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Trio. Beim CDU-Landesparteitag in Brandenburg sieht man hier die damals neu gewählte Führungsspitze der brandenburgischen CDU: den Vorsitzenden Michael Schierack (l.), die Generalsekretärin Anja Heinrich undden ersten stellvertretenden Vorsitzenden Ingo Senftleben - das am 17.November 2012.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburgs CDU-Generalsekretärin Anja Heinrich: „Es wird um Machtverhältnisse in der CDU gedealt“

In der CDU in Brandenburg ist der Kampf um die Nachfolge von Parteichef Michael Schierack ausgebrochen. Generalsekretärin Anja Heinrich kündigt deswegen ihren Rückzug an. Im Interview mit dem Tagesspiegel rechnet sie mit ihrer Partei und dem Polit-Betrieb in Brandenburg ab.

Es heißt, dass Sie sich aus der ersten Reihe der brandenburgischen CDU zurückziehen wollen. Stimmt das?

Ja, wenn die Partei im September einen neuen Vorstand wählt, werde ich nicht wieder als Generalsekretärin zur Verfügung stehen. Und zwar in keiner Konstellation.

Warum machen Sie diesen Schnitt?

Ich möchte mir treu bleiben, mich nicht verbiegen.

Das müssen Sie erklären!

Ich empfinde es als Privileg, Generalsekretärin dieser Partei sein zu dürfen. Ich habe in den drei Jahren gezeigt, dass ich weiß, wie die CDU in Brandenburg Wahlen gewinnen kann. Diese Erfolge waren in der CDU für viele auch ein Kraftakt ohnegleichen, der Preis war hoch. Ich möchte mich nicht daran beteiligen, all das wieder in Frage zu stellen, alles zu riskieren.

Wer tut das denn?

Ich nehme wahr, dass wir in diesen Tagen und Wochen intern wieder in frühere Verhaltensmuster, ja in alte Strukturen zurückfallen. Es wird mobil gemacht, um eine Alternative zum Landesvorsitzenden zu finden. Es wird um Machtverhältnisse, um neue Mehrheiten gedealt. Ich finde die Art und Weise, wie das geschieht, nicht fein. Das grämt mich. Denn immer, wenn die CDU so agierte, war sie wenig erfolgreich.

Unmut sucht sich Ventile. Auslöser der Aktivitäten ist die einsame Ankündigung von Parteichef Michael Schierack, im Herbst erneut zu kandieren, obwohl er die Verantwortung für die gescheiterte Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl 2014 trägt.

Das mag sein, ich muss mich daran aber nicht beteiligen.

Sie sind Generalsekretärin Schieracks. Hat er seine Ankündigung, erneut anzutreten, mit Ihnen abgestimmt?

Wir hatten über seine erneute Kandidatur zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesprochen. Auch ich wurde von der Pressemitteilung überrascht.

Wie wird es an der Basis aufgenommen?

Die Partei ist ja allerhand (Kummer?) gewöhnt. Nach der Bruchlandung bei den Sondierungen mit der SPD war eigentlich klar, dass die Basis ein Mitspracherecht haben muss, wie es weiter geht. Die Basis will mitgenommen werden. Es war klar, dass ein bloßes Weitermachen schwierig wäre. Und die Politik der CDU wird nicht von einer kleinen Gruppe von Berufspolitikern auf Landesebene inszeniert, sondern immer noch maßgeblich vor Ort gemacht, von den Mitgliedern und Vereinigungen,

Und was erwarten die?

Was der Partei gut tun würde, was wir dringend bräuchten, wäre ein Entscheidungsprozess von der Basis hinauf, wer für die wichtigsten Ämter, wer für den Vorsitz in Frage kommt. Nötig ist ein Dialog, was das Beste für die CDU wäre, um erfolgreich zu bleiben. Wir sollten das ermöglichen, dem Ergebnis nicht vorgreifen, es ein Stück offen lassen. Ich weiß nicht, ob es so klug war, in diesem Stadium als Landesvorsitzender zu sagen: Es ist gesetzt, ich kandidiere.

Vor der Neuauflage von Rot-Rot hat SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke die Weigerung Schieracks, ein Ministeramt zu übernehmen, für die Absage an Rot-Schwarz verantwortlich gemacht. Hat die Partei das verwunden?

Ich persönlich sehe es immer noch so: Die SPD wollte nicht mit der CDU koalieren. Das hat sich mir gefühlsmäßig im Verlauf der Sondierungen immer mehr gezeigt. Als Herr Schierack dann die zugegeben ziemlich gutgläubige Aussage in einem sehr internen Gespräch artikulierte, hat die SPD an diesem Punkt die Sondierungen platzen lassen. Das ließ keinem von uns aus dem engeren Team die Möglichkeit, in diese Debatte überhaupt einzusteigen. Ich bin mir sicher: Hätten wir diese Chance gehabt, wäre Herr Schierack am Ende ins Kabinett gegangen. Ich will das nicht in Schutz nehmen. Die Enttäuschung in der Partei, bei unseren Wählern, ist ja trotzdem da.

Sie saßen selbst mit am Verhandlungstisch. Wann haben Sie gemerkt, dass bei den Sondierungen etwas gewaltig schief läuft?

