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Brandenburger Stiftungen und Spender: Die Freunde der Glocke

In Luckau läutet ein mit privaten Spenden restauriertes Gusswerk eine neue Ära bürgerschaftlichen Engagements ein. Eine Musikstiftung will Chöre fördern – und zum Vorbild für die Gründung weiterer Initiativen werden.

Luckau beginnt die Feierlichkeiten zu Ehren der neuen Glocke von St. Nikolai am letzten Julisonntag am helllichten Nachmittag mit einem Festgottesdienst. Die große Kirche ist bis auf den letzten Platz besetzt und keineswegs nur mit Gemeindeangehörigen, wie sich Pfarrerin Kerstin Strauch freut. Jeder hat ein Programmheft bekommen, aber plötzlich läuft etwas schief. Alle singen „Lobe den Herren“, obwohl an dieser Stelle ein ganz anderes Lied steht. In der ersten Strophe versucht die Pfarrerin noch dagegen anzusingen, dann stimmt sie einfach mit ein.

In den Reden, die im Laufe des Tages folgen, wird immer wieder hervorgehoben, dass die 300 Jahre alte Glocke, eine der größten in Brandenburg, ohne privates Engagement nicht wieder hätte erklingen können. An Zitaten aus Schillers Glocke wird nicht gespart und immer wieder gibt es Dankesworte für einen Mann, der den Gottesdienst im Altarraum miterlebt und am nächsten Tag das biblische Alter von 70 Jahren erreichen wird. Werner Martin, Gründer der Brandenburgischen Sommerkonzerte, ist Luckau seit mehr als 20 Jahren verbunden. „Ohne seinen Optimismus und seine Zuversicht hätten sich die Luckauer nie getraut, das 80 000 Euro teure Glockenprojekt in Angriff zu nehmen“, sagt Pfarrerin Kerstin Strauch. Auch Bürgermeister Gerald Lehmann spricht von einem „sportlichen Ziel“.

Der gut vernetzte Berliner Rechtsanwalt, Spross eines brandenburgischen Pfarrhauses, hat seinen Geburtstag in den Dienst der guten Sache gestellt und um Spenden für die Glocke gebeten. Mit der Zeit wurde dies zu einem Projekt für die ganze Stadt, auch Schüler haben sich beteiligt mit Minispenden von 50 Cent. Bevor die Glocke zum ersten Mal läuten darf, gibt es abends noch einen Festakt mit Andacht und geistlichem Konzert des Windsbacher Knabenchors. In der wieder voll besetzten Kirche singen alle noch einmal „Lobe den Herren“.

Außerdem wird im Rathaus die „Musikstiftung Brandenburg der Stadt Luckau“ gegründet, Werner Martin tritt erneut als Anstifter in Erscheinung und erläutert die Ziele. Man will Aktivitäten fördern, bei denen „Luckau singt und musiziert“. Er könne sich gut vorstellen, dass 800 Luckauer gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Orchester „Grenzenlos“ eine Schubert-Messe aufführen. Außerdem solle eine Knabenkantorei aufgebaut werden, später vielleicht mit Internat. „Vielleicht können die schon in der Christmette erstmals auftreten.“ Man habe bewusst das Glockenfest als Anstoß für die Stiftung gewählt. Er hoffe, dass diese ein Beispiel werde für weitere Gründungen in anderen brandenburgischen Städten.

Luckauer Prachtstück. 80 000 Euro kostete die Reparatur der großen Bronzeglocke (Durchmesser: 1,68 Meter).
Luckauer Prachtstück. 80 000 Euro kostete die Reparatur der großen Bronzeglocke (Durchmesser: 1,68 Meter).

© dapd/Michael Krueger

Werner Martin betont, wie wichtig „zivilgesellschaftliches Engagement“ für die Kulturförderung im Lande sei. Rüdiger Lorenz, einer von zwei Vorsitzenden des örtlichen Freundeskreises der Brandenburgischen Sommerkonzerte, hat den Ausdruck vor etwa einem Jahr zum ersten Mal gehört, als die Vorgespräche für die Stiftung begannen. Die Sache selbst kennt er seit mehr als 20 Jahren. Denn die Brandenburgischen Sommerkonzerte hätten nie so viel Erfolg gehabt, hätte es nicht ehrenamtlich tätige Freundeskreise gegeben, die ländliche Kaffeetafeln und andere Beiprogramme organisierten und in den Jahren nach der Wende die Begegnung zwischen Menschen aus Ost und West möglich machten. Diese Freundeskreise waren in der ehemaligen DDR, wo bürgerschaftliches Engagement nicht auf dem Plan stand, Pioniere einer sozialen Idee, die erst später auch im Westen immer mehr an Fahrt aufnahm. Der ehemalige stellvertretende Schulleiter des Gymnasiums setzt ebenfalls seine Unterschrift unter das Gründungsdokument.

Wie die Pfarrerin ist auch er überzeugt, dass die Stiftung ein Erfolg wird: „Bei uns gibt es für 6000 Einwohner vier Musikschulen“, erzählt er stolz. Viele der Gründungsstifter, die als Geburtstagsgeschenk mindestens 1000 Euro einbringen mussten, gehören zum persönlichen Freundeskreis von Werner Martin. Dessen Frau Karin erinnert sich, wie schwer es anfangs war, mit den Sommerkonzerten nach Luckau zu gehen, weil der Kantor der Nikolaikirche partout nicht mitmachen wollte. Erst die Unterstützung des langjährigen Bürgermeisters Harry Müller ermöglichte die Kooperation, von der auch die Orgel der Kirche profitierte.

Abends beim Festakt hält Müller eine Laudatio auf Martin: „Unzählige Menschen profitieren von deiner Lebensleistung.“ Als das Geläut verklungen ist, mischen sich Luckauer mit Gästen von außerhalb und feiern in den Geburtstag hinein. Der Jubilar, der sich mit Stiftung und Glocke ein doppeltes Denkmal gesetzt hat, erzählt von einem musikalischen Moment in Luckau, der ihn besonders berührt hat: Als die Glocke auf dem Marktplatz ausgestellt wurde, hatte er vorgeschlagen, Zettel zu verteilen mit dem Liedtext von „Lobe den Herren“; aber niemand dachte, dass „nach 50 Jahren Sozialismus“ davon viel Gebrauch gemacht werden würde. „Und dann haben doch alle mitgesungen.“

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