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Brandenburg: Untersuchungshäftling Serow in Prenzlauer Berg festgenommen

BERLIN/POTSDAM .Der unter spektakulären Umständen am Wochenende aus der Potsdamer Untersuchungshaftanstalt ausgebrochene russische Schwerkriminelle Sergej Serow ist gestern im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg festgenommen worden.

BERLIN/POTSDAM .Der unter spektakulären Umständen am Wochenende aus der Potsdamer Untersuchungshaftanstalt ausgebrochene russische Schwerkriminelle Sergej Serow ist gestern im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg festgenommen worden.Der Entführer und mutmaßlichen Mörder des Gastwirtsohns Matthias Hintze war dabei, sein Äußeres zu verändern, als ihn ein Spezialeinsatzkommando (SEK) in der Wohnung an der Gaudystraße 4 überwältigte.

Der Wohnungsmieter, ein 36jähriger Mann, hatte am Nachmittag die Polizei benachrichtigt, nachdem er Serow nach Zeitungsbildern erkannte hatte.Am Dienstag abend hatte der Mieter den frierenden und zitternden Serow auf der Straße angetroffen.Aus Mitleid und Fürsorge hatte er daraufhin Serow in seiner Wohnung nächtigen lassen.Als er gestern erkannte, wen er in seine Wohnung gelassen hatte, informierte der Mann die Polizei.Darauf umstellte ein Team von Festnahmespezialisten des SEK das Haus an der Gaudystraße.Es stürmte die Wohnung und überwältigte den offenbar überraschten Serow, der im Begriff war, sich den Kopf kahl zu rasieren.

Unmittelbar nach der Festnahme machten sich Polizeibeamte aus Brandenburg auf den Weg, um klären, ob es sich bei dem Verdächtigen tatsächlich um Serow handelte, der sich am Sonnabend um 22.47 Uhr mit zusammengeknüpften Bettlaken aus der Untersuchungshaftanstalt in Potsdam abgeseilt hatte.Der Ausbruch blieb 14 Stunden lang unbemerkt.Erst am Sonntag kurz vor 12 Uhr wurde sein Fehlen in der U-Haft festgestellt.Offenbar haben gravierende Sicherheitsmängel in der Potsdamer Haftanstellt die Flucht begünstigt.So durfte Serow dort als eine Art Haushandwerker arbeiten.Zudem ist nicht sicher, ob er am Sonnabend abend überhaupt in seine Zelle eingeschlossen wurde.Serow wird mit seinem Komplizen Orlow auch für die Entführung und den vermutlichen Tod des Computerhändlers Alexander Galius verantwortlich gemacht.

Die Fahnder gehen nach wie vor davon aus, daß Serow im Gefängnis Hilfe hatte.Der Verdacht richtete sich gegen den Justizbediensteten, der Serow am Sonnabend in seine Zelle eingeschlossen haben will.Eine Durchsuchung der Wohnung des Mannes brachte aber keine neuen Erkenntnisse.

Stunden nach der Festnahme Serows war die Wohnung des hilfsbereiten Mieters in Prenzlauer Berg noch abgesperrt.In der Gaudystraße versammelten sich Schaulustige.Die Festnahme "ging schnell und ohne große Aufregung vonstatten", sagte eine Anwohnerin.Serow soll bei der Festnahme verletzt worden sein und sich derzeit im Haftkrankenhaus Moabit befinden.

Stolpe nimmt Bräutigams Entlassungsgesuch nicht an

Disziplinarverfahren gegen Wachbeamten eingeleitet

VON MICHAEL MARA

POTSDAM.Manfred Stolpe handelte wie erwartet: In Regierungskreisen war man sich sicher, daß der Ministerpräsident der Entlassungsbitte seines Justizministers nicht entsprechen werde.Bräutigam gilt als wichtigste Vertrauensperson Stolpes im Kabinett."Er kann ihn gar nicht fallenlassen, schon gar nicht so kurz vor der Landtagswahl", sagte ein Regierungsbeamter.Auch Stolpe selbst äußerte sich deutlich: "Bräutigam ist ein viel zu guter Mann."

Die Festnahme Serows in Berlin dürfte Stolpe darin bestärkt haben, trotz aller Kritik an Bräutigam festzuhalten.Bald nachdem die "erlösende Nachricht" bekannt wurde, verbreitete die Staatskanzlei eine offizielle Erklärung Stolpes: Er werde Bräutigams Bitte nicht nachkommen, sondern habe diesen gebeten, "die Aufklärung der Vorgänge mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln voranzutreiben" und die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im Strafvollzug zu treffen.

Am Vormittag hatten sich die Ereignisse in Potsdam überschlagen: Zunächst hatte Stolpe auf einer Pressekonferenz erklärt, daß die Frage eines Rücktritts von Bräutigam für ihn nicht bestehe.Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn das schriftliche Entlassungsgesuch des Ministers offenbar noch nicht erreicht.Eine gute Stunde später verkündete Bräutigam auf einer Pressekonferenz zum Stand der Ermittlungen, daß er Stolpe schriftlich um seine Entlassung gebeten habe.Begründung: Er trage die politische Verantwortung für die "schwerwiegenden Fehler und Versäumnisse" in der Justizvollzugsanstalt Potsdam, die die Flucht Serows ermöglicht hätten.Die Reaktionen waren unterschiedlich: Während die CDU Stolpe aufforderte, die Entscheidung seines Ministers zu respektieren, erklärte die PDS, daß Bräutigam keine unmittelbare Verantwortung für die Zustände trage.Die SPD bat den Minister eindringlich, seine Bitte um Entlassung zu überdenken.Alle Parteien zollten Bräutigam "großen Respekt".

Der parteilose Justizminister sagte, daß die Entscheidung jetzt allein bei Stolpe liege.Seit die Flucht des russischen Gewaltverbrechers mit 14stündiger Verspätung am Sonntag bekannt wurde, war Bräutigam zunehmend unter Druck geraten, da immer neue skandalöse Einzelheiten aus der JVA Potsdam bekannt wurden."Ich habe mir bisher nicht vorstellen können, daß man einen so gefährlichen Mann wie Serow als Hausarbeiter einsetzt, erst recht nicht, nachdem er im August unter Fluchtverdacht geriet", gestand Bräutigam während der Pressekonferenz seine eigene Fassungslosigkeit.Als erste Konsequenz ordnete er an, daß wegen Kapitalverbrechen Inhaftierte nicht mehr als Hausarbeiter beschäftigt werden dürfen und die Fachabteilungen des Ministeriums künftig über die Haftbedingungen von fluchtgefährdeten oder als besonders gefährlich anzusehenden Häftlingen unterrichtet werden müssen.Gegen den Wachbeamten, der am Sonntagmorgen die vorgeschriebene Anwesenheitskontrolle unterließ, werden laut Bräutigam Disziplinarmaßnahmen eingeleitet.Weitere personelle Konsequenzen, so der Minister, hingen vom Ergebnis der Ermittlungen ab.

Die Frage, ob Bräutigam im Amt verbleiben wird, war gestern nicht eindeutig zu beantworten.In Regierungskreisen ging man davon aus, daß Bräutigam Stolpes Wunsch, die Ermittlungen zu Ende zu führen, entsprechen werde.Rückendeckung bekam der Minister nicht nur von SPD und PDS, sondern auch von den Grünen.Sie verwiesen darauf, daß die gesamte Regierung für die Zustände im Strafvollzug aufgrund ihrer Sparpolitik die Verantwortung trage.CDU-Sicherheitsexperte Dierk Homeyer hingegen sagte, daß Stolpes Haltung dem Ansehen des Landes schade.Bräutigam oder Stolpe verlören ihr Gesicht.

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