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Brandenburg: Neuer Ärger um Potsdamer Immobilien-Deals

Die Stadtspitze drängte auf Verkauf kommunaler Häuser, doch niemand wollte dafür die Haftung übernehmen.

Der Potsdamer Millionen-Deal nach dem "Gewoba-Modell" wird immer dubioser. Denn für das Geschäft, bei dem im Jahr 2000 städtische Immobilien im Wert von rund 60 Millionen Euro an die Wohnungsbaugesellschaft Gewoba verkauft wurden, wollten weder deren Geschäftsführer Horst Müller-Zinsius noch der damalige Potsdamer Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD) die Verantwortung tragen.

Müller-Zinsius, der heute den städtischen Konzern Pro Potsdam GmbH führt, zu dem auch die Gewoba gehört, ließ sich von Platzeck im Juni 2000 schriftlich bestätigen, dass „der Geschäftsführer der Gewoba Potsdam mbH (...) bezüglich seiner Genehmigung (…) von jeglicher Haftung freigestellt“ wird. Bevor die sogenannte Haftungsfreistellung mit dem Siegel der Stadt Potsdam versehen wurde, gingen einige Entwürfe zwischen Rathaus und Gewoba hin und her. Nachdem die Stadtspitze einen Vorschlag von Müller-Zinsius als zu weitgehend abgelehnt hatte, erinnerte der Geschäftsführer in einem handschriftlichen Fax an den damaligen Gewoba-Aufsichtsratschef und heutigen Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mit dem Hinweis „Eilt wirklich“ an seine vorgeschlagene „Minimalvariante“.

Und dass Platzeck nicht haftbar gemacht werden könne, hatte Ende Mai 2000 ein Mitarbeiter des Geschäftsbereichs des Oberbürgermeisters in einem Vermerk festgehalten – der Oberbürgermeister setze lediglich einen Beschluss der Stadtverordneten um.

Mit dem "Gewoba-Modell" brachte die damals hoch verschuldete Landeshauptstadt Geld in ihre Kassen. Sie verkaufte für rund 60 Millionen Euro Immobilien an die städtische Gewoba. Die wiederum privatisierte rund 1050 Wohnungen, um den Kauf zu finanzieren. Die Wohnungen wurden im Jahr 2000 für insgesamt rund 26,3 Millionen Euro in zwei Paketen an das Unternehmen Semmelhaack verkauft. Wie berichtet, hatte das Rechnungsprüfungsamt bereits damals Vorwürfe gegen Stadt und Gewoba erhoben, kommunales Eigentum unter Wert veräußert zu haben. Die Gewoba missachtete bei der Privatisierung zudem die von der EU aufgestellten Regularien. Stadt und Gewoba wiesen alle Vorwürfe zurück.

Potsdams Stadtparlament, das die Umstände der Gewoba-Privatisierungen im Hauptausschuss Ende Oktober beraten will, beschäftigen jedoch nicht allein die alten Immobiliengeschäfte. Es stimmte in seiner jüngsten Sitzung dem Verkauf von 66 Wohnungen im Ortsteil Golm für 2,9 Millionen Euro zu. Käufer: wieder einmal der Unternehmer Theodor Semmelhaack, seit dem Gewoba-Geschäft von 2000 einer der wichtigsten privaten Immobilienanbieter und -vermieter der Landeshauptstadt. Sein Höchstgebot traf diesmal bei der Stadt allerdings erst ein, als die Ausschreibungsfrist lange abgelaufen war. Sie endete am 22. Oktober 2010, das Nachgebot Semmelhaacks in Höhe von 2,9 Millionen Euro datiert erst vom 22. Juni 2011. In der ursprünglichen Ausschreibung lag Semmelhaack mit einem Gebot von 2,5 Millionen Euro sogar nur an dritter Stelle. Das Rathaus teilte auf Nachfrage mit, das Nachgebot Semmelhaacks sei nicht mehr für die Ausschreibung zugelassen worden. Der Zuschlag sei nur an den Unternehmer gegangen, weil der Höchstbietende, ein norddeutscher Bauträger, vom Kauf zurückgetreten sei. Zuvor hatte der in Kenntnis des Semmelhaack-Nachgebots sein Gebot allerdings noch einmal um 50 000 Euro erhöht. Warum nicht der reguläre Ausschreibungs-Zweite, eine GmbH aus Potsdam, sondern Semmelhaack den Zuschlag bekam, erklärte die Stadt bisher nicht. Auch die Frage nach der Rolle von Oberbürgermeister Jakobs bei der Entscheidung blieb unbeantwortet.

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