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Die Gedanken sind frei. Und der Glaube auch, sagt Rüdiger Weida alias Bruder Spaghettus. Seine Gaga-Religion kämpft gegen Fundamentalismus.

© www.pastafari.eu

Update

Spaghettimonster-Messen in Templin: Schild dran, Schild ab, Schild dran

Selbst die BBC und Medien aus China verfolgen den Streit in Templin zwischen Kirchen und der Satire-Religion des fliegenden Spaghettimonsters. Erst hat die Behörde die Nudelmessen-Schilder abgehängt, dann schraubte sie Initiator Rüdiger Weida wieder an. Nun will man ein gemeinsames Nudelsüppchen kochen.

Den Schilderstreit in Templin zwischen Kirchenvertretern und Kirchenkritikern verfolgen viele Menschen – ob mit Humor oder mit Verärgerung. Am Montag hat die Straßenbehörde die Hinweisschilder auf die „Nudelmesse“ der „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters e.V.“ am Mast unter den Hinweisen auf die kirchlichen Gottesdienste wieder abmontiert. Daraufhin erstattete der Gründer der Satirereligion, Rüdiger Weida, Anzeige bei der Polizei wegen Diebstahls. Dann musste der Landesbetrieb für Straßenwesen die Schilder an den Besitzer, der sich „Bruder Spaghettus“ nennt, herausgeben. Der schraubte sie gleich wieder an, zum Missfallen der Kirchen, doch er habe eine generelle Genehmigung der Straßenmeisterei. Nun sagte der Templiner Bürgermeister Detlef Tabbert dem Tagesspiegel, er nehme die Sache mit Humor. Nächste Woche solle es ein Treffen der Beteiligten geben – und Weida solle einen Mast „100 Meter vor oder nach dem Kirchenschild bekommen“.

Anfragen aus China und von der BBC

Bürgermeister Tabbert sagt, Templin habe jetzt Anfragen von Journalisten auch der BBC und selbst aus China. Der 16200 Einwohner starke Ort wolle aber nun nicht so gern als Location eines Nudelessen-Schilderstreits in die Geschichte eingehen. "Erstens: Wir sind eine tolerante Stadt. Zweitens: Wir möchten nicht, dass religiöse Gefühle verletzt werden", sagt Tabbert. Er fand das Anbringen der Nudelmessen-Schilder nicht besonders taktvoll, es solle nun aber eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Ein bisschen täte ihm auch der Straßenmeister leid, der alle genehmigt habe und auf dem sich nun einiger Groll entladen habe.

Nudelmesse am Freitag

Da gehören also auf dem platten Brandenburger Land so wenige Menschen wie sonst selten einer Religionsgemeinschaft an, und dann das: In der Uckermark hat sich jetzt ein Streit zwischen den christlichen Kirchen und den Glaubensbrüdern der parodistischen „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters e. V.“ entzündet. Anlass sind die Hinweisschilder auf die „Nudelmesse“ – immer freitags um 10 Uhr –, die Aktivist Rüdiger Weida unter das Hinweisschild auf die katholische Messe, den freikirchlichen und den evangelischen Gottesdienst an den Ortseingängen anbrachte.

Da versteht die evangelische Kirche aber keinen Spaß mehr: Pfarrer Ralf-Günther Schein kündigte am Sonntag an, das Nudelmessenschild vom Mast, den die Kirche für sich beanspruche, wieder abzuschrauben. Damit wäre es aber im Gegenzug für die Anhänger der kirchenfundamentalismuskritischen Satire-Religion mit der Nächstenliebe vorbei: „Dann gibt es eine Anzeige“, sagt der 63-jährige pensionierte Mitarbeiter in der freien Jugendarbeit, Rüdiger Weida, alias Bruder Spaghettus.

