zum Hauptinhalt

Berlin: Bosnische Flüchtlinge haben Recht auf Sozialhilfe in voller Höhe

Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts löst möglicherweise Prozeßlawine ausVON JENS ANKER Berlin. Die Sozialverwaltung muß bosnischen Flüchtlingen, die eine Duldung haben, auch künftig die volle Sozialhilfe zahlen.

Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts löst möglicherweise Prozeßlawine ausVON JENS ANKER Berlin. Die Sozialverwaltung muß bosnischen Flüchtlingen, die eine Duldung haben, auch künftig die volle Sozialhilfe zahlen.Das beschloß jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Berlin.Demnach ist die geplante Reduzierung auf 80 Prozent des Sozialhilfesatzes unzulässig.Der Auszahlung der vollen Summe stehe nicht entgegen, daß den Bosniern "mit der Ankündigung der Rückführung ab Mai 1997 mitgeteilt worden ist, daß eine freiwillige Rückkehr jederzeit möglich ist", heißt es in der Urteilsbegründung.Durch die Ankündigung der Sozialverwaltung, weiterhin an den neuen Ausführungsvorschriften für Flüchtlinge festzuhalten, steht dem Verwaltungsgericht eine Prozeßlawine ins Haus.Sozialsenatorin Beate Hübner will ab März die Leistungen für die rund 29 000 bosnischen Flüchtlinge in Berlin auf das Niveau des Asylbewerberleistungsgesetzes absenken.Nach Auskunft der Sozialverwaltung würden dadurch rund 15,6 Millionen Mark pro Jahr eingespart werden.Insgesamt erhalten die 33 000 Flüchtlinge in der Stadt 500 Millionen Mark jährlich.Der größte Teil davon wird für die Unterkünfte bezahlt.Nach der neuen Regelung erhielte jeder Erwachsene Bosnier etwa 100 Mark weniger monatlich, für Kinder würden rund 80 Mark weniger ausgegeben. "Auch wenn wir das konkrete Urteil noch nicht kennen, sehen wir keinen Handlungsbedarf", sagt Dagmar Ulrich, Sprecherin der Sozialverwaltung.Demnach soll ab März die von Senat und Sozialausschuß beschlossene Kürzung der Leistungen wie geplant eintreten - lediglich das Ehepaar, daß die einstweilige Anordnung beim OVG durchgesetzt hat soll weiter den Sozialhilfesatz erhalten. Die Reaktion der Behörde sei ein "Kopf in den Sand stecken", sagt die Wilmersdorfer Sozialstadträtin, Martina Schmiedhofer.Vielmehr hätte sich die Senatorin vor dem umstrittenen Beschluß besser über die Rechtslage informieren sollen, kritisiert die Stadträtin der Bündnisgrünen.Offenbar gehe die Verwaltung davon aus, daß nur ein geringer Prozentsatz der betroffenen Bosnier vor das Gericht ziehe und die Reduzierung der Leistungen anfechte.Wilmersdorf werde sich für die volle Auszahlung einsetzen, sagte Schmiedhofer weiter. Auch in Justizkreisen ruft die Ankündigung der Sozialverwaltung Kritik hervor."Da bleibt mir die Spucke weg", sagte ein Verwaltungsrichter auf Anfrage.Wenn es Schule mache, daß der Senat um zu sparen, gegen geltendes Recht verstoße, dann stehe ein Verfall des Rechtsstaates bevor.Wenn jeder betroffene Bosnier sein Recht auf Sozialhilfe einklagen müsse, stehe dem Verwaltungsgericht eine weitere Prozeßlawine bevor.Seit 1991 hat sich die Zahl der Eingänge von 16 700 auf rund 30 000 im vergangenen Jahr fast verdoppelt.Jedes Gerichtsverfahren bosnischer Flüchtlinge vor dem Verwaltungsgericht kostet den Staat rund 1500 Mark. Das klagende Ehepaar lebt seit 1993 in Deutschland.Nach Auskunft des Landeseinwohneramtes ist die Rückführung ab Mai 1997 vorgesehen.Bis zum November vergangenen Jahres erhielt das Paar die Leistungen in Höhe der Regelsätze des Bundessozialhilfegesetzes.Danach erklärte das Bezirksamt Weißensee, daß das Paar bislang die volle Summe ausgezahlt bekam, weil ihnen die Heimreise nicht habe zugemutet werden können.Nun stünde der Heimreise jedoch nichts mehr im Wege.Deswegen hatte das Ehepaar seit November den verringerten Satz erhalten.Dagegen hatten die beiden Bosnier geklagt.Das Verwaltungsgericht hatte in der ersten Instanz der Verwaltung recht gegeben.

JENS ANKER

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false