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Brandenburg: Kein Hollywood an der Stadtgrenze

HENNIGSDORF .Im spannendsten Moment des Verfolgungsrennens zwischen Polizei und Gangster tritt der Sheriff plötzlich auf die Bremse.

HENNIGSDORF .Im spannendsten Moment des Verfolgungsrennens zwischen Polizei und Gangster tritt der Sheriff plötzlich auf die Bremse."Sollen die sich doch mit dem Halunken herumärgern.Wir drehen ab", sagt er erschöpft zu seinem Kollegen im Wagen.Der Zuschauer staunt und wundert sich über den Etappensieg der Ausreißer.Ein Schild am Wegesrand hat die dutzendfach in amerikanischen Filmen erlebte Szene entschieden: Der Hinweis auf das Verlassen des alten und den Beginn eines neuen Bundesstaates.Damit endete die Hoheit der jeweiligen Polizei.Die Gangster verschwanden in einer kräftigen Staubwolke am Horizont.Dem Sheriff bleibt nur noch übrig, den Polizisten des Nachbarstaates telefonisch die Fakten zu übermitteln oder in besonders schweren Fällen die Bundespolizei zu veständigen.

Polizeioberrat Bernd Halle, Leiter des sich von der nordwestlichen Berliner Stadtgrenze bis nach Gransee ziehenden Schutzbereiches Oberhavel, lächelt über die geschilderten Filmszenen."Typisch Hollywood.Zwischen Berlin und Brandenburg wäre so ein Fall jedenfalls nicht möglich." Die Täter könnten sich durchaus nicht sicher fühlen, nur weil sie die jeweilige Ländergrenze überschritten hätten.Zwar sei auch in Deutschland Polizeiarbeit Ländersache mit unterschiedlichen Gesetzen."Doch in einem Ballungsraum wie dem Berliner Umland kehren die Straftäter ebenso wenig an der Stadtgrenze um, wie wir Polizisten", sagt Bernd Halle.

Längst vergessen seien die Reibereien der ersten Jahre nach der Einheit, als sich Berliner und Brandenburger des öfteren ins Gehege kamen und sich gegenseitig mißtrauisch beäugten.Heute genüge ein kurzer Griff zum Telefon, um gemeinsam auf Verbrecherjagd zu gehen.

Der Leiter der Wache Hennigsdorf, Polizeihauptkommissar Erhard Schulz, nennt ein typisches Beispiel der Zusammenarbeit.In den letzten Wochen hatten sich im nördlichen Berliner Umland nächtliche Einbrüche in Kirchen gehäuft.An einem späten Abend hatte ein Einwohner von Velten verdächtiges Treiben an der evangelischen Kirche der Polizei gemeldet.Der wenig später eingetroffene Streifenwagen stellte zwar in Kirchennähe keine Auffälligkeiten fest, fand aber in einer Seitenstraße das Auto mit dem vom Veltener Bürger angegebenen Berliner Kennzeichen.Die Überprüfung der Papiere und die Durchsuchung des Wagens erbrachte nichts.Dennoch entschieden sich die Hennigsdorfer Polizisten, die Berliner Kollegen um eine Hausdurchsuchung bei den verdächtigen Personen zu bitten.Es glückte ein Volltreffer.In der Wohnung befanden sich Dutzende aus Brandenburger Kirchen geraubte Gegenstände."Ohne die gute Zusammenarbeit wäre uns das nicht gelungen", bilanziert der Polizeihauptkommissar.

Fast täglich bewährt sich der kurze Draht über Ländergrenzen.So versuchen flüchtende Autofahrer oft über den Reinickendorfer Autobahnzubringer 111 der Polizei zu entkommen.Ohne Amtshilfe der Brandenburger Streifen säßen die Berliner auf verlorenem Posten.Als beliebtes Mittel gilt in solchen Fällen ein künstlicher Stau auf der Autobahn.Zwei LKW machen auf Weisung der Polizei die Fahrbahnen dicht, und schon sitzen die Flüchtigen in der Falle.

Andererseits helfen Berliner Polizisten ihren Hennigsdorfer Kollegen bei Ringfahndungen nach Überfällen auf Sparkassen oder Poststellen, da die Täter sehr oft aus der Großstadt anreisen und dort wieder untertauchen wollen.Das trifft auch auf Einbrüche in Wohnungen oder Einfamilienhäuser zu."Die Täter scheren sich nicht um Stadtgrenzen, sondern brechen in Frohnau genauso ein wie in Nieder Neuendorf oder Glienicke", sagt Wachenleiter Schulz."Oft können wir erst durch den Spurenvergleich mit Berliner Stellen den Tätern auf die Schliche kommen."

Gerade Tageseinbrüche in Wohnungen haben den Polizisten im Umland im letzten Herbst zu schaffen gemacht.Die besonders aus ost- und südosteuropäischen Ländern angereisten Täter spionierten meist längere Zeit vor dem Überfall die Gegend genau aus.Sie machten sich bewußt die Situation in neugebauten Siedlungen oder gerade bezogenen Häusern zunutze.Hier sind die Nachbarn noch fremd und die täglichen Gewohnheiten kaum vertraut.Fremde Personen oder Autos fallen viel weniger auf, als in lange Zeit bestehenden Wohnvierteln.Zudem stellen Polizisten immer wieder fest, daß die Bauherren neuer Häuser zu wenig Wert auf die Sicherheit ihres Eigentums legen.Ausgaben für einbruchshemmende Türen und Fenster würden entweder gespart oder auf unbestimmte Zeit verschoben.

Insgesamt ist die Kriminalitätsrate im Umland noch bedeutend geringer als in Berlin.Gewaltverbrechen passieren beispielsweise ganz selten."Wir haben es dann oft nur mit den Leichen zu tun, die sich halt besser bei uns verstecken lassen", berichtet Hauptkommissar Schulz.Pilzsucher fanden kürzlich im Gestrüpp eine Leiche, die dort seit rund einem Jahr lag.

Ein Delikt jedoch beschäftigt die Polizeiwachen in Orten mit S-Bahn- oder Regionalbahnanschluß nach Berlin nahezu täglich: der Fahrradklau.Die Räder werden von den Bahnhofsvorplätzen gestohlen und mit nach Berlin genommen.Mitunter sind regelrechte Banden am Werk, die die Tatorte lange vorher beobachten, um Zivilstreifen der Polizei aus dem Wege zu gehen.Rund 1000 Diebstahlanzeigen muß allein die Hennigsdorfer Polizeiwache jährlich bearbeiten.Die Aufklärungsquote liegt hier vergleichsweise niedrig, obwohl durch die Zusammenarbeit mit Berlin schon so mancher Fall gelöst werden konnte.

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