Das Fliegende Spaghettimonster (englisch Flying Spaghetti Monster, kurz: FSM) wurde im Juni 2005 vom amerikanischen Physiker Bobby Henderson als Gottheit erdacht. Die laut dem Brandenburger Rüdiger Weida weltweit rund 30 Millionen Anhänger der Pastafari-Religion (nach dem jamaikanischen „Rastafari“) wollen mit ihrer Glaubenslehre den sogenannten Kreationismus karikieren: In den USA behaupten Kirchenfundamentalisten, die Schöpfungsgeschichte sei in Form des Kreationismus eine wissenschaftlich fundierte Theorie und müsse daher im Biologieunterricht gelehrt werden. Aus Protest dagegen entstand die Pastafari-Religion mit ihrer Behauptung, ein Fliegendes Spaghettimonster habe die Welt erschaffen. Sie hat in Deutschland rund 3500 Fans auf Facebook und rund 130 aktive Anhänger.

Verpflichtung zum ständigen Zweifel

In Templin wird das Fliegende Spaghettimonster, das auf dem Schild die weit verbreitete Darstellungsweise des eucharistischen Fischs mit Nudeln und Fleischklöpsen nachahmt, jeweils am Freitag um 10 Uhr mit dem Gottesdienst in einem umgebauten Haus auf Rüdiger Weidas Grundstück angebetet. Unter dem Altar steht ein Kasten Bier, „denn im Himmel warten ein Biervulkan und eine Manufaktur von Strippern oder Stripperinnen auf die Glaubensbrüder, je nach Gusto“, sagt Bruder Spaghettus.

Er selbst hatte sich noch zu DDR-Zeiten öfter in Kirchen begeben, aber nur, um sich dort bei engagierten Pfarrern für mehr Demokratie und Gedankenfreiheit im Widerstand einzusetzen. Dann war die Stasi hinter ihm her, und Weida fiel der DDR gegenüber vom Glauben ab.

Dann im neuen Deutschland, schon 2006, fand er Gefallen an der satirischen Bewegung für Glaubensfreiheit. Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters gründete er erst als Verein, dann als gemeinnützige Körperschaft, und alle kleiden sich gern wie Piraten. Das „Monsterunser“ und die acht „Am Liebsten Wäre Mirs“ seiner Weltanschauungsgemeinschaft seien den zehn Geboten „deutlich überlegen“, sagt Weida. „Wir haben die Verpflichtung zum ständigen Zweifel.“

„Kampf gegen Windmühlenflügel“

Ohne Zweifel, so sieht es Weida, ist er aber im Recht mit der Anbringung der Schilder. Da habe er die Genehmigung. Die habe ihm das für Straßenschilder zuständige Amt, die Straßenmeisterei, erteilt. Er habe auch die Durchführungsbestimmung berücksichtigt. Diese besage auch, dass die Schilder möglichst nicht zu einem Schilderwald führen und daher zusammenhängen sollen.

Pressesprecher Stefan Förner vom Erzbistum Berlin weiß, dass sich Katholiken in Templin nun verletzt fühlten und das Auftreten der Pastafaris als zu offensiv empfunden werde. Der aus Berlin stammende Templiner Kantor Helge Pfläging sagt aber lächelnd, „so schnell schockt uns hier nichts“ und man solle mehr miteinander reden. Auch Pfarrer Ralf-Günther Schein zeigt sich zuerst als Spaßversteher. „Wir wollen den Spaghettimonster-Anhängern für das Geläut Dreiglockennudeln schenken und Bio-Spaghetti, das macht sich gekocht gut als Lametta.“ Das mit dem Mast sieht Schein aber anders, der gehöre seit zehn Jahren zu den Kirchen, man habe alles bezahlt. Rüdiger Weidas Angebot der Mitfinanzierung wurde dem Pastafari zufolge ausgeschlagen.

Da sich Weidas Nudelmessenschild „vor einem Italiener“ besser mache, so Schein, werde man es, wenn es nicht entfernt werde, eigenhändig abschrauben. „Und damit Pasta.“ Da es in Brandenburg keine Fundamentalisten wie in den USA gebe, sei Weidas Einsatz doch „ein Kampf gegen Windmühlenflügel“.

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