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Brandenburg: Justiz fordert mehrSozialarbeiter

Minister Bräutigam: Soziale Dienste sind überlastetVON THORSTEN METZNER Potsdam. Auch in Brandenburg läßt die hohe Kriminialitätsrate den Ruf nach härteren Strafen und neuen Gefängnissen lauter werden.

Minister Bräutigam: Soziale Dienste sind überlastetVON THORSTEN METZNER Potsdam. Auch in Brandenburg läßt die hohe Kriminialitätsrate den Ruf nach härteren Strafen und neuen Gefängnissen lauter werden.Im Gegensatz dazu hat Brandenburgs Justizminister Hans Otto Bräutigam am Dienstag jedoch mehr Sozialarbeiter für die Justiz gefordert, um Staatsanwaltschaften, Gerichte und Haftanstalten zu entlasten.Angesichts der knappen Kassen sieht Bräutigam allerdings "keine großen Aussichten", bei Finanzministerin Wilma Simon 20 zusätzliche Sozialarbeiter-Stellen durchzusetzen. Ingesamt beschäftigt die Brandenburger Justiz derzeit 79 Sozialarbeiter, die vorwiegend in der Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie den Haftanstalten tätig sind - viel zu wenig, meinte Bräutigam: "Die Sozialen Dienste der Justiz in Brandenburg sind überlastet." Als Beispiel nannte der Justizminister den sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich (TOA), mit dem Staatsanwaltschaft und Sozialarbeiter bei Bagatell-Straftaten zwischen beiden Seiten konflikt-schlichtend vermitteln und einen gütlichen Schadensausgleich versuchen: Wenn der Täter akzeptiert, kann so ein Gerichtsverfahren vermieden werden.Doch nach aktueller Praxis ist in Brandenburg ein hauptamtlicher TOA-Betreuer für 90 Fälle zuständig, was Bräutigam "als Unding" bezeichnete.Dabei hat der bundesweit noch relativ junge Täter-Opfer-Ausgleich, mit dem die Gerichte entlastet werden, in Brandenburg rapide zugenommen.Gab es 1993 nur 120 Ausgleichsverfahren dieser Art, konnten 1996 über diesen Weg bereits 2377 Fälle außergerichtlich geklärt werden.Allein im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl fast verdoppelt.Hinzu kommen weitere 700 TOA-Verfahren, die von freien Trägern vorgenommen werden.Mit dieser Größenordnung sieht sich Brandenburg bundesweit in einer Vorreiterrolle. Eine weniger positive Sonderrolle nimmt das Land dagegen bei der Bewährungshilfe ein, die von Jahr zu Jahr mehr Schützlinge vor dem kriminellen Rückfall zu bewahren hat.Denn von den 1996 rund 4600 auf Bewährung verurteilten Straftätern war jeder zweite jünger als 21 Jahre.Bundesweit halten Jugendliche und Heranwachsende lediglich einen Anteil von 33 Prozent."Dieser Unterschied erklärt sich aus dem generell hohen Anteil der Jugendkriminalität in Brandenburg", erläuterte Brandenburgs Justizminister. Auch die Gerichtshilfe, dritte Säule der Sozialen Justizdienste, meldet ein jährlich wachsendes Arbeitspensum.Ihr Ansatzpunkt: So registrierten die Justizbehörden allein im Vorjahr 4800 Fälle, bei denen zu Geldstrafen verurteilte, jedoch zahlungsunwillige oder -fähige Straftäter ersatzweise in Haft genommen werden sollten.In zwei von drei Fällen konnte über die Gerichtshilfe die "Ersatzfreiheitsstrafe" durch Ratenzahl-Modelle oder gemeinnützige Arbeiten verhindert werden.Bräutigam: "Es ist nicht sinnvoll, einen Ladendieb 30 Tage zu Lasten der Staatskasse von täglich 180 Mark einzusperren." Derzeit sitzen in Brandenburgs Gefängnissen etwa 120 Straftäter ihre Geldstrafen lieber ab.

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