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Brandenburg: Beamte, Bunker und jetzt Bücher

30 Antiquariate sollen früheres Oberkommando Wünsdorf zur Bücherstadt machenVON THORSTEN METZNER, WALDSTADT WÜNSDORFIm märkischen "Klein Moskau" scheint nichts unmöglich: Das einstige Hauptquartier der russischen Streitkräfte in Waldstadt-Wünsdorf soll in den nächsten Jahren zur ersten internationalen "Bücherstadt" in Deutschland werden."Wir wollen rund 30 Antiquariate ansiedeln", sagte Wolfgang Metz, Landesbeauftragtes für die Entwicklung der früheren Militärstadt südlich von Berlin.

30 Antiquariate sollen früheres Oberkommando Wünsdorf zur Bücherstadt machenVON THORSTEN METZNER, WALDSTADT WÜNSDORFIm märkischen "Klein Moskau" scheint nichts unmöglich: Das einstige Hauptquartier der russischen Streitkräfte in Waldstadt-Wünsdorf soll in den nächsten Jahren zur ersten internationalen "Bücherstadt" in Deutschland werden."Wir wollen rund 30 Antiquariate ansiedeln", sagte Wolfgang Metz, Landesbeauftragtes für die Entwicklung der früheren Militärstadt südlich von Berlin.Die Eröffnung sei für den Frühsommer 1998 geplant. Weltweit gibt es bereits 13 Booktowns, die auf eine Idee des englischen Antiquars Richard Both zurückgehen.Nach Auskunft von Metz haben von rund 4500 angeschriebenen Antiquariaten in der ganzen Bundesrepublik etwa 104 ihr Interesse bekundet.Die Aquisitition solle nun forciert werden.Brandenburgs Baustaatssekretär Horst Gräf sprach bei der ersten Vorstellung des Konzeptes am Mittwoch von einer "einmaligen Chance" für das größte Konversionsprojekt im Land Brandenburg."Jede Stadt braucht eigenes Esprit, ein besonderes Gesicht", sagte er.Für die Waldstadt Wünsdorf sei dies die Booktown. Weltweit gibt es 13 Vorbild-Städte, darunter in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, aber auch in den USA und in Japan.Die erste Bücherstadt hatte der Antiquar Richard Booth vor 36 Jahren in Hay-on-Wye, einem kleinen Städtchen an der Grenze zwischen England und Wales umgesetzt, wo sich in den Folgejahren einige dutzend Fachantiquariate ansiedelten: Der Ort wie dann auch seine Nachahmer wurden zu Geheimtips für Bücherwürmer aus der ganzen Welt.Daß bei professioneller Vorbreitung schnelle Erfolge möglich sind, erzählte Metz, habe die holländische Bücherstadt Bredevoort bewiesen.Anfang 1993 gegründet, pilgern dorthin nach seinen Worte heute jährlich 60.000 Buchtouristen. Damit deutschen Antiquariaten das geschäftliche Wagnis erleichtert wird, ausgerechnet in Wünsdorf, also in der tiefen märkischen Provinz, die erste Bücherstadt der Bundesrepublik zu eröffnen, sollen die "Pioniere" (Metz) mit Sonderkonditionen bei Miete und Pacht in die Waldstadt gelockt werden."In Berlin gibt es außerdem viele Antiquariate, die im Zuge des Regierungsumzuges ihre Standorte aufgeben müssen", sagte Jürgen Baumann, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Wünsdorf (EWZ).Die Idee der Bücherstadt sei auch deshalb so faszinierend, weil die gewerbliche Verwertung des früheren Militärareals Schwierigkeiten bereite.Damit das Projekt nicht kopiert werde, haben die Wünsdorf-Entwickler die Namen "Bücherstadt", "Buchstadt" und "Booktown" sicherheitshalber schützen lassen.Als Standort für die Antiquariaten-Meile ist die sogenannte Fliegerstadt mit Villen und Gebäuden aus der Kaiserzeit ausgewählt worden.Im Umfeld werden derzeit rund 750 Wohnungen saniert, die laut Metz 1998 fertig werden. Die Ansiedlung von Gaststätten, Sport-, Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten sei geplant.Denn das Tourismuskonzept setzt nicht nur auf Leseratten: So sollen zwölf Spitz-Bunker - einst gegen Fliegerangriffe errichtet - für militärhistorisch Interssierte erschlossen und geöffnet werden. Entgegen früherer Skepsis ist die Wiederbelebung der verlassenen Geisterstadt - ein 1,7-Millarden-Projekt - auch insgesamt deutlich vorangekommen.In den ersten sanierten Wohnblöcken leben heute 300 Einwohner.Im nächsten Jahr sollen 750 sanierte Wohnungen dazukommen, sagte Metz.Auch der vom Kabinett beschlossene Umzug von rund zwanzig Landesbehörden mit 1000 Mitarbeitern nach Wünsdorf kommt, wenn auch langsamer, in Schwung.Die ersten 500 Verwaltungsbediensteten arbeiten bereits in Wünsdorf, darunter die Brandenburgische Boden Gesellschaft."Es gibt noch Gemurre, aber das ist normal", sagte Metz.Widerstand gebe es lediglich noch vom Landesgesundheitsamt und dem Landesamt für Denkmalpflege."Doch wenn die Landesregierung nicht Vorbild ist", kommentierte Baustaatsekretär Gräf."wer soll dann nach Wünsdorf kommen." Der letzte russische Soldat hatte das riesige Militärgelände am 31.August 1994 verlassen.

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