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Brandenburg: "Darf es für Sie ein neuer Bürgermeister sein?"

Der Tag nach der Platzeck-Kandidatur in Potsdam/ Der Andrang an den Abwahl-Ständen läßt nicht nachVON THORSTEN METZNER POTSDAM.In der Potsdamer Fußgängerzone geht es an diesem Mittwoch vormittag zu wie auf einem Stimmen-Basar, auf dem die Markt-Anteile preußisch exakt aufgeteilt sind.

Der Tag nach der Platzeck-Kandidatur in Potsdam/ Der Andrang an den Abwahl-Ständen läßt nicht nachVON THORSTEN METZNER POTSDAM.In der Potsdamer Fußgängerzone geht es an diesem Mittwoch vormittag zu wie auf einem Stimmen-Basar, auf dem die Markt-Anteile preußisch exakt aufgeteilt sind.Vor dem stillgelegten Karstadt-Kaufhaus versucht eine Obdachloseninitiative mühsam, ihre Zeitungen an Mann und Frau zu bringen.An der Ecke zur Dortustraße, wo sich sonst ADAC und Abo-Jäger abwechseln, soll gegen alle Kinderschänder Deutschlands unterschrieben werden.Aber das läuft, wie man an den Mienen der offenbar aus Hamburg angereisten Kinderschützer ablesen kann, nicht besonders gut. Der Stand mit den rot-gelben Schildern in den Farben Potsdams, der sich an der nächsten Straßenecke gegenüber der "Grünen Familie" des Bildhauers Jochen Buhlmann aufgebaut ist, hat es mit seinem Sonder-Angebot da viel leichter."Darf es bei Ihnen auch ein neuer Oberbürgermeister sein?" - "Na klar, und nun hoffentlich fix!" Lutz Boede von der Kampagne gegen Wehrpflicht, der zum Mittag Abwahldienst hat, ehe militärisch straff organisiert die bündnisgrüne Ablösung anrückt, hat an diesem Tag weniger Mühe denn je.Eigentlich hat er überhaupt gar keine Mühe, Unterschriften zur Abwahl des unpopulären SPD-Oberbürgermeisters zu sammeln.Die meisten, die sich in die Zehner-Listen eintragen, kommen nämlich von ganz allein.Mehr als sonst? Potsdam, am Tag danach: Erst vierundzwanzig Stunden zuvor hat Umweltminister Matthias Platzeck seiner Heimatstadt lächelnd das Ja-Wort gegeben.Nein, es ist nicht so, daß die Potsdamer nun gleich in Scharen strömen und Pro-Platzeck-Schlangen bilden."Aber es kommen ein bißchen mehr als sonst", beobachtet Boede.Doch schon das ist genug.Allein in den zwei Stunden bis Mittag sind an Boedes Stand - einer von rund zehn Sammelplätzen in der Stadt - wieder 160 Unterschriften beisammen.Mehr als eine Unterschrift gegen Gramlich pro Minute."Ich hätte auch sonst unterschrieben", sagt Helga Kleinert."Daß Platzeck antritt, hat mich noch bestärkt".Potsdam brauche frischen Wind."Da Kutzmutz jetzt nicht Oberbürgermeister wird", sagt ein anderer, "fällt mir die Unterschrift leichter." So ähnlich denken viele.Irgendwann kommt auch Holger Appel, der Regionalchef der Deutschen Bank, und unterschreibt - beim Bürgerschreck Boede von der Anti-Wehrpflicht-Kampagne.Aber die Aussicht, daß der Hochwasserheld Platzeck die Sorgenfalten der Sanssouci-Stadt glättet, kann offensichtlich selbst große Gräben schließen.Etwa 8500 der 10 500 Unterschriften, die für die Einberufung des Bürgerentscheids nötig sind, liegen vor, obwohl noch nicht einmal die Hälfte der vierwöchigen Frist vergangen ist. Im früheren Stasiknast in der Lindenstraße hat sich Bundesprominenz angesagt.Die grünen Bundestagsabgeordneten Antje Vollmer, Christa Nickels und Gila Altmann haben Potsdam besucht, um sich über die Gefährdung der Potsdamer Kulturlandschaft durch den Havelsausbau, vor allem aber durch die städtische Baupolitik zu informieren.Stolpe-Termin inklusive.Daß der Ex-Grüne und ihnen bis heute seelenverwandte Matthias Platzeck womöglich schon bald die Regierungsgeschäfte im Rathaus übernimmt, da ist sich das Trio einig, kann nur gut für Potsdam sein."Es ist hoffentlich auch eine Richtungsentscheidung für die Stadtentwicklung", sagt Vollmer, die nächste Woche mit Platzeck zusammentreffen wird.Unmißverständlich fordert Vollmers einen Baustopp am umstrittenen Mammutprojekt "Potsdam-Center", wo dieser Tage der Beton in Überstunden-Schichten gegossen wird.Es könne auch nicht sein, daß gerade der Schlüsselposten des Baustadtrates von jener Gramlich-Stadtregierung neu besetzt wird, die den noch nicht ausgestandenen Streit mit der Unesco zu verantworten habe."Sie hat dafür keine Legitimation mehr". Wäre ein rot-grünes Bündnis am 27.September auch ein Modell für Potsdam, um die rosa-roten Machtverhältnisse von SPD und PDS ablösen? "Es wäre eine Traum-Konstellation", sagt Vollmer - mit einem wehmütigen Unterton.Wie soll ausgerechnet in Potsdam gelingen, was schon in Bonn so schwierig ist?

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