Das war bei dem angeblich geheimen Zusatztermin, der damals an einem Sonntag eingeschoben wurde. Die Atmosphäre war schon seltsam. Als wir dann beim Thema Kommunalreform kampflos unsere Positionen räumen sollten, wäre ich am liebsten aufgestanden und gegangen. Ich habe mir auf die Zunge gebissen, mir ging es elend an dem Tag.

Welche Konsequenzen sollte die CDU aus dem Fiasko ziehen?

Eine Partei ist nicht dafür da, ewig im eigenen Gram zu versinken. Sie braucht immer auch Ermutigung. Natürlich muss man jetzt nach vorn schauen, Stagnation blockiert und bremst nur. Im Augenblick warten unsere Mitglieder nicht nur auf Antworten, Erklärungen, sondern vor allem auf Handeln, auf verbindliche Perspektiven, wie sich Landesvorstand und Fraktion aufstellen. Unsere Basis ist gewillt, sich einzubringen. Es sind keine Quatschköpfe. Es sind Leute, ob einfaches Mitglied oder Bürgermeister, Amtsdirektoren, Landräte, die wissen, wovon sie sprechen, die ein gutes Urteilsvermögen haben.

Wie sähe ein CDU-Erfolgsrezept aus?

Ich glaube zutiefst, dass die CDU auch in Brandenburg dauerhaft eine außerordentlich starke Kraft sein kann. Aber das wird sie eben nur dann, wenn die Wähler genau wissen, mit wem sie es zu tun haben - und das über einen langen Zeitraum, in dem die Personen und die Ausrichtung der Partei beständig verlässlich sein müssen.

Nicht auf den Zug der AfD aufsteigen

Wo sehen Sie da Defizite?

Wir haben es zum Beispiel nicht geschafft, bestimmte Themen mit bestimmten Abgeordneten zu verbinden. Der Punkt, der mich am stärksten umtreibt, ist aber der: Wo sind die Unterschiede zu anderen Parteien? Wir sind nicht unverwechselbar. In den Programmen, das hat man bei der Landtagswahl gesehen, sind alle Parteien zu ähnlich. In Brandenburg machen SPD, Linkspartei und Grüne linke Politik. Die CDU ist aus meiner Sicht bisher nicht ausreichend emanzipiert, um tatsächlich ein Alternativprogramm anzubieten.

In diese Lücke ist die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) gestoßen.

Ich möchte nicht missverstanden werden: Wir sollten trotzdem auf den Zug der AfD nicht aufsteigen. Die CDU kann sich von linker Politik abgrenzen, ohne populistisch zu werden. Im Landtag ist für mich, ich komme ja aus dem Sozialen, auch aus der Psychologie, eine Frage entscheidend: Wessen Lob möchte ich? Das der Koalitionsfraktionen, das der Regierung? Die CDU braucht das Lob der Bevölkerung.

Ist die Union als Opposition zu zahm?

Das wage ich im Moment nicht zu beurteilen. Wir sind im Landtag jedenfalls ziemlich anständig, wir sind keine blökende Fraktion. Das wäre auch nicht richtig. Ich glaube trotzdem, dass wir im Parlament deutlicher machen sollten, wofür die CDU steht. Im Moment kurven wir da zu sehr zwischen den anderen herum, und: Wir setzen uns zu sehr mit anderen Parteien auseinander. Wer nur den politischen Gegner behindern will, kommt beim Wähler nicht an.

Sie sind noch nicht lange in der Landespolitik, erst seit 2009 im Landtag, sind 2012 als Generalsekretärin enthusiastisch gestartet. Wie hart war die Landung in der Realität?

Es war nie mein Ziel, Berufspolitikerin zu werden. Ich bin ja sehr bodenständig. Ich komme aus einer ländlichen Region fern von Potsdam, in der die Leute unmittelbar Antworten verlangen. Das ist ein Grund, weshalb ich in die Politik gegangen bin, mit Begeisterung, Herzblut, ja auch mit Illusionen. So bin ich nun einmal. In mir drin steckt immer noch viel von der früheren Sozialarbeiterin. Ich will nicht alleine rennen, nehme gern Leute mit. Ich verstehe Politik nicht als Lebensjob, sehe es auch nicht als Gott gegeben an, immer in Ämtern zu sein. Inzwischen, mit den Jahren und Einblicken, bin ich schon etwas desillusioniert.

Worüber?

Das hat nicht allein mit der CDU zu tun, sondern insgesamt mit dem politischen Betrieb in Potsdam. Da ist vieles eingerissen, was für unser Gemeinwesen nicht gut ist, was Wähler abstößt.

Zum Beispiel?

Es fängt schon damit an, wie das Personal für die Fraktionen im Landtag rekrutiert wird. Was sind Grundvoraussetzungen, damit ein Bürger für eine Partei kandidiert, aufgestellt wird? Ich erlebe, und zwar über das gesamte Parteienspektrum hinweg, dass es zum Teil innerparteiliche Versorgungsposten sind, oder dass man aggressives Verhalten belohnt, um Leute ruhig zu stellen. Dabei ist das Landtagsmandat ein Ritterschlag, ein unglaubliches Privileg, und das nicht allein deshalb, weil es fünf Jahre ein festes Einkommen, eine große soziale Sicherheit gewährt. Man kann sich fünf Jahre aktiv in die gesamten Belange dieses Landes einmischen. Oder, oft geht unter, dass es ein Privileg auf Zeit ist, wir nicht als Abgeordnete auf