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Borsighafen: Bezirkschefin in Nöten

Der Landesrechnungshof ist sich sicher: Reinickendorfs Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU) hat beim Borsighafenprojekt Verstöße gegen das Haushalts- und Vergaberecht zu verantworten.

Der Ausbau des Borsighafens scheint für Wanjura immer mehr zum Desaster zu werden. Nach monatelanger Diskussion hat der Landesrechnungshof dem Bezirk und der Wirtschaftsverwaltung Verstöße gegen das Haushalts- und Vergaberecht bei dem 4,6 Millionen teuren Projekt vorgeworfen. Die Reinickendorfer SPD-Fraktion in der BVV hat gestern „eine neue Geschäftsverteilung ohne Frau Wanjura als Finanzstadträtin“ gefordert. Über ihre Zukunft als Bezirkschefin müsse nach ausführlicher Diskussion noch entschieden werden. Der Abgeordnete Oliver Schruoffeneger (Grüne) forderte: „Alle Akten müssen auf den Tisch.“

Bezirksbürgermeisterin und Senatswirtschaftsverwaltung sollten sich zu der Affäre äußern. Marlies Wanjura gab aus Krankheitsgründen gestern keine Stellungnahme ab. Die Wirtschaftsbehörde sprach von „einseitiger Sicht des Rechnungshofes“. Sie habe nicht, wie vom Rechnungshof kritisiert, gegen Förderrichtlinien verstoßen, es drohten keine hohen Rückforderungen des Bundes.

Der Hafenausbau, den die Senatsbauverwaltung inzwischen vom Bezirk übernommen hat, soll im nächsten Frühjahr abgeschlossen sein, weil Borsig dann ein für China bestimmtes Aggregat zur Ölvergasung im Wert von 25 Millionen Dollar zum Westhafen verschiffen muss. Die Straßenbrücken würden die Last nicht aushalten. Die „Revitalisierung“ des Hafens, von dem auch MAN als Hersteller von Großaggregaten profitiert, gilt als Sicherung des Industriestandortes mit fast 1000 Arbeitsplätzen. Seit Monaten sind die Begleitumstände des vom Bezirk veranlassten Ausbaus umstritten. Der Hauptausschuss beschäftigte sich damit.

Der Landesrechnungshof sieht nun beispielsweise Verstöße beim Antrag für GA-Mittel (Gemeinschaftsaufgabe) des Bundes, der 90 Prozent der Kosten übernehmen soll. Für einen geplanten Straßenzubringer, der nicht für die Öffentlichkeit gedacht sei, sondern auf dem Gelände einer Grundstücksverwertungsgesellschaft errichtet wird, sei die Förderung nicht zulässig. Der Kauf des Geländes soll erst nach Förderungszusage erfolgt sein.

Schruoffeneger sprach von einem „attraktiven Geschenk an einen Investor“. Auch habe der Bezirk nicht die „Abschöpfung“ von Gewinnen für die öffentliche Hand bei künftigen Grundstücksverkäufen geregelt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Marlies Wanjura wegen des Verdachts der Untreue.

Das Bezirksamt hatte vor gut zwei Monaten einer leitenden Mitarbeiterin von Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU) gekündigt. Sie soll dem Wirtschaftssenator bereits entstandene Projektkosten verschwiegen haben. Wanjura hatte trotz rechtlicher Bedenken im eigenen Hause Vorarbeiten vergeben. Die Senatsbehörde für Stadtentwicklung bezeichnete die Vergaben als korrekt. CDU-Kreise sprachen damals von einer gezielten Kampagne gegen die Verwaltungschefin des Bezirks. C. v. L.

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