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Brandenburg: Hirnhautentzündung: "Die Bundeswehrärzte haben 16 Stunden falsch behandelt"

Udo Horn verschlägt es beim Lesen der Agenturmeldung aus Regensburg buchstäblich die Sprache. Danach will die dortige Staatsanwaltschaft das Verfahren um den Tod seines Sohnes André voraussichtlich einstellen.

Udo Horn verschlägt es beim Lesen der Agenturmeldung aus Regensburg buchstäblich die Sprache. Danach will die dortige Staatsanwaltschaft das Verfahren um den Tod seines Sohnes André voraussichtlich einstellen. Dieser war vor fast einem Jahr als Bundeswehrsoldat im Kosovo-Einsatz an Hirnhautentzündung gestorben. Seine Eltern werfen den Ärzten im Feldlazarett eine falsche Diagnose und fehlerhafte Behandlung vor.

Auch gegen Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und den Inspekteur für das Sanitätswesen, Generaloberstabsarzt Karl Demmer, haben die Eltern Strafanzeige gestellt. "Beide haben es unterlassen, für ausreichenden Impfschutz der Soldaten zu sorgen", erklärt Anwalt Klaus Lübke. Dabei sei es dem Ministerium spätestens seit Mitte 1999 bekannt gewesen, dass es im Kosovo immer wieder zu Ausbrüchen der ansteckenden Meningokokken-Meningitis komme. Vater Horn holt einen dicken Ordner mit Unterlagen von nebenan. Im Wohnzimmer steht noch der Weihnachtsbaum, auf dem Tisch daneben lacht der verlorene Sohn von mehreren Fotografien. "Er war überall der Beste und hatte sich als Zeitsoldat zweimal freiwillig für den Einsatz auf dem Balkan gemeldet", sagt der Vater des mit 23 Jahren gestorbenen Mannes. Im November 1999 war der gelernte KFZ-Schlosser mit seiner Einheit des im sächsischen Marienberg stationierten Jägerbataillons den KFOR-Friedenstruppen unterstellt worden.

"Die schwindeln, lügen und vertuschen", empört sich Udo Horn. Bundesverteidigungsministerium und Bundeswehr wollten ihre Fehler vertuschen. "Wieso kann denn die Staatsanwaltschaft Regensburg plötzlich keine ärztlichen Fehler feststellen? Ich habe die Beweise doch schwarz auf weiß", sagt er und zieht ein Schriftstück nach dem anderen aus dem Ordner. Danach klagte André am Morgen seines Todestages über Husten, Fieber und Übelkeit. Der Mediziner im Lazarett diagnostizierte einen Magen-Darm-Infekt, wie er in jener Zeit auch bei anderen Kameraden auftrat. Selbst als der Soldat am Mittag und am frühen Nachmittag zweimal kollabierte, sich die Rachenhinterwand rötete und sich in den Ellenbogen und am Brustkorb Einblutungen zeigten, blieben die Ärzte bei einer Magen-Darm-Entzündung. Der Patient bekam laut Protokoll Infusionen, aber keine Antibiotika. Um 23.30 Uhr erhielt die Familie einen Anruf, wonach ihr Sohn wegen einer "Infektion" nach Hause geflogen werde. Als Udo Horn den Hörer auflegte, war sein Sohn schon gestorben. Die traurige Nachricht überbrachte ein Bundeswehroffizier vier Stunden später. Als Todesursache galt plötzlich eine "Lungenentzündung mit anschließender Blutgerinnung". Erst bei der Obduktion stießen Experten auf die letztlich tödliche Hirnhautentzündung. "16 Stunden haben sie meinen Sohn falsch behandelt", sagt Udo Horn.

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