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Bosnien bittet zur Feier. Ihre Mannschaft ist zwar schon ausgeschieden, trotzdem werden die Bosnier heute beim letzten Gruppenspiel (18 Uhr) wieder ausgelassen feiern.

© privat

Bosnische Community in Berlin: Weltmeisterschaft mit Song-Contest-Effekt

Auch 19 Jahre nach Kriegsende ist Bosnien-Herzegowina ein gespaltenes Land. In Berlin ist davon wenig zu spüren – schon gar nicht wenn die Nationalmannschaft spielt.

Bosnien-Herzegowina spielt bei der Fußball-WM sensationell. Nicht weil die elf Männer in Blau besonders gut Fußball spielen. Das kleine Balkanland ist schließlich schon vor dem heutigen Spiel gegen Iran ausgeschieden. Nein, die Sensation liegt eher darin, dass die Bosnier auf dem Rasen schaffen, was in der Politik noch schwierig ist: Die Einigung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Und das macht sich in Berlin bemerkbar.

Während der WM gelten religiöse Rivalitäten nicht mehr

Die Gräben verlaufen immer noch tief zwischen den christlich-orthodoxen bosnischen Serben, den muslimischen Bosniaken und den bosnischen Kroaten, die katholisch sind. Doch wenn der Ball rollt, den die einen „Fudbal“, die anderen „Nogomet“ nennen, gilt all das nicht mehr.

„Die Bosnier stehen an der Seite ihres Teams – unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Herkunft“, sagt der bosnische Botschafter in Berlin, Edin Dilberovic. „Die WM ist ein positives Moment für den Zusammenhalt in unserem Land.“ Aber auch für den der bosnischen Diaspora in Berlin.

11 224 Menschen aus Bosnien-Herzegowina leben hier. Auch am heutigen Mittwoch, wenn ihre Mannschaft das letzte Gruppenspiel gegen Iran bestreitet, werden ein paar von ihnen am Salzufer WM schauen. Dort hat die Kneipe "Bosansko Sijelo", was "bosnisches Dorf" bedeutet, zum Public Viewing geladen. Viele werden sicher ins „Kapitel 21“ gehen, das der Bosniake Asmir Hadzibeganovic betreibt. Zur WM hat er viele Reservierungen von Bosniern – darunter Muslime und Serben. „Die Leute separieren sich nicht, sondern feiern zusammen“, sagt der Barinhaber. Ähnlich sieht es Benjamin Pandzic vom Fanclub der Nationalmannschaft „BHFanaticos“. Für den organisiert Pandzic die Public Viewings in Berlin – zum Beispiel im „The Roof“ am Tiergarten. Dort werden sicherlich auch heute wieder rund 500 Bosnien-Fans ausgelassen feiern.

Bosnien-Fan: "Wir achten nicht auf Religion"

Bereits die Qualifikation für die WM habe das Land ein wenig geeint, sagt der 34-jährige Moslem. „Wir achten nicht auf Religion. Uns geht es darum, dass man Bosnien als Land und die Nationalmannschaft liebt“, sagt Pandzic. Die BHFanaticos haben auch für die Flutkatastrophe im Mai Geld gespendet. Da habe man auch nicht geschaut, aus welcher Volksgruppe jemand stamme, sagt Pandzic.

Hannes Grandits, Professor für südosteuropäische Geschichte an der HU Berlin teilt diese Auffassung. „Nationale Labels“ habe es während der Flut nicht gegeben. Ebenso wenig wie bei der Fußball-WM. „Bosnien hat in den zwei Jahrzehnten nach dem Krieg nur schlechte Nachrichten produziert. Da war die Qualifikation für die WM eine große Erfolgsnachricht“, sagt Grandits.

Und diese gute Nachricht lassen sie sich auch vom vorzeitigen Ausscheiden nicht verderben. Bei Veranstaltungen wie dem Eurovision Song Contest sei das ähnlich. 2012 beispielsweise nahm Bosnien das letzte Mal daran Teil – das ganze Land habe Sängerin Maya Sar angefeuert. Und so ist es nun wieder. Auch deswegen hoffen die Berliner Bosnier, dass sich ihre Mannschaft auch das nächste Mal wieder qualifiziert.

Vinzenz Greiner

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