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Braunkohle-Tagebau in der Lausitz.

© dpa

Braunkohle in Brandenburg: 800 Menschen müssen ihre Heimat für den Tagebau verlassen

Umstritten war der Plan und doch hat sich die Brandenburgische Landesregierung dafür entschieden, den Vattenfall-Tagebau in Welzow-Süd offen zu halten. Die Bürger reagierten wütend, doch die Polizei konnte größere Zusammenstöße verhindern.

Und wieder droht ein Lausitzer Dorf zu verschwinden: Brandenburgs rot-rote Landesregierung hat am Dienstag in Herzberg (Elbe-Elster), begleitet von Demonstrationen und Protesten, den Braunkohleplan für die umstrittene Weiterführung des Vattenfall-Tagebaus Welzow Süd beschlossen.

Um dort 200 Millionen Tonnen Kohle ausgraben zu können, sollen bis 2020 rund 800 Menschen im Dorf Proschim sowie Teile der Stadt Welzow umgesiedelt werden. Mit der Kohle soll das Kraftwerk Schwarze Pumpe bis 2042 betrieben werden können. Es sei „eine schwere, aber im Interesse des Allgemeinwohls notwendige Entscheidung“, sagte Woidke danach dem Tagesspiegel.

Sie sei „energiepolitisch nötig, weil auf Braunkohlestrom nach dem Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland nicht verzichtet werden könne, es gehe auch um Industriearbeitsplätze in „einer Region, die es nicht leicht hat.“ Mit der Entscheidung gebe es nach achtjährigen Auseinandersetzungen nun Klarheit, habe die Unsicherheit für beide Seiten ein Ende.

Nach Tagesspiegel-Informationen fiel der Regierungsbeschluss einstimmig. Auch die Minister der Linkspartei, die für einen Ausstieg aus der Braunkohle bis 2040 sind, stimmten in der Sitzung geschlossen für den Braunkohleplan. In einer „Protokollnotiz“ legten die Linke-Kabinettsmitglieder aber Wert darauf, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien Priorität für die Energiepolitik der Regierung habe. Ein Veto der Linken hätte zum Bruch der rot-roten Koalition geführt.

In wenigen Monaten wird in Brandenburg am 14.September ein neuer Landtag gewählt. Vom Ausgang der Wahl hängt auch ab, ob das rot-rote Bündnis danach fortgesetzt werden kann. Woidke zeigte sich zufrieden, dass die Linken – trotz des Drucks auch aus der Bundespartei – gestanden haben. „Wir haben einen guten Koalitionspartner. Wir haben nicht erst jetzt Schwierigkeiten gemeistert“, sagte Woidke.  Linke-Finanzminister Christian Görke, der auch Partzeichef ist, sagte: „Es geht um die Weiterführung eines bestehenden Tagebaus.“ Den Aufschluss neuer Tagebaue werde es mit den Linken nicht geben. Der Vattenfall-Konzern begrüßte das grüne Licht. "Dies ist auch ein positives Signal nach  Südbrandenburg, dass Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der Lausitzer Region erhalten bleiben“, sagte am Dienstag der Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Europe Mining AG und Vattenfall Europe Generation AG, Dr. Hartmuth Zeiß.    

Polizei verhinderte größere Ausschreitungen

Es war ein Tag, an dem die Fronten noch einmal aufeinander prallten. Die Sitzung des  rot-roten Kabinetts, das in Herzberg (Kreis Elbe-Elster) im Süden des Landes tagte, wurde von Demonstrationen beider Seiten begleitet. Und zwar von rund einhundert Kohlegegnern, von Einwohnern Proschims und Welzows sowie Greenpeace-Aktivisten vor einem Eingang des Landratsamtes. Vor einem anderen Eingang demonstrierten rund 60 Azubis, Vattenfall-Arbeiter und Gewerkschafter der Industriegewerkschaft Bergebau (IGBCE) für eine Fortführung des Tagebaus.

So befand sich Herzberg quasi im Belagerungszustand. Ein Polizeiaufgebot, wie es die Kleinstadt im Süden nach Schilderungen von Einwohnern noch nie erlebt hat, hielt beide Seiten auf Abstand. Als die Entscheidung kurz nach 13 Uhr gefallen war, stellte sich Regierungschef Woidke zuerst zu den rund 50 Kohlegegnern, den Betroffenen und Greenpeace-Aktivisten, die im Zuge des Protestes gegen die Kohlepolitik der Brandenburger Linken zeitweise die Bundeszentrale der Linkspartei besetzt hatten. Der Auftritt Woidkes, der kaum zu Wort kam, wurde von einem Pfeifkonzert und Rufen wie „Schämt Euch! Schämt Euch“ begleitet.

Schon vor Beginn der Sitzung hatte sich Linke-Wirtschaftsminister Ralf Christoffers einen heftigen Disput mit Betroffenen geliefert. Brandenburg möge statt Kohle auf Pumpspeicherwerke setzen, ein Gefälle von 7 Metern reiche aus, wurde Christoffers entgegengehalten, und „wir brauchen die Braunkohle gar nicht, es wird in Brandenburg genug erneuerbare Energie produziert.  Und etwa Hannelore Wodke aus Welzow, eine Mitfünfzigerin, die künftig an der Kante des Tagebaus leben wird, warf dem Linke-Minister vor: „Sie opfern 800 Menschen.“ Christoffers hatte Mühe, den Emotionen etwas entgegenzusetzen. 

Zum Wohle der Allgemeinheit

Aber da waren auch die anderen Stimmen. Am anderen Eingang des Landratsamtes, wohin Woidke als nächstes geeilt war. Dort stand etwa Stefan Baum, 30 Jahre, der seit zehn Jahren als Techniker im Tagebau arbeitet. „Ich will das auch in zehn Jahren noch“, sagte Baum. „Ich bin in meiner Freizeit hier, ich gehe noch zur Nachtschicht.“ Und die Bezirksleiterin der Bergbaugewerkschaft (IGBCE) Ute Liebsch dankte der Regierung für die „zukunftssichernde Entscheidung.“  Und Wolfgang Rupieper, Chef des Vereins Pro Lausitz, sagte: „Es geht auch darum, ob junge Leute in der Lausitz Leerstellen und Jobs haben oder weggehen.“ Es sei für Betroffene wie in Proschim bitter, aber „zum Wohle der Allgemeinheit müssen Privatinteressen zurückstecken.“

Auch im fernen Potsdam schlugen die Wogen hoch. Umweltverbände reagierten enttäuscht. Die Liberalen im Landtag fordernen einen Volksentscheid zum Umgang mit der Braunkohle in Brandenburg.

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