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Berlin: Borsig: Auf dem Abstellgleis

Der 65 Meter hohe Borsigturm - das erste Hochhaus Berlins - und das erhaltene Werkstor sind denkmalgeschützte Zeugen Berliner Industriegeschichte. Mit der Borsig GmbH droht jetzt ein weiteres Traditionsunternehmen, sich aus der Stadt zu verabschieden.

Der 65 Meter hohe Borsigturm - das erste Hochhaus Berlins - und das erhaltene Werkstor sind denkmalgeschützte Zeugen Berliner Industriegeschichte. Mit der Borsig GmbH droht jetzt ein weiteres Traditionsunternehmen, sich aus der Stadt zu verabschieden. Nach Informationen der Gewerkschaft IG Metall soll in der nächsten Woche die Schließung der Fertigung in Reinickendorf bekannt gegeben werden. Insider befürchten, dass insgesamt rund 350 produktionsabhängige Arbeitsplätze verloren gehen - rund die Hälfte der Berliner Belegschaft. Die Restbereiche Service, Montage und Konstruktion gelten dann ebenfalls als massiv gefährdet.

Bereits am Mittwoch wurde der betroffenen Belegschaft vom Betriebsrat mitgeteilt, dass spätestens zum Jahresende "Schluss" sein werde, berichteten Mitarbeiter. Wie verlautet, soll ausgerechnet die gewinnbringende Produktion nach Spanien verlagert werden. Dort hat der Mutterkonzern in Bilbao umfangreiche Werksanlagen erworben. Die Borsig GmbH beschäftigt auf einem Teilbereich des Traditionsgeländes rund 700 Mitarbeiter und gilt als Kompetenzzentrum im Apparatebau für chemische und petrochemische Industrie. Bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft war man gestern noch nicht über die Pläne informiert. Man werde mit der Konzernleitung in Oberhausen Kontakt aufnehmen und, falls sich die Schließungsabsichten bestätigen, nach Möglichkeiten zum Erhalt des Standortes und der Arbeitsplätze suchen, sagte die Sprecherin von Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS), Heike Engelhardt.

Wegen der Verluste im Servicebereich hatte die IG Metall wiederholt Lohnkürzungen zugestimmt. Die letzten Reduzierungen gab es zum Ende des vergangenen Jahres. Im Gegenzug gab es das Versprechen der Geschäftsleitung, die Jobs zu erhalten, so Tarifsekretär Karl Röhrig. Es bezeichnet es als "enttäuschend", dass die Geschäftsleitung die Gewerkschaft bisher noch nicht einmal von den Schließungsplänen informiert hat.

Borsig-Sprecher Gerhard Schultz verweist auf die schlechte wirtschaftliche Situation der exportierenden Branche im Maschinen- und Anlagenbau. Deshalb werden die einzelnen Fertigungsstandorte überprüft. Endgültige Beschlüsse der Konzernzentrale gibt es nach seinen Angaben noch nicht.

Den im November angekündigten Maßnahmenkatalog zur strategischen Absicherung des Konzerns will Vorstandschef Klaus G. Lederer bei der Bilanzpressekonferenz am 31. Januar bekannt geben. Der Berliner Betriebsrat befand sich gestern komplett zu Verhandlungen mit der Konzernleitung in der Zentrale der Babcock-Borsig AG in Oberhausen. Lederer hatte bereits im November erklärt, dass im laufenden Geschäftsjahr mit einem "allenfalls ausgeglichenen operativen Ergebnis" zu rechnen sei.

Insider befürchten, dass die Einstellung der Produktion den Anfang vom Ende für Borsig in Berlin bedeuten würde. In der Vergangenheit sei es gerade der Servicebereich gewesen, der "unter Druck" gestanden habe. "Wenn der Apparatebau geschlossen wird, ist der Rest auch nicht mehr stabil und mit Sicherheit in Gefahr", so Karl Röhrig. "Gegen das spanische und tschechische Kostenniveau kommen wir nicht an. Wenn der Verschiebebahnhof so läuft, ist das nicht gut für Berlin."

Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU) glaubt, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. In Gesprächen will sie sich in der kommenden Woche intensiv bemühen, "dieses Damoklesschwert abzuwenden". Der Erhalt von Produktionsarbeitsplätzen hat für Reinickendorf und Berlin besondere Bedeutung, sagt die Kommunalpolitikerin. Deshalb hofft sie, bei der Konzernführung noch einen Sinneswandel herbeiführen zu können.

Rainer W. During

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