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Brandenburg: Den Hitler-Gruß verweigert

Gedenkfeier für die Nazi-Opfer unter den Zeugen JehovasVON CLAUS-DIETER STEYER SACHSENHAUSEN.Der 86jährige Josef Rehwald braucht für seine Ansprache in der Gedenkstunde für die Nazi-Opfer in Sachsenhausen keine Aufzeichnungen.

Gedenkfeier für die Nazi-Opfer unter den Zeugen JehovasVON CLAUS-DIETER STEYER SACHSENHAUSEN.Der 86jährige Josef Rehwald braucht für seine Ansprache in der Gedenkstunde für die Nazi-Opfer in Sachsenhausen keine Aufzeichnungen.Er erzählt einfach aus seinem Leben, nennt Jahreszahlen und Orte, berichtet vom Schicksal seiner Familie und einer starken Glaubensgemeinschaft.Einige hundert Menschen schweigen, hören ergriffen jedes Wort des rüstigen Mannes.Er ist Angehöriger der Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas.Deshalb kam er ins Gefängnis und ins Konzentrationslager. Erstmalig war gestern eine Veranstaltung des Holocaust-Gedenktages den Zeugen Jehovas gewidmet.Deren Schicksal während der NS-Zeit ist bisher kaum bekannt.Das staatlich verordnete Gedenken der DDR habe diese Verfolgtengruppe bewußt übersehen, sagte gestern Kulturminister Reiche.Dabei sei die Unbeugsamkeit der Zeugen Jehovas unter den Nationalsozialistenbeispiellos gewesen.Dieser Mut dürfte nicht vergessen werden.Er sei heute genauso wichtig wie damals. Josef Rehwald gehörte zu den rund 10 000 Zeugen Jehovas, die zwischen 1936 und 1945 verhaftet wurden.2000 verloren in Gefängnissen und Lagern ihr Leben, davon über 250 durch Hinrichtungen. "Ich wurde wegen Verweigerung des Wehrdienstes 1938 verhaftet", erzählte Josef Rehwald.Insgesamt sechs seiner acht engsten Familienangehörigen erging es ähnlich.Zusammengerechnet sei seine Familie zu 56 Jahren Haft verurteilt worden.Sein jüngster Bruder wurde 1941 wegen Wehrdienstverweigerung im Zuchthaus Brandenburg enthauptet, sein zweitältester Bruder wurde aus diesem Grund erschossen.Die Mutter starb wenige Tage nach ihrer Befreiung aus dem KZ Ravensbrück. Die Zeugen Jehovas zogen sich den Haß der NSDAP zu, weil sie den Hitlergruß und den Wehrdienst verweigerten."Heil Hitler kam bei uns nicht über die Lippen", sagte Rehwald.Die Zeugen hätten einem Menschen nicht das zubilligen können, was einem Gott zustehe.Die Nazis erklärten die Glaubensgemeinschaft deshalb zu Staatsfeinden.Hunderte verloren ihre Arbeit.Alleiniger Kündigungsgrund war die Verweigerung des Hitlergrußes.800 Kinder wurden ihren Eltern entrissen und als Nachkommen von sogenannten Staatsfeinden in Heime gesteckt.In den neuen KZ gehörten die Zeugen Jehovas ab Mitte der dreißiger Jahre zu den ersten Häftlingen.Wenig später kennzeichnete sie ein großes violettes Dreieck auf der Jacke als besondere Häftlingsgruppe. "Der starke Glaube an Gott ließ uns auch dem Angebot der Nazis widerstehen, uns durch eine schriftliche Erklärung von unserem Glauben loszusagen.Nur wenige wurden schwach.Dabei war uns bei einer Unterschrift unter das Papier die Freiheit versprochen worden", erklärte Josef Rehwald.Beim Gang über das KZ-Gelände kommen die Erinnerungen wieder: Folter, Schläge, Mord, Hunger, Qualen, Erniedrigung. Dennoch empfindet der Mann, der seine Mutter in einem Lager nur ein einziges Mal in aller Heimlichkeit gesehen hatte, keine Bitternis über die späte Aufmerksamkeit für die Glaubensgemeinschaft."Lieber spät, als überhaupt nicht.Am wichtigsten ist, daß die junge Generation unser Leiden nicht vergißt.

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