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Walk of Shame?

© Mike Wolff

"Boulevard der Stars" am Potsdamer Platz: Der Schandfleck mitten in Berlin

Statt der erhofften Attraktion ist der „Boulevard der Stars“ heute ein beschmiertes Stück Mittelstreifen am Potsdamer Platz. Zeit, ihn platt zu machen – und sich von der Berliner Neigung zur Vermessenheit zu verabschieden.

Erstaunlich, wer hier alles geehrt wird: Hildegard Knef, Wim Wenders und Mario Adorf haben dem deutschen Film zweifellos große Dienste erwiesen, klar, dass sie vertreten sind auf dem „Boulevard der Stars“. Aber wer sind Brigitte, Verena und Patrick? Kennt einer Pomo, Mawa, Gilan und Bibi, Jessi, Olli oder Mops Nika Sie alle haben ihr eigenes Denkmal auf dem Mittelstreifen am Potsdamer Platz. Zugegeben, manche Sterne sind offensichtlich nicht aus Bronze, sondern wurden mit Edding auf den Boden geschmiert. Doch niemanden scheint das zu stören, und im Grunde fallen sie auch gar nicht auf zwischen den Kaugummiflecken, Fahrradbremsspuren, Zigarettenstummeln und dem übrigen Dreck.

Er sollte ein künstlerisch anspruchsvolles Monument werden, dieser „Boulevard der Stars“. Eine Touristen-Attraktion, quasi Berlins Pendant zum „Walk of Fame“, dem 18 Häuserblöcke langen Gehsteig in Hollywood, auf dem, von Marilyn Monroe bis Steven Spielberg, allen Größen der US-Filmindustrie gedacht wird. Der Berliner Boulevard sollte signalisieren: Ja, wir haben auch Glamour zu bieten, und den können wir auch herzeigen!

Drei Jahre nach Grundsteinlegung muss leider auch der wohlwollendste Flaneur zugeben: Der „Boulevard der Stars“ ist ein Panoptikum der Schäbigkeit. Ein unansehnliches, ungepflegtes Stück Mittelstreifen, das man freiwillig nur betritt, um schnell auf die andere Straßenseite zu gelangen. Wenn dieser Boulevard Werbung ist, dann bloß für konkurrierende Filmstandorte.

Auf der Erklärtafel am westlichen Ende klebt Vogelkot. Die Plakette des Sponsors Vattenfall hat Blasen und wirkt so schmuddelig wie die Wand einer wirklich übel zugerichteten Bahnhofstoilette. Viele Bronzesterne – und jetzt mal die echten – sind zerkratzt. Der von Til Schweiger sieht aus, als habe einer flüssigen Teer drübergeschüttet.

Der Stern für Klaus Kinski bleibt.
Der Stern für Klaus Kinski bleibt.

© Kai-Uwe Heinrich

Wie so oft in dieser Stadt kann man sagen: Die Idee war gut. Oder jedenfalls nachvollziehbar. Berlin ist Metropole, und zwar eine, die sich am liebsten mit den ganz großen Weltstädten vergleicht. Da macht sich ein Walk of Fame prima – genau wie das jedes Jahr wiederkehrende Märchen, Berlin feiere die größte Silvester-Party der Welt.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

Das Gegenteil von gut ist bekanntlich gut gemeint, zumal im so typischen Berliner Kleinklein der knappen Mittel. Schon vor zehn Jahren hatte der Filmhistoriker Gero Gandert die Vision eines Boulevards, und schöne Entwürfe gab es auch. Aber dann fehlte Geld, das Projekt verzögerte sich mehrfach, und irgendwann muss sich jemand gedacht haben: Legen wir einfach rot gefärbten Asphaltboden dort aus, wie man ihn von deutschen Hinterhof-Basketballfeldern kennt, und dann warten wir ab, was die Witterung und Vandalen daraus machen.

Wenn jetzt ein neuer Verein einen „Queer Walk of Fame“ am Nollendorfplatz errichten will, kann man nur hoffen, dass er sich am Potsdamer Platz umgeschaut hat und daraus lernt, wie es nicht gemacht wird.

Es ist ja gar nicht so, dass sich niemand für den „Boulevard der Stars“ zuständig fühlt. Es gibt da eine Jury von Filmexperten, die sich regelmäßig trifft, um über die Vergabe weiterer Sterne zu beraten. Gerade erst hat sie beschlossen, dass Klaus Kinski seinen Ehrenstern trotz der bekannt gewordenen Missbrauchsvorwürfe nicht aberkannt bekommt. Lediglich „überarbeitet“ werde der, heißt es.

Man wäre gern mal Mäuschen bei so einer Jury-Sitzung. Dann würde man vielleicht begreifen, wie die Besternungs-Spezialisten eigentlich vorgehen. Ob etwa eine große Portion Selbstironie mitschwingt, wenn sie ausgerechnet einen wie Thomas Gottschalk ehren, dessen bisheriges filmisches Schaffen von der albernen Klamotte „Zwei Nasen tanken super“ bis zur albernen Klamotte „Eine Frau namens Harry“ reicht.

Doch genug davon. Das aktuelle Kinski-Problem ließe sich leicht im Rahmen eines radikalen Gesamtkonzepts lösen. Dafür braucht es Bagger und Planierraupen, und anschließend könnte man ein paar Sträucher hinpflanzen. Damit würde der Ex-Boulevard zu einer Warnung für viele Flecken dieser Stadt, die eines eint: dass sie nie werden, was sie sein wollen.

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