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© ddp

Sommerswalde: Der Weg zu Buddha im kleinen Reichstag

Einst wurden rauschende Feste in Schloss Sommerswalde gefeiert. Nun haben Gläubige es in ein Meditationszentrum verwandelt. Auch die angrenzende Kopie des Roten Rathauses wurde von ihnen erworben.

Im „Reichstag“ regieren ab sofort die Buddhisten. Der große Plenarsaal wird von einer goldenen Buddha- Figur bestimmt, auf den Gängen laufen Mönche mit farbigen Tüchern umher und Besucher müssen ihre Schuhe ausziehen. Zwar liegt dieser „Reichstag“ nicht in Berlins Mitte, sondern rund 15 Kilometer hinter der nordwestlichen Stadtgrenze. Aber eine gewisse Ähnlichkeit der Fassaden ist unverkennbar. Kurz hinter Germendorf an der B 273 steht das Schloss Sommerswalde, das gemeinhin als „kleiner Reichstag“ bezeichnet wird. Ein Jahr lang hat die ursprünglich in Kreuzberg beheimatete Gruppe „Neue Kadampa-Tradition“ – eine Abspaltung des tibetischen Buddhismus – das Gebäude denkmalgerecht renoviert und in ein Meditationszentrum verwandelt. Am Sonnabend stellen die Buddhisten sich und das Schloss bei einem Tag der offenen Tür vor.

Noch ist nicht alles fertig. So erhält die Fassade erst im nächsten Frühjahr den grau-gelben Farbanstrich zurück, mit dem der Erbauer vor 120 Jahren den Sandstein des Reichstages nachahmen ließ. Auch die schwere Eingangstür bedarf der Arbeit. „Da müssen wir noch dicke Farbschichten aus DDR-Zeiten abkratzen“, sagt Gen Kelsang Ananda, der Leiter des Zentrums in Sommerswalde. Beim Rundgang muss der 34-Jährige lächeln, wenn er von der jüngeren Geschichte des Hauses erzählt. 40 Jahre lang bildete das Ministerium für Volksbildung hier Pionier- und FDJ-Leiter aus. Wo die damaligen Studenten lange Reden über die Arbeiter- und Bauernmacht hörten, prangt heute der Buddha-Altar. Er krönt den pompösen Festsaal, in dem der erste Schlossherr Friedrich Sommer bis in die 20er Jahre rauschende Feste gegeben hatte. Der umtriebige Lebemann war Ende des 19. Jahrhunderts zu viel Geld gekommen. Seinem Großvater Carl August Sommer gehörten die Grundstücke in der Umgebung des Berliner Brandenburger Tores. Als dort der Reichstag gebaut werden sollte, verkaufte Richard Sommer das Gelände zu einem stattlichen Preis.

Kadampa-Mitglieder aus ganz Deutschland an Renovierung beteiligt

In Sommerswalde ließ sein Enkel nicht nur den Reichstag im Maßstab von 1:3 nach einem ersten – in Berlin später veränderten – Entwurf von Paul Wallot erbauen, sondern auch eine Kopie des Roten Rathauses und eine Moschee. Diese ist nicht mehr als solche zu erkennen, auch das Rote Rathaus hat im Laufe der Zeit gelitten. „Die Gebäude gehören uns ebenfalls, genau wie der Park“, sagt Gen Kelsang Ananda. „Vielleicht richten wir hier Gästezimmer ein.“ Schon heute kann man in Ein-, Zwei- oder Mehrbettzimmern im Schloss übernachten. Das Angebot zwischen 15 Euro (Mehrbettzimmer mit Frühstück und Abendbrot) und 35 Euro (Einzelzimmer mit Vollpension) richtet sich nicht nur an Teilnehmer der regelmäßigen Tages- und Wochenendkurse. „Wir sind ein offenes Haus“, sagt Ananda, der Sommerswalde zum wichtigsten deutschen Meditationszentrum der Kadampa-Lehre entwickeln möchte.

Über den Kaufpreis und die Kosten der Renovierung schweigen die Buddhisten: Diese Frage sei nicht entscheidend. Jedenfalls haben die rund 50 in Berlin und Umgebung ansässigen Mitglieder und Anhänger aus ganz Deutschland hier viele Stunden ehrenamtlich gearbeitet. Das meiste Geld sei von der internationalen Kadampa-Gemeinschaft gespendet worden. Bereits von 2000 bis 2003 diente das Schloss einer anderen buddhistischen Vereinigung als Klosterschule. Dieser fehlten allerdings die Mittel zur Unterhaltung des „kleinen Reichstages“.

Schloss Sommerswalde, Führungen am Sonnabend um 11 und 14 Uhr, um 15 Uhr hält Gen Kelsang Ananda einen Vortrag über den Buddhismus. Der Bahnhof Schwante liegt zwei Kilometer entfernt. Auskünfte unter Tel. 033055/220 533, www.nkt-kmc-germany.org.

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