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Brandenburg: Platzeck im Problemstau: Erfolge erst bis Mitte Februar

POTSDAM .Von frischem Wind oder gar einer neuen Ära ist im verwinkelten Potsdamer Rathaus nichts zu spüren: Es wirkt grau und duster wie eh und je.

POTSDAM .Von frischem Wind oder gar einer neuen Ära ist im verwinkelten Potsdamer Rathaus nichts zu spüren: Es wirkt grau und duster wie eh und je.Rathaus-Mitarbeiter grüßen den Fremden, der durch die Gänge irrt, immer noch nicht.Auch im Amtszimmer des Oberbürgermeisters - die Wände sind in einem gedeckten Gelb gehalten - hat sich wenig verändert.Ein paar Kunstobjekte fallen auf.Die Potsdam-Bilder an der Längswand, eine Leihgabe des Stadt-Museums, sind die alten."Bisher war gar keine Zeit, den Raum umzugestalten", sagt Matthias Platzeck, seit gut drei Wochen Chef des Rathauses.Der Ex-Umweltminister war in dieser Zeit - und ist es noch - vor allem mit der Bestandsaufnahme befaßt.Sie fällt, soviel läßt sich nach den ersten 25 Tagen schon sagen, nicht sonderlich rosig aus.

Vor allem "zwei große Staus" halten Platzeck in Atem: Viele Entscheidungen, die eigentlich längst hätten getroffen werden müssen, sind hinausgeschoben worden.Vor allem seit der Abwahl seines Vorgängers Horst Gramlich im Mai türmten sich die unerledigten Vorgänge - wohl auch deshalb, weil niemand Verantwortung übernehmen wollte.So mußte Platzeck als eine der ersten Amtshandlungen die Wasser- und Abwasserpreise heraufsetzen.Weitere unpopuläre Maßnahmen werden wohl folgen.Hinzu kommt ein Kommunikationsstau: Hunderte von Gesprächsanfragen sind beim Oberbürgermeister-Büro eingegangen.Täglich kommen neue hinzu."Das Telefon klingelt von 9 bis 17 Uhr ununterbrochen." Manche Einrichtungen und Vereine klagen darüber, daß Platzecks Vorgänger jahrelang nicht mit ihnen gesprochen habe.Kurz vorher war der örtliche DGB-Chef beim Oberbürgermeister.Er wurde seit fünf Jahren "nicht mehr vorgelassen".Das Erbe seines introvertierten Vorgängers wird den kommunikationsfreudigen Platzeck noch Monate beschäftigen.

Mit seinem Büroleiter Wieland Eschenburg, den er wie seine Sekretärin aus dem Umweltministerium ins Rathaus mitgebracht hat, hat er sich ein Verfahren ausgedacht, um die Flut von Gesprächswünschen möglichst schnell und effektiv zu bewältigen: Sie werden nach Themen geordnet und gebündelt, es gibt einen Wirtschafts- oder einen Kulturtag für Gruppengespräche."Bis April des nächsten Jahres", so hofft Platzeck, "wollen wir durch sein." Seinen ursprünglichen, sicherlich etwas naiven Plan, von Zimmer zu Zimmer, von Amt zu Amt zu gehen, um die 2300 Mitarbeiter persönlich bei der Arbeit kennenzulernen, mußte er aufgeben.Dafür ist partout keine Zeit übrig.Platzecks Terminkalender ist von morgens bis spät abends an allen sieben Tagen in der Woche dicht gedrängt.Er legt größten Wert darauf, täglich mindestens zwei bis drei Außentermine wahrzunehmen.

Mit den Rathaus-Angestellten, die meisten waren schon zu DDR-Zeiten dort tätig, hat er bisher meist nur auf diversen Dienstbesprechungen zu tun.Bei einer Personalversammlung im Theater legte er dar, was er von jedem erwartet: Vollen Einsatz für Potsdam, für die Bürger."Wer dazu keine Lust hat, sollte seinen Arzt oder Apotheker konsultieren." Diesen Satz haben ihm manche übelgenommen, wie sich überhaupt dieser oder jener über den Führungsstil Platzecks wundert, der als Strahlemann gilt.Seine Mitarbeiter lernen jetzt auch eine andere Eigenschaft an ihm kennen: Nämlich Strenge.Platzeck fragt Arbeitsaufträge konsequent am nächsten Tag ab, und er rügt, wenn sie nicht erledigt sind.Wie ein Lauffeuer verbreitete sich im Rathaus, daß der neue Chef bereits zwei Disziplinarverfahren eingeleitet hat.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse Platzecks nach den ersten 25 Tagen im neuen Job: "Der Führungs- und Motivationsbedarf ist groß." Außerdem müßten die Entscheidungsprozesse gestrafft werden, um Doppelarbeit, Verzögerungen, unnötige Bürokratie zu verhindern.Voraussetzungen dafür seien klarere Strukturen und Verantwortlichkeiten.So sind bisher meist mehrere Ämter an einem Vorgang beteiligt, ohne daß sich jemand richtig verantwortlich fühlt."Ein Dezernat muß die Führung haben", betont Platzeck.Der Problemstau in allen Bereichen sei für ihn die unangenehmste Überraschung.Das am Stadtbahnhof entstehende überdimensionierte Einkaufscenter, das monatelang für Schlagzeilen sorgte, reiht sich da nahtlos ein.

Bisher ist zwar keine stadtverträgliche Lösung durch eine Begrenzung der Verkaufsfläche in Sicht."Doch mit dem teilweisen Baustopp ist die Stadt aus der Defensive in die Offensive gekommen." Weitere Reizworte sind die BUGA, die Kulturfinanzierung, der Neubau des Theaters, die maroden Schulen.Das Geld ist knapper denn je, was die Arbeit nicht einfacher macht.Trotzdem bestehe er - und betont das ausdrücklich - auf die üblichen 100 Tage Schonfrist.Sie geht Mitte Februar zu Ende.Bis dahin will Platzeck Erfolge vorweisen.Manches hat sich, trotz der kurzen Zeit, schon verändert.

Zum Beispiel, daß sich das Rathaus nach draußen zu öffnen beginnt.So unternimmt Platzeck am 18.Dezember mit seinen Dezernenten die erste öffentliche Stadtwanderung - vom brachliegenden Alten Markt über die Brandenburger Straße zum Luisenplatz."Es ist ein Signal an die Bürger, daß wir das Gespräch mit ihnen suchen." Platzeck hat auch jene Beigeordneten zur Teilnahme vergattert, die nicht direkt für die Innenstadt zuständig sind.Im Rathaus wird nicht mehr nur Politik für die Stadt gemacht."Damit das Vermögen wächst, Gesamteinschätzungen vornehmen zu können." Dann klingelt das Telefon.Schon wieder.Diesmal ist der polnische Gesandte am Apparat.

MICHAEL MARA

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