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Brand in Moabit: Spiel mit dem Feuer

Die Ermittlungen der Polizei offenbaren das ganze Ausmaß der Tragödie: Ein 12-jähriges Kind ist für die Brandkatastrophe in Berlin-Moabit verantwortlich. Hat die Mutter ihre Aufsichtspflicht verletzt?

Berlin (16.08.2005, 16:09 Uhr) - Bei der dritten Vernehmung eines 12-jährigen Schülers aus Berlin-Moabit kam die tragische Wahrheit ans Licht: Der Junge gestand, dass seine Kokelei im Treppenhaus eines Mietshauses einen verheerenden Brand entfachte und er mit seinem Bruder weg rannte. Die Folge: Bei einem der schlimmsten Wohnhausbrände in der deutschen Nachkriegsgeschichte starben neun Menschen. Eine Woche nach dem Brand präsentierten Staatsanwaltschaft und Polizei in der Hauptstadt am Dienstag ihren Ermittlungserfolg. Ein ausländerfeindlicher Hintergrund war bereits kurz nach dem Unglück ausgeschlossen worden.

Angezündetes Papier sei auf einen Kinderwagen übergesprungen und dann außer Kontrolle geraten, sagte Oberstaatsanwalt Karl-Heinz Dalheimer zu dem Geständnis. Die deutsch-polnische Familie des 12- Jährigen und seines neun Jahre alten Bruders, der bei dem Spiel mit dem Feuer hinzukam, wohnte im hinteren Teil des Unglückshauses. Sie überlebten alle. Die Mutter habe die Feuerwehr gerufen, sagte Dezernatsleiter Michael Havemann vom Landeskriminalamt.

Die Ermittlungen offenbaren auch eine Familientragödie. Denn für die verwandte polnischstämmige Familie aus dem Vorderhaus wurde das wie ein Kamin brennende Treppenhaus zur Todesfalle. Vater, zwei Kinder und eine Jugendliche allein aus dieser Familie kamen in dem Feuer um, für das ihr Großcousin laut Staatsanwaltschaft verantwortlich war. Nur die Mutter dieser Opferfamilie blieb am Leben.

Bestraft werden können der 12-Jährige und sein Bruder nicht. «Sie sind noch nicht strafmündig, das Verfahren wird eingestellt», sagte Dalheimer. Die Hinterbliebenen und zahlreiche Schwerverletzten müssen nun damit leben, dass es keinen Prozess gibt. Die Polizei war zuerst von vorsätzlicher Brandstiftung ausgegangen. Doch auf die Eltern der traumatisierten Kinder, die jetzt in der Obhut einer Verwandten sind, dürften enorme zivilrechtliche Forderungen zukommen, sagte Dalheimer.

Die Mutter des Jungen muss mit einem Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Aufsichtspflicht rechnen. Hätten die Kinder einen «entsprechend ihres Alters strukturierten Tagesablauf» gehabt, wäre es vermutlich nicht zu der Brandkatastrophe gekommen, sagte Staatsanwältin Ines Karl. Es hätten «lockere Verhältnisse» in der Familie geherrscht. Jetzt sei auch das Jugendamt eingeschaltet.

So stellte sich die Frage, warum die Kinder noch zu so später Stunde unterwegs waren. Bei der Feuerwehr ging der erste Notruf um 23.07 Uhr ein. Und Ermittler Havemann bekam bei den Befragungen von Hausbewohnern auch heraus, dass bei dem Schüler «schon des öfteren Feuer im Spiel gewesen» sei. Doch bei den Behörden sei er nicht auffällig gewesen.

Zuerst habe der Junge bei den Befragungen geleugnet und wie die Mutter angegeben, dass die Brüder zu der Zeit geschlafen hätten, berichteten die Ermittler. Doch dann habe er zugegeben, dass er wegen der außer Kontrolle geratenen Flammen zusammen mit seinem jüngeren Bruder ins Hinterhaus geflüchtet sei und dann die Hausbewohner alarmiert habe.

Unklar blieb, wie die Kinder ihre Mutter über das Feuer ins Bild gesetzt hatten. Diese wolle die Aussagen ihrer Kinder nicht glauben, sagte Staatsanwältin Karl. «Sie müsste eine Ahnung gehabt haben, wie das Feuer entstand.» (Von Jutta Schütz, dpa)

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