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Berlin: Brachial an der Brache

Der Senat plant jetzt am Checkpoint Charlie – und will endlich ein Museum des Kalten Krieges.

Geisel, übernehmen Sie! Wo sich früher Panzer von Russen und Amerikanern schussbereit gegenüberstanden und heute Heerscharen von Touristen zwischen Budenzauber und Alliierten-Kostümierten nach Spuren des Kalten Krieges suchen, zieht der Senat die Planung für die zwei letzten Baubrachen an sich. Der Checkpoint Charlie ist von „außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“, heißt es in einer Senatsvorlage, die kommenden Dienstag beschlossen werden soll. Deshalb müsse an der früheren innerdeutschen Grenze ein Gedenkort entstehen, ein Museum des Kalten Krieges.

Dass Berlin nun vom Bezirk die Planungshoheit übernimmt und das ganze Gewicht der Regierung in die Waagschale wirft, liegt am Wechsel des Eigentümers der Bauflächen. Wie berichtet hatte die Firma „Trockland“ die Grundstücke gekauft. Diese entwickelt in Berlin Bürogebäude, Wohnhäuser, ein Kabbalah-Zentrum und andere Neubauten mit einem Wert von 800 Millionen Euro, so die Angaben der Firma. Um den tatkräftigen Unternehmern gegenüber das städtischen Interessen durchzusetzen, wird die Planung nun zur Chefsache. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hieß es, das Vorgehen sei abgestimmt und „im Einvernehmen mit dem Bezirk“ erfolgt.

Etwas anderes bleibt dem Senat gar nicht übrig, denn das Land hatte es verpasst, sich frühzeitig eigene Flächen zu sichern an diesem geschichtsträchtigen Ort. Das Versäumte holt Berlin nun mit sanftem Druck nach, indem es gleichsam im Tausch Baurecht für ein geplantes Hotel mit Wohnungen und Büroflächen gegen Gedenkflächen auf dem östlich liegenden Grundstück anbietet. Dann wird auch Schluss sein mit fliegenden Händlern und Alliierten-Kostüm-Parade.

Symbolträchtiger als hier ist europäische Geschichte wohl nirgends zu fassen, das Bild des über den Stacheldraht springenden DDR-Grenzers brannte sich ins kollektive Gedächtnis ein. Der Checkpoint Charlie fehlt auf keiner Besichtigungstour von Berlin-Touristen. In der Begründung des Senatsbeschlusses weist Bausenator Andreas Geisel außerdem auf das „Gesamtkonzept zur Erinnerung der Berliner Mauer“ hin, das der Senat im Jahr 2006 beschlossen hatte. Darin wird vorgeschlagen, am Checkpoint Charlie „einen Ort der Dokumentation zu schaffen, der den Grenzübergang an der Friedrichstraße und die Berliner Mauer in ihren weltpolitischen Bezügen darstellt“.

Dafür ist mit der bestehenden provisorischen „Black Box“ bereits ein Grundstein gelegt: Den Aufbau des Ausstellungscontainers hatte die Senatsverwaltung für Kultur mit 300 000 Euro finanziert, Einnahmen aus den Ticketverkäufen an die Besucher reichen für den laufenden Betrieb der Schau aus, sagt Monica Geyler-von Bernus vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart, das die Box betreibt. Kurator der Dokumentation ist Jürgen Reiche, der hauptberuflich Ausstellungsdirektor beim Haus der Geschichte in Bonn ist, hinter dem der Bund steht. Bei einer Umfrage unter Besuchern der Black Box kam heraus, dass die gute, aber überschaubare Ausstellung nicht die großen Erwartungen an diesen historischen Ort erfüllen kann. Ein Museum des Kalten Krieges würde diesen Missstand wohl beseitigen können.

„Wir tragen diesen Schritt mit“, sagte der stellvertrende CDU-Fraktionschef Stefan Evers. Über die Einbindung des Museums und städtebauliche Fragen müsse der Senat nun schnell Klarheit schaffen. Denn mit dem neuen Eigentümer gebe es endlich eine Aussicht auf Realisierung. „Ich sehe darin eine Chance.“ Ralf Schönball

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