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© Kai-Uwe Heinrich

Essen in Brandenburg: Restaurant statt Proviant

Brandenburg wird zwar nie eine Gourmet-Region, doch mittlerweile gibt es dort immer mehr empfehlenswerte Restaurants. Auf Ausflüge muss niemand mehr sein Essen mitnehmen: Ein Zwischenstopp gerät an den meisten Routen zum Vergnügen.

Vermutlich hat nichts den Ruf des schönen Landes Brandenburg weltweit so ruiniert wie Rainald Grebes Lied „Brandenburg“, dessen Schlüsselzeile besagt: „Nimm dir Essen mit, wir fahr’n nach Brandenburg“. Dieser Ratschlag hat die märkischen Köche allerdings eher zufällig getroffen, denn die kulinarische Gesamtlage in, sagen wir, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein ist keineswegs besser. Und auch dort gilt wie in Brandenburg: Wer weiß, wo er suchen muss, der wird angenehm verköstigt. Wir versuchen, dabei zu helfen.

Generell gilt in Brandenburg: Wo sich die Speisekarte langweilig liest, da wird auch schlecht gekocht. Das müsste nicht so sein, es wäre durchaus möglich, einfache ländliche Kost ohne Tiefkühlung und Mikrowelle zu servieren. Nur geht das nicht für die 9,50 Euro, die der Zufallsgast für eine Schweinshaxe mit Kraut allenfalls auszugeben bereit wäre. Geld ist der Schlüssel zu allem: Ohne Kapital lässt sich praktisch kein gutes Restaurant mehr gründen, und am besten ist gleich ein nobles Hotel dabei, mit dem sich das Geld für die gute Küche leichter verdienen lässt.

Wenn wir mal die „Bleiche“ in Burg/Spreewald auslassen, über die alle Loblieder schon gesungen sind, dann gelingt dieses Manöver gegenwärtig am besten auf Gut Klostermühle, dem ambitionierten neuen Wellness-Hotel zwischen Fürstenwalde und Frankfurt (Oder). Wenn die DDR etwas Gutes überliefert hat, dann sind es sicherlich diese herrlichen Seegrundstücke in privilegierter Lage, die einst der Nomenklatura vorbehalten waren, heute aber für jeden Gast da sind. Unterhalb des modernen Hotels mit Innen- und Außenpool stehen am See Klosterscheune und Klostermühle, die eine mit solider Ausflugsküche, die andere mehr auf Gourmetkurs. Wer sich in den behutsam restaurierten Stuben nicht wohlfühlt, der sollte seine Reflexe prüfen lassen.

Weiter draußen in Schloss Neuhardenberg tun sie sich viel schwerer, weil dort außer dem höchst anspruchsvollen Konzertprogramm nichts los ist. Und wer abends im Konzert sitzt, der isst kein Menü mehr, und darunter leidet die Gastronomie – die „Kleine Orangerie“ mit einem gemäßigt hohen Anspruch ist nur an vier Abenden der Woche geöffnet. Empfehlenswert ist die rustikale, immer geöffnete „Brennerei“.

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Die besten Restaurants in Brandenburg. -

© Tsp/Klöpfel

Südlich der Autobahn nach Frankfurt ist allerhand los. Das liegt vor allem an der Anziehungskraft Bad Saarows, wo die rosenblümerante „Villa Contessa“ ihr Küchenglück nicht mehr in Experimenten sucht, sondern auf den sehr bürgerlichen Stil des neuen Küchenchefs Rainer Wolter setzt, den man noch vom Berliner „Lindenlife“ kennt. Eine Alternative ist Jean-Pierre Pothiers „Feinkostinsel am Märkischen Meer“, ein nettes kleines Bistro mit Feinkostgeschäft.

Noch mehr Neues gibt es in der komplett umgebauten „Alten Schule“ in Reichenwalde; der Küchenkurs feiner Regionalität blieb erhalten. Auch die brave Für-jeden-etwas-Küche des „Fischhauses“ in Wendisch Rietz verdient einen kleinen Abstecher.

Einst war das „Windspiel“ auf Schloss Hubertushöhe in Storkow das beste Restaurant Brandenburgs. Dieser Rang ging nach ständigen Personalwechseln flöten, und gegenwärtig ist noch nicht erkennbar, welchen Kurs der neue Eigentümer einzuschlagen gedenkt. Doch bitte: Es stehen nach wie vor Preziosen wie „Kaninchen roh mariniert und gebacken, mit Apfel-Sellerie-Creme und Trauben-SenfEis“ auf der Karte. In der Nähe wäre noch die „Residenz“ in Motzen einen Besuch wert, denn die liegt nicht nur hübsch am See, sondern wird nach einer Schwächephase auch von neuem Küchenehrgeiz getrieben.

Der Kochchampion am südlichen Berliner Autobahnring ist zweifellos Guido Kachel, der gleich zwei hübsche Restaurants in unmittelbarer Nachbarschaft betreibt, „Philippsthal“ im gleichnamigen Ort und „Theodore F.“ in Groeben – aufgeklärte, ideenreiche Landküche in angenehmem Rahmen. Die finden wir auch im „Vierseithof“ in Luckenwalde, der sich unter der langjährigen Küchenregie von Dieter Kobusch eine Art Klassiker-Status im Lande erarbeitet hat. Das noble, lichte Restaurant macht einfach Freude, selbst wenn man aus Wettergründen den hübschen Innenhof vorzieht. Ruppiner Weidelamm oder Seezunge mit Papaya und Zitronengras – egal, hier ist der Gast auf der sicheren Seite.

Erst recht ein Klassiker ist der äußerlich bescheidene, innen immer heimeliger werdende „Goldene Hahn“ in Finsterwalde. Frank Schreiber zählt zu den besten drei oder vier Köchen in ganz Brandenburg, er richtet höchst kunstfertig an und würzt perfekt – diesen alteingesessenen und doch immer weiter voranstrebenden Familienbetrieb muss man einfach gern haben.

Ganz anders funktioniert das „Ernest“ in Petzow, ein separater Ableger des großen Resort-Hotels Schwielowsee. Das fischlastige Essen schmeckt gut, und der Wintergarten am kleinen Jachthafen weckt unverzüglich Urlaubsgefühle, erst recht, wenn der Gast einen der Freilufttische ergattert hat und die Füße im warmen Sand badet. Das etwas steife Hotel-Restaurant „Seapoint“ bleibt angesichts dieser Lustbarkeiten zweiter Sieger, unverdient eigentlich.

Die Potsdamer Gastronomie ist ein Thema für sich, das wir hier umgehen und sofort nach Brandenburg/Havel weiterreisen. Hier steht das wunderbar schlichte und heimelige Restaurant „Am Humboldthain“, das Magdalena Cupal-Schmitt mit ihren beiden Azubinen im Geschwindmarsch in die erste Landesliga gekocht hat. Hier gibt es gradlinige, herzerwärmende Gerichte wie die Mairübchencreme mit Mandeln, Kaninchen im Speckmantel mit Mangold und Rhabarber oder Saiblingsfilet mit Vanillelinsen zu mehr als vernünftigen Preisen, noch ein wirklicher Geheimtipp.

Die besten Häuser im Norden Berlins sind nicht so gut, aber länger auf der Szene und deshalb bekannter. In der Neuruppiner Gegend gibt es das Wustrauer „Seeschlösschen“ mit seinem ganz lustigen spanischen Akzent, Tapas eingeschlossen. Und auch auf Schloss Ziethen in der Nähe von Kremmen gibt sich die Küche Mühe, leider wirkt das Resultat aber oft ein wenig lieblos, wie von einer zu kleinen Brigade lange vorbereitet.

Hier fehlt was? Stimmt. Weit drunten in der Lausitz rund um Senftenberg entwickelt sich an den Tagebauseen ein erstaunlich vielfältiges Tourismus-Revier, das offenbar auch kulinarisch einiges zu bieten hat. Wir werden unsere aktuellen Erkenntnisse wohldosiert im Sonntagsteil des Tagesspiegels in der Rubrik „Von Tisch zu Tisch“ ausplaudern. Sicher ist schon jetzt: Niemand muss Essen mitnehmen, wenn er sich dort umschauen will.

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