht mehr viel angeschoben. Und „grundsätzlich machen wir unsere Arbeit nicht von Wahlterminen abhängig“, sagt auch Thomas John, der Sprecher des Schulsenators. Um dann hinzuzufügen: „Aber etwas Spektakuläres steht aus unserem Bereich bis dahin nicht an.“

Bis zur Bundestagswahl darf nichts mehr passieren. Zumindest nichts mehr, was SPD oder PDS schaden könnte. Deshalb ist auch der Senat auf einem Tiefpunkt seines Aktionslevels angelangt.

In der vergangenen Woche zum Beispiel besprachen die versammelten Senatoren im Roten Rathaus einen Zwischenbericht an das Abgeordnetenhaus über die Erstellung der „Lokalen Agenda 21 Berlin“. Auf Vorlage des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) hat der Senat außerdem einen Bericht über die „weitere Verbesserung der Europafähigkeit der Verwaltung“ beschlossen. Am Dienstag dieser Woche brachte der Kultursenator das Highlight mit: den künftigen Standort der Berlinischen Galerie. Weitere Themen auf der Senatssitzung waren etwa die erleichterte Vergabe landeseigener Grundstücke, die stadtpolitische Bedeutung des Molkenmarktes – und die Errichtung eines Versorgungswerks für Steuerbeamte.

Und was steht noch an? Die Wirtschaftsverwaltung tüftelt aktuell an arbeitsmarktpolitischen Steuerungsinstrumenten, Schulsenator Böger will noch eine Turnhalle übergeben, Inneres vertagt eine Initiative, „damit sie nicht vor der Wahl zerredet wird“. Nur die Justiz gibt an, an einer aktuellen Senatsvorlage zu feilen. Senatssprecher Donnermeyer verweist zwar auf verschiedene Projekte, um zu belegen, dass der Senat unbeeindruckt arbeitet. Doch auch Donnermeyer gibt zu, worum es geht. Nicht darum, ob der Senat ausreichend arbeitet: „Wir dürfen natürlich keine Skandale provozieren.“

Wie etwa Gregor Gysi. Dessen spektakulärer Rücktritt als Senator nennt Donnermeyer wahlbeeinflussend. Auch Äußerungen von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gelten gemeinhin als potenzielle Störfaktoren im politischen Klima. Jener soll sich deshalb bis zum 22. September in seiner Lieblingsdisziplin, mit neuen Kürzungsdrohungen die Wähler zu erschrecken, zurückhalten. In seiner Verwaltung jedoch läuft business as usual, wie seine Referentin Sandra Hildebrandt sagt.

Ohnehin, heißt es in der Stadtentwicklungsverwaltung von Peter Strieder (SPD), „wird die Tagesordnung des Senats immer dünner“. Die Haushaltssperre überschatte jegliche politische Arbeit, die Verwaltungen säßen auf dem Trockenen, neue Projekte seien nicht finanzierbar und würden deshalb erst gar nicht vorgeschlagen. „Der einzige, der noch Vorlagen macht“, seufzt ein Strieder-Mitarbeiter, „ist wahrscheinlich der Finanzsenator“.

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