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Kultur mit Kuben: Blumengroßmarkt wird zur Akademie

Das Jüdische Museum baut die frühere Blumengroßmarkthalle zur Akademie um – Vortragssaal und „Garten der Diaspora“ inklusive.

Trümmerberge und Schutt liegen vor dem früheren Kreuzberger Blumengroßmarkt. Die Fassade der Halle an der Lindenstraße ist aufgerissen, im Betonboden des Vorplatzes klaffen Fugen. Der Boden ist bereitet für die zweite Erweiterung des Jüdischen Museums des polnisch-amerikanischen Architekten Daniel Libeskind. Der gestaltet zurzeit Neubauten an New Yorks „Ground Zero“. Er hatte zuvor die Erweiterung des Jüdischen Museums neben dem früheren barocken Kammergericht entworfen. Und er zeigt nun, dass Anhänger der „Dekonstruktion“ auch mit knappem Budget umzugehen wissen.

Nur als „kleines Projekt“ bezeichnet jedenfalls der geschäftsführende Direktor der Stiftung Jüdisches Museum, Börries von Notz, den elf Millionen Euro teuren Akademiebau. Das Geld kommt größtenteils von Land und Bund: Das Grundstück hat Berlin dem Vernehmen nach für einen symbolischen Preis dem Museum überlassen. Es sei ja auch „nicht besonders viel wert“, weil es für kulturelle Zwecke genutzt werden solle, sagt von Notz. Den Umbau der Halle finanziert der Bund zu 60 Prozent. Der Rest stammt von Spendern, zuvorderst von dem 1938 wegen seines jüdischen Glaubens aus Deutschland in die USA geflohenen Unternehmer Eric F. Ross, und deshalb trägt die Akademie des Jüdischen Museums seinen Namen.

Die 700 Quadratmeter zusätzlichen „Kulturflächen“ werden dringend benötigt. 750 000 Menschen besuchen das Jüdische Museum jährlich, das Hauptgebäude wurde aber nur für 300 000 geplant. Da bleibt nicht viel Raum für pädagogische Projekte mit Schülergruppen, Seminare und Forschungsprojekte, die nun den Neubau mit Leben erfüllen sollen. Schwerpunkt der Forschungen sind „Migration und Integration“. Eines der ersten Seminare soll die Rückkehr der Russlanddeutschen in den achtziger Jahren zum Gegenstand haben. Wichtig seien außerdem jüdisch-islamische Themen, sagt von Notz.

Der Altbau aus Stahlbeton entstand ab 1962 nach Plänen von Bruno Grimmek, dem Architekten des Amerikahauses. Daniel Libeskinds Umbau greift ein Leitmotiv seines eigenen ersten Erweiterungsbaus auf: Quadrate und Kuben. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind sie bereits als Säulen im Garten zu finden. Kubisch geformt seien auch die vielen Kisten im Archiv des Museums mit dem Nachlass jüdischer Familien in der Diaspora, erklärt man im Museum Libeskinds kubisches Leitmotiv. In der alten Markthalle nun wird ein erster Kubus quer in die aufgerissene Fassade hineingeschoben. Er dient als Eingangshalle mit Sicherheitsschleuse samt Garderobe und bildet das Scharnier zwischen öffentlichem Vorplatz und Akademie. Zwei weitere Kuben stehen unter dem Dach des Altbaus: Platz für den 230 Quadratmeter großen Vortragssaal sowie die Bibliothek.

Damit ist aber nur der vorderste Teil der 6400 Quadratmeter großen Halle belegt. Dahinter schließen sich ebenfalls unter dem Hallendach zwei Riegel für die Verwaltungsmitarbeiter an sowie der „Garten der Diaspora“. Diesen legt das Schweizer Büro „atelier le balto“ auf drei stählernen „Plateaus“ an. Jede Gartenfläche hat ein Thema: „Bildung“, „Kultur und Natur“, „Landschaft“. Scheinakazien, Rizinus, Pflanzen aus Israel also, aber auch der rote Boden und anderes Erdreich aus dem Heiligen Land werden hier zu finden sein – getragen vom Leitgedanken, dass der Begriff der Kultur eben vom Kultivieren abstammt, Kultur und Natur also eine gemeinsame Wurzel haben.

Ganz ungewöhnlich übrigens, für Berlin allemal, der Baustoff der Akademie: Holz. Lag es am Budget oder, wie die Architekten sagen, weil es CO2-neutral ist? Wegen des Geldes jedenfalls werden im Winter nur die Kuben unter dem Dach des Altbaus geheizt. Der hintere Teil der Halle wird zunächst nur „temporär“ genutzt. Erst später, bei Bedarf, wird weitergebaut – gleichsam als Erweiterung der Erweiterung der Erweiterung.

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