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Brandenburg: Rechtsextremismus: Deutschland braucht einen neuen Patriotismus

Erardo Christoforo Rautenberg, Generalstaatsanwalt der Landes Brandenburg, hat frühzeitig auf die Gefahren des Rechtsradikalismus und die wachsende Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg hingewiesen. Mit diesem Beitrag reagiert Rautenberg auf die Veröffentlichung des letzten Manuskriptes des PDS-Vordenkers Michael Schumann "Die Linke und die Nation" im Tagesspiegel vom 4.

Erardo Christoforo Rautenberg, Generalstaatsanwalt der Landes Brandenburg, hat frühzeitig auf die Gefahren des Rechtsradikalismus und die wachsende Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg hingewiesen. Mit diesem Beitrag reagiert Rautenberg auf die Veröffentlichung des letzten Manuskriptes des PDS-Vordenkers Michael Schumann "Die Linke und die Nation" im Tagesspiegel vom 4. Dezember.

Meinen wenigen, aber stets sehr tiefgründigen (Streit-)Gesprächen mit Michael Schumann, dessen integre Persönlichkeit ich in der politischen Landschaft vermissen werde, meine ich entnehmen zu dürfen, dass sein Vermächtnis an "die Linke", die Nation nicht zu verachten, auch in seiner lang gehegten Sorge begründet lag, dieser Begriff könne von Rechtsextremisten okkupiert werden. Unbestritten dürfte jedenfalls sein, dass dem in Teilen der Jugend verbreiteten rechtsextremistischen Gedankengut eine Vorstellung von der eigenen Nation zugrunde liegt, die sich aus der Geringschätzung anderer Nationen nährt und in dem Satz entäußert: "Ich bin stolz, Deutscher zu sein." Dieser angesichts des fortschreitenden europäischen Einigungsprozesses anachronistische Nationalismus wurzelt nun nicht etwa in verstaubten Leitbildern des 19. Jahrhunderts, sondern in einem undifferenzierten braunen Sumpf. Anknüpfend an völkisch rassistischen Ideen fühlen sich diese jungen Leute berufen, auch gewaltsam gegen Alles vorzugehen, was sie als "undeutsch" empfinden.

Ein wesentlicher Ansatz bei der Bekämpfung des gewalttätigen Rechtsextremismus besteht daher darin, dass die demokratische Gesellschaft diesem Nationalismus entgegenwirkt. Es wäre jedoch ein verhängnisvoller Fehler - und damit treffe ich wieder auf die Gedanken Schumanns - , wenn diese Reaktion in einer Tabuisierung oder gar Ächtung jeder Erscheinungsform eines nationalen Bewusstseins gesehen würde. Denn eine derartige Verhaltensweise ist meines Erachtens gerade ursächlich für den neuen Nationalismus: Nach dem nationalistischen Exzess des 3. Reiches ist - durchaus verständlich - der Begriff der deutschen Nation in beiden deutschen Staaten vielfach verdrängt worden. In der DDR gipfelte dies darin, dass die Worte "deutsche Nation" 1974 aus der Präambel der Verfassung getilgt und die DDR-Hymne nicht mehr gesungen ("Deutschland einig Vaterland"), sondern nur noch gespielt wurde. In der Bundesrepublik entwickelte sich als Reaktion auf die mangelnde gesellschaftliche Aufarbeitung der Jahrhundertbarbarei der Vernichtungslager bei vielen Angehörigen der sogenannten 68er-Generation ein "negativer Nationalismus", wonach alle anderen Nationen besser als die eigene bewertet wurden. Diese bis zur Selbstverleugnung reichende Kritik an der eigenen Nation, die bei den sogenannten Autonomen noch in Reinkultur vorzufinden ist ("Deutschland verrecke!"), hat im Ausland die Befürchtung geweckt, die Deutschen seien zu einem unverkrampften Verhältnis zu ihrer eigenen Identität überhaupt nicht in der Lage, sondern könnten lediglich von einem Extrem in das andere pendeln. Ein derartiges Klischee scheint bedient zu werden, wenn nun Teile einer nachgewachsenen Generation gleichsam als Reaktion auf einen "negativen Nationalismus" wieder in das andere Extrem eines "positiven Nationalismus" verfallen, durch den das Ansehen des mit viel Glück gerade wiedervereinigten Deutschland in der Welt schwer geschädigt wird.

Diesem neuen deutschen Nationalismus muss folglich ein zu entwickelnder deutscher Patriotismus entgegengehalten werden, dem - vom Gedanken der europäischen Einigung beseelt - eine Geringschätzung anderer Nationen wesensfremd ist und der auch das Bekenntnis zur eigenen verfassungsmäßigen Ordnung beinhaltet. Der Begriff "deutsche Leitkultur" fügt sich in dieses Verständnis einer deutschen Identität nicht ein, weil er nationalistische Assoziationen hervorruft, wenngleich dies - wie wir inzwischen vernommen haben - damit nicht beabsichtigt war. Die dadurch mit angestoßene Diskussion, zu der Michael Schumann mit seinem letzten Manuskript einen gewichtigen Beitrag geleistet hat, scheint mir indes dringend geboten zu sein.

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