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Berlin: Böhmisches Dorf

Ist ein Seniorenfreizeitheim eine Sportstätte? In Neukölln stritten darüber Bezirk und Schachclub

Zug um Zug schaukelte sich der Streit im „Böhmischen Dorf“ hoch. Die Kontrahenten: das Bezirksamt Neukölln auf der einen, die Schachfreunde Neukölln auf der anderen Seite. Letztere nutzen seit Jahren Räume in der Seniorenfreizeitstätte Böhmisches Dorf am Richardplatz – kostenlos. Sie berufen sich auf das Sportförderungsgesetz, demzufolge einem Sportverein ein „angemessener“ Spielort unentgeltlich zusteht. Das Bezirksamt dagegen forderte Miete.

Zwar ist es juristisch noch ungeklärt, was eine „angemessene“ Sportstätte für einen Schachclub bedeuten könnte. Doch vor einigen Monaten eskalierte der Zwist. Das Bezirksamt drohte damit, die Schlösser auszutauschen. Der Club erwirkte eine einstweilige Verfügung dagegen. Allein in der Bundesliga-Mannschaft der Neuköllner spielen ein Richter und zwei Anwälte. Der Bezirk drohte Hausverbot an. Postwendend gab es auch dagegen eine einstweilige Verfügung. Das Bezirksamt ließ gleichwohl die Schlösser auswechseln – und kassierte daraufhin die dritte einstweilige Verfügung. Das Ordnungsgeld, dass der Behörde wegen der Nichtbeachtung der Verfügungen nun drohte, hätte die für das Böhmische Dorf verlangte Miete bei weitem übersteigen können.

„Wir haben uns eigentlich über die Jahre ruhig verhalten und nie etwas Besonderes verlangt“, erinnert sich der Club-Vorsitzende Jörg Schulz. Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) habe den Verein früher sogar gefördert. Doch jetzt, meint Schulz, „will man uns in Neukölln offenbar nicht mehr haben“.

Buschkowsky hingegen sagt: „Ich muss die Schachfreunde behandeln wie alle anderen im Böhmischen Dorf auch. Die Gebührenordnung gilt für alle. Wir müssen diese Ordnung einhalten, wie vom Landesparlament vorgegeben.“

Die Sache landete vor dem Oberverwaltungsgericht. Dort wollte die Richterin Birgit Plückelmann aber nicht im Eilverfahren über die Frage entscheiden, ob Seniorenfreizeitstätten als Sportstätten nach dem Sportförderungsgesetz gelten könnten. So trafen sich die Anwälte beider Seiten in dieser Woche erneut, um eine gütliche Einigung zu vereinbaren. Und waren erfolgreich: Die Schachfreunde werden das Böhmische Dorf mittelfristig aufgeben. Dafür brauchen sie keine nachträglichen Geldforderungen mehr zu erwarten. Wenn am Freitagabend auch im Bezirksamt grünes Licht für die Einigung gegeben wird, könnte der kuriose Streitfall von Neukölln gegen Neukölln doch noch unkompliziert enden.

Fernando Offermann

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