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Berlin: Brandenburgs bestes Restaurant

Robert-Koch-Str.1, Storkow, Telefon: 033678-430, geöffnet: täglich außer Mo.

Robert-Koch-Str.1, Storkow, Telefon: 033678-430, geöffnet: täglich außer Mo., 12-14.30 und ab 18 Uhr, Reservierung notwendig, Kreditkarten: keine AngabenBernd Matthies

Manchmal hängen sich Restaurantkritiker mächtig weit aus dem Fenster. Das werde ja nun mit Sicherheit das beste Restaurant ganz Brandenburgs, habe ich kürzlich, einige Tage vor der Eröffnung, über das "Windspiel" im frisch restaurierten Schloß Hubertushöhe geschrieben. Sowas macht man eigentlich nicht, außer, man ist sich hundertfünfprozentig sicher.

Nun war ich da - und kann nicht anders, als mich hundertfünfprozentig bestätigt zu sehen. Langweilig, gewiß. Aber was soll man machen? Den Windspiel-Küchenchef Kurt Jäger kenne ich, seit er vor schätzungsweise drei Jahren im "Harlekin" im Berliner Grand-Hotel Esplanade anfing und zügig den Michelin-Stern einfuhr, einen von mehreren, die er in seiner Karriere schon geholt hat.

Anders als viele Kollegen, die sich in Hochglanzmagazinen als Kreativkünstler feiern lassen, ist er ein als bescheidener Handwerker perfekt getarnter Perfektionist, und es ist schwer bis unmöglich, ihm auf die Schliche zu kommen. "Das war doch nichts Besonderes", sagt er, wenn Gäste gerade die Rotweinsauce zum Reh vom Teller abgeleckt haben, "nur ein bißchen normaler Wein, leicht einreduziert, ein bißchen Fond, fertig."

Es war übrigens die beste Sauce, die wir in diesem Jahr probiert haben - wie uns überhaupt dieses Gericht, Reh auf Ingwer-Spitzkohl, nicht mehr steigerungsfähig vorkam. Ebenfalls so eine Sache: Kalbsbries mit Ravioli. Oder, sagen wir, Kärntner Maultaschen. Hauchdünner Teig, drinnen eine leichte, schaumige Kartoffel-Quark-Füllung mit knusprigen Croutons als Glanzlicht, das Bries akkurat gegart und nur leicht mit Sauce glasiert, fertig. Ganz simpel eigentlich, aber es schmeckt nirgendwo so wie hier.

Wie das gesamte Menü durchweg nicht nur an der Brandenburger Spitze lag, sondern jedes Berliner Restaurant geziert hätte, aber das ist eigentlich nach den Harlekin-Jahren keine Überraschung mehr. Überraschend ist allenfalls, daß Jäger dieses Niveau so schnell wieder erreicht hat; die Kapitalkraft der Reemtsma-Gruppe, der das Hotel gehört, hat dabei gewiß geholfen.

Also. Asiatisch gewürzter Kartoffelsalat mit gebackenen Kalbskutteln, Parfait vom geräucherten Stör mit Kaviar, Krustentiervariationen mit Hummer und Langustinen, Felchenfilet auf skandinavisch marinierten "Gravad"-Gurken, Steinbutt auf Pflaumenwein-Linsen (eine Kombination, die mir bei aller Perfektion ein wenig beliebig vorkam), dann Bries und Reh, schließlich einige Dessertkleinigkeiten, ein Zitronentörtchen, geschmeidiges Praliné-Eis, eine Buttermilchcreme zwischen hauchdünnen Krokant-Scheiben, feine Petits Fours . . .

Eine rundum stimmige Gesamtleistung, über die ich jetzt nichts mehr schreibe, weil es sonst wieder heißt, da habe der Matthies ja wieder eine unglaubliche Lobeshymne verfaßt. Obwohl: Hat er ja auch.

Kosten tut das Ganze nicht unerwartet Geld, aber nicht zuviel: mittags gibt es drei Gänge für 55 Mark, abends sechs für 115, die Hauptgänge liegen sämtlich unter der 50-Mark-Grenze. Bis zum 23. Dezember gibt es ein (kontingentiertes) Einführungsangebot für fünf Gänge nebst Übernachtung im Doppelzimmer für 210 Mark pro Person. Ziemlich günstig.

Zur guten Laune trägt hier freilich gleichermaßen die Weinkarte bei. Was in diesem Keller an Geld steckt, muß freischwebende Wirte mit ausgeschöpftem Dispo-Kredit zu Tränen rühren, aber das ist ja für den Gast kein Kriterium.

Er findet hier die deutsche Spitze von Dönnhoff über Diel und Gunderloch und Huber bis Loosen und wasweißichnoch zu Preisen, die unter 40 Mark beginnen und in mehr als vernünftigen Regionen enden; der wunderbar maracuja-duftige 97er Ürziger Würzgarten Spätlese trocken von Ernst Loosen kostet 65 Mark.

Im französischen Sektor finden wir Verget (den feinstgeschliffenen St. Veran für 47 Mark!), die Superburgunder von A.F.Gros, Bordeaux-Legenden bis in die 40er Jahre, Exoten wie den sehr beachtlichen bulgarischen Cabernet "Zar Simeon", jede Menge Italien, dazu Champagner bis rauf zu Krugs Clos du Mesnil, Sherry, Port, Madeira, Süßweine bis zum Yquem, und alle sehr angenehm kalkuliert, sofern dieses Prädikat bei einzelnen zwangsläufig vierstelligen Flaschenpreisen angemessen ist. Schon das offene Angebot dürfte die meisten Gäste mehr als zufriedenstellen.

Der Service? Nett und zuvorkommend. Es liegt nicht an den jungen Nachwuchsleuten, daß auf diesem Niveau ein souveräner, erfahrener Dirigent fehlt, nach dem noch gesucht wird, seit ein erster Versuch schon nach einigen Wochen scheiterte.

Allerdings ist das kein Grund, einen Besuch aufzuschieben, zumal das Schloß allein auf seinem abgeschiedenen Seegrundstück allein schon den Besuch lohnt. Bei allem Respekt vor Kurt Jägers Künsten: Schöner als diese Aussicht kann auch er nicht kochen.

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