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© David von Becker

Blumen gespart: Berlin - nur stiefmütterlich bepflanzt

Die Stadt spart Blumen. Wechselnde Pracht können die Bezirke sich nicht mehr leisten. Und sie haben auch nur noch die Hälfte ihrer Gärtner. Einige Bürger helfen sich selbst.

Sie wollen keinen harten, stoppeligen Rasen mehr. Eine weiche, sattgrüne Wiese wünschen sich die Mieter an den Spittelkolonnaden und der Leipziger Straße in Mitte zwischen ihren Wohnblocks. Deshalb haben sie Geld gesammelt, und mit dem Bezirk einen Vertrag „zur Pflege des öffentlichen Rasens“ abgeschlossen. Künftig wird das Gras vor ihren Fenstern so oft gemäht, wie es die Handbücher zur perfekten Rasenpflege empfehlen. Das erledigt ein Hausmeister, den die Mieter bezahlen. Das Bezirksamt würde nur drei Mal im Jahr mit dem Motormäher anrücken, denn mehr Einsätze kann Mitte nicht bezahlen. Geld und Personal zur Pflege öffentlicher Anlagen wurden in Berlin in den letzten Jahren drastisch verringert.

Die Folgen sind vielen Beeten jetzt schon anzusehen: weniger Tulpen, Narzissen und andere Frühblüher schmücken die Stadt, dem Aufbruch in die schönste Jahreszeit fehlen die frohen Farben. Nicht mal am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor sollten Anfang März Stiefmütterchen in die Erde gebracht werden – aus Geldnot. Die Proteste waren heftig. Schließlich forderte und bekam der Bezirk Mitte 10 000 zusätzliche Euro vom Land, damit es in der City nun doch „im öffentlichen Interesse“ blüht.

„Berlin braucht Blumen, das verbessert die Stimmung in der Stadt“, sagt Harald Büttner, Chef des Gartenamtes Mitte. Doch wie lassen sich die knappen Mittel so einsetzen, dass möglichst viele Blüten erhalten bleiben? Was können Sponsoren und Bürgerinitiativen leisten?

Die Zahlen sind erst einmal ernüchternd. Ende der neunziger Jahre kümmerten sich 3580 feste Mitarbeiter um Berlins öffentliches Grün, heute sind es noch etwa 1900. Von privaten Gartenbaufirmen werden sie kaum unterstützt. Mitte hatte 2005 noch 5,8 Millionen Euro für die Grünpflege zur Verfügung, wozu auch Müllsammeln oder der Spielplatz- und Wegebau gehören. Ein Jahresetat von 1,5 Millionen ist geblieben. Zugleich müssen die Bezirksgärtner mehr Flächen denn je versorgen. Vor allem das Regierungsviertel ist dazugekommen.

Deshalb sieht man jetzt in Mitte und den meisten anderen Bezirken weniger Kübelpflanzen wie Oleander oder große Pelargonien. Deren Töpfe müssen aufwendig bewässert werden, was ganze Teams mit Tankwagen beschäftigt. Deshalb verzichten die meisten Stadtgärtner auch auf Wechselbepflanzungen. Vor einigen Jahren war es noch üblich, dass nach den Frühjahrsblumen ein ganzes Beet gleich mit einjährigen Sommerblühern dicht bepflanzt wurde und nach deren Abblühen mit Herbstblumen wie Astern. Das gilt heute als zu arbeitsintensiv. Stattdessen zieht man auf vielen Beeten mehrjährige Stauden und Gräser an. Die werden so gemixt, dass im jahreszeitlichen Wechsel wenigstens ein Teil des Beetes in Blüte steht, zum Beispiel erst Gladiolen, dann Rosen, später Dahlien. Das scheint ein guter Kompromiss zu sein.

Christoph-Maria Maasberg, Leiter des Grünflächenamtes von Charlottenburg-Wilmersdorf, sagt, die Gärtner hörten oft den Ratschlag: „Kauft doch Billigblumen beim Discounter.“ Doch Großstadtpflanzen müssten robust sein gegen Staub, Abgase, sandigen Boden und anderen Stress. „Das hält keine Massenware aus.“ Alle Bezirke außer Charlottenburg erwerben deshalb ihre Pflanzen in ausgesuchten Gärtnereien. Christoph-Maria Maasberg setzt auf Do-it-yourself. Charlottenburg-Wilmersdorf hat als einziger Bezirk noch eine eigene Gärtnerei, die alle Pflanzen selbst anzieht. Die Glashäuser stehen am Königsweg im Grunewald. Mehr als 120 000 Frühblüher wuchsen dort fürs Frühjahr heran – betreut von Auszubildenden. Charlottenburg-Wilmersdorf ist deshalb reicher bepflanzt als andere Bezirke; es muss beim Blumenschmuck nicht aufs Geld schauen.

Allerdings freuen sich die Bezirksgärtner „über jede neue Initiative von Bürgern mit grünen Daumen“. Am Leon-Jessel-Platz in Wilmersdorf hält eine Nachbarschaftsinitiative mehrere Beete in Ordnung, am Brixplatz im Westend haben Bürger eine große Anlage mit Rittersporn und anderen Stauden übernommen. Sie sollte aus Kostengründen eingeebnet werden. Häufig kümmern sich auch Hotels um Beete vor ihrer Tür. „Die Bereitschaft nimmt zu, sich für Blumenschmuck zu engagieren“, heißt es in den Bezirken. Es meldeten sich auch immer mehr Sponsoren.

Am großzügigsten zeigt sich in Mitte die holländische Gärtnerei Keukenhof. Alljährlich spendet sie rund 15 000 Blumenzwiebeln. Wenn Bürger dagegen selbst aktiv werden, hält es Amtschef Büttner in Mitte für unerlässlich, dass sie dies unter fachkundiger Anleitung tun. Gärtnern in öffentlichen Parks will gelernt sein. „Wenn man das Keimblatt einer Staude mit der Harke verletzt, ist die Pflanze hin“, sagt Büttner.

An den Spittelkolonnaden und der Leipziger Straße wird auf das grüne Engagement der Bürger am 24. April angestoßen. Dort will die Nachbarschaftsinitiative nicht nur den Rasen pflegen, sondern auch Blumenanpflanzungen betreuen. Das ist dem Bezirk ein Kiezfest wert.

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