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Chipfabrik in Frankfurt (Oder): Untreueverdacht gegen Wirtschaftsverwaltung

Der Rechnungshof erhebt schwere Vorwürfe gegen das verantwortliche Ministerium. Die Generalstaatsanwaltschaft prüft ein Ermittlungsverfahren.

Die gescheiterte Chipfabrik in Frankfurt (Oder) wird voraussichtlich ein Fall für die Strafjustiz: Die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte am Freitag gegenüber dem Tagesspiegel, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Haushaltsuntreue geprüft wird. „Wir werden in Kürze entscheiden, ob ein Anfangsverdacht besteht“, sagte Sprecher Rolf Grünebaum. Derzeit werte seine Behörde Akten des Landtags-Untersuchungsausschusses und des Rechnungshofs aus. Dieser erhebt in seinem gestern vorgestellten Jahresbericht schwere Vorwürfe gegen die alte und auch neue Führung des Wirtschaftsministeriums im Zusammenhang mit der Chip-Fabrik.

Das Land hat bei dem gescheiterten Milliarden-Projekt „mindestens 78 Millionen Euro“ vergeudet. Diese Mittel hätten, stellt die Prüfbehörde jetzt erstmals amtlich fest, niemals in das private Projekt gesteckt werden dürfen, weil damit „sämtlich gegen die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie andere haushaltsrechtliche Vorschriften verstoßen“ wurde.

Das vom damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) und dem früheren Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) im Februar 2001 mit viel Erwartung verkündete Projekt war nach Feststellungen des Rechnungshofes wegen der ungeklärten Finanzierung „von Anfang an zum Scheitern“ verurteilt. Spätestens ab Herbst 2001 hätte das federführende Wirtschaftsministerium bei objektiver Betrachtung die Aussichtslosigkeit erkennen müssen. Trotzdem seien mindestens 78 Millionen Euro aus der Landeskasse in die Chipfabrik geflossen, und zwar auch deshalb, weil das Ministerium den bewilligenden Haushaltsausschuss des Landtages „über die Erfolgsaussichten des Projekts getäuscht und diesem Fehlinformationen zugeleitet“ habe. Auch der Chipfabrik-Untersuchungsausschuss des Landtages hat festgestellt, dass Ex-Minister Fürniß Informationen geliefert hat, „die nachweislich nicht den Tatsachen entsprachen“.

Der Rechnungshof kommt jetzt zu dem Schluss, dass „der Vorwurf der Haushaltsuntreue begründet“ sein könnte, weil dem Land durch die unzulässigen Maßnahmen unstreitig erhebliche Vermögensverluste entstanden seien. Es sei notwendig, „die Verantwortlichkeit der maßgeblichen Entscheidungsträger weiter aufzuklären“. Der Rechnungshof fordert das Wirtschaftsministerium deshalb auf, „die haushaltsrechtlichen Verstöße auch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen, um die sich daraus ergebenden Konsequenzen ziehen zu können“.

Zugleich tadelt der Rechnungshof in bisher nicht gekannter Schärfe die Abwehrhaltung des derzeit von Ulrich Junghanns (CDU) geführten Wirtschaftsministeriums, das die Prüfungen offenbar teilweise sabotiere und alle Vorwürfe zurückweise. Das Ministerium habe weder die angeforderten Unterlagen vollständig vorgelegt noch die erbetenen Auskünfte erteilt. Auch habe das Ministerium keinen Gesamtüberblick über alle mit der Chipfabrik geleisteten Zahlungen vorgelegt. Stattdessen habe es das Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs bezweifelt und seinen Bericht als „unzulässige Meinungsäußerung“ zurückgewiesen. Der Rechnungshof wertete das „als unerlaubten Eingriff in seine ihm „verfassungsrechtlich garantierten Rechte“. Das Ministerium versuche, rechts- und prüfungsfreie Räume zu konstruieren. Dies sei „sehr bedenklich“ und nicht geeignet, verlorenes Vertrauen in seine Kompetenz herzustellen.

Michael Mara

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