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Irgendwo im Wald hat der Junge gelebt, sagt er. Seine Identität ist immer noch unklar.

© dpa

Gedächtnisverlust: Der Junge aus dem Wald bleibt ein Rätsel

17-Jähriger will fünf Jahre in der Natur gelebt haben. Von sich selbst wisse er nur Vornamen und Geburtstag. Doch die Polizei hat daran so ihre Zweifel.

Die Geschichte von dem Jungen namens Ray klingt unglaublich. Vor einem Monat tauchte der junge Mann ohne Ausweispapiere im Roten Rathaus auf und behauptete, dass er die vergangenen fünf Jahre mit seinem Vater im Wald gelebt habe. An mehr könne er sich nicht erinnern. Bis heute konnte die Polizei trotz intensiver Ermittlungen die Identität des Jungen nicht klären. Weder Foto noch Fingerabdrücke von ihm tauchen in europäischen Datenbanken auf. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel.

„Bei uns kommen inzwischen Anfragen von Eltern aus aller Welt, die ihren Sohn vermissen“, sagt eine Berliner Polizeisprecherin. Selbst Familien aus den USA und Kanada würden sich melden, weil sie hoffen, dass es sich bei Ray um ihr verschwundenes Kind handelt.

Von sich selbst wisse er nur seinen Vornamen und seinen Geburtstag, sagt der 17-Jährige. Seine Mutter Doreen sei vor fünf Jahren bei einem Autounfall tödlich verletzt worden. Er spricht fließend Englisch und nur gebrochen Deutsch. Er ist etwa 1,80 Meter groß, blond und in guter körperlicher Verfassung. Spuren von Missbrauch oder eines Unfalls, der seinen Gedächtnisverlust erklären könnte, gibt es nicht. Die internationale Polizeibehörde Interpol hat Fingerabdrücke, DNA, Gebissabdrücke und ein Foto von Ray an alle Polizeidienststellen und Vermisstenstellen geschickt. Doch der Junge ist in keiner Vermisstenkartei zu finden. Schließlich wurde er unter die Vormundschaft des Jugendamts Tempelhof-Schöneberg gestellt. Eine Sozialarbeiterin kümmert sich seither um ihn.

Besonders bizarr erscheint seine Aussage, dass er zwei Wochen vor seiner Ankunft in Berlin den Leichnam seines Vaters in einem Erdloch begraben habe. Vermutlich bei einem Sturz sei er zu Tode gekommen. Der letzte Rat seines Vaters sei gewesen, in Richtung Norden zu gehen. Aber Ray wisse nicht mehr, wo sich die angebliche Grabstelle befindet. Die Polizei hat schon im tschechischen Grenzgebiet und in Österreich nach dem Leichnam gesucht – ohne Erfolg.

Merkwürdig ist auch, dass kaum etwas darauf hindeutet, dass Ray tatsächlich jahrelang in der Natur gelebt hat. Rucksack, Zelt und Schlafsack hätten nur wenige Gebrauchsspuren gezeigt, berichteten Mitarbeiter des Jugendnotdienstes. Ursprünglich gingen die Behörden davon aus, dass er aus Großbritannien stammt, doch auch daran gibt es inzwischen Zweifel. Sein Englisch sei zudem so perfekt und akzentfrei, dass er es möglicherweise einfach intensiv gelernt habe und aus einem ganz anderen Land kommt.

Andererseits wirkt er auf die Polizei durchaus glaubwürdig und macht keinen verwirrten Eindruck. Stutzig macht die Ermittler allerdings, dass er der Veröffentlichung eines Fotos von ihm widersprochen hat. Mit 17 Jahren steht es Ray frei, sich in Absprache mit seiner Sozialarbeiterin gegen eine Veröffentlichung eines Fotos für die Presse zu entscheiden. Die für den Jungen zuständige Jugendstadträtin Angelika Schöttler (SPD) war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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