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Foto: dpa/Nestor Bachmann

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Berlin: Brandenburg demütigte SED-Opfer

Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe zieht Bilanz ihrer zweijährigen Arbeit.

Potsdam - In Brandenburg scheiterte es an 24 Stunden. Der Mann hatte in den 60er Jahren wegen einer Anti-Ulbricht- Zeichnung 183 Tage in DDR-Haft gesessen. Der Betroffene konnte die ihm zustehende Haftentschädigung aber erst nach zähen Ringen 2011 durchsetzen, indem er Brandenburgs neue Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe einschaltete. Am Donnerstag stellte sie den Tätigkeitsbericht für ihre ersten beiden Amtsjahre 2010/2011 vor, wo sich der Fall wiederfindet. Er sei durchaus typisch für den Umgang mit SED-Opfern im Land, hieß es. Danach hatte das Potsdamer Landgericht 2007 eine Haftentschädigung abgelehnt, weil der Kläger einen Tag zu wenig im Gefängnis gesessen hatte, um Entschädigung zu erhalten. Dem Mann entgingen so zunächst 9000 Euro.

Alle anderen Ost-Länder handeln in solchen Fällen längst großzügiger. „Hätte er seinen Antrag in einem anderen der neuen Bundesländer gestellt, wäre er schon seit 2007 leistungsberechtigt gewesen“, heißt es in Poppes Bericht. Er habe die „Zurückweisung durch das Land Brandenburg“ als „schwere Demütigung empfunden“.

Die junge Acht-Mitarbeiter-Behörde Poppes wird – mehr als 20 Jahre nach der deutschen Vereinigung – von Menschen überrannt, die mögliche Opfer des SED-Regimes sind. Knapp 2000 suchten inzwischen Rat, davon knapp 700 Dauerfälle, die intensiv begleitet werden, viele an gesundheitlichen Spätfolgen früherer Verfolgung leidend. Trotz des hohen Nachholbedarfs ist für Poppe in Brandenburg bei der Aufarbeitung mittlerweile „sehr viel in Gang“. Sie nannte die wieder aufgelebten Stasi-Überprüfungen im Landtag und in vielen Kommunalvertretungen, die „harten, für eine Katharsis nötigen“ Debatten in der Enquetekommission zur SED-Diktatur, aber auch den klaren Umgang mit Stasi-Fällen in der Polizei unter SPD-Innenminister Dietmar Woidke. Diesem Beispiel sollte Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) folgen, forderte Poppe. Es sei ein „erster Schritt“, dass dieser Richter und Staatsanwälte jetzt zumindest bei Beförderungen auf Stasi-Mitarbeit überprüfen lassen.

Zum jüngsten Stasi-Fall einer Referatsleiterin im Sozialministerium, die die damalige Ministerin Regine Hildebrandt 1994 trotz einer bei der Einstellung verschwiegenen Spitzeltätigkeit im Amt beließ, äußerte sich Poppe zurückhaltend. Hildebrandt sei der Parteinahme für das SED-Regime unverdächtig, so Poppe. „Ich gehe davon aus, dass ihre Entscheidung damals nicht leichtfertig erfolgt ist.“ Thorsten Metzner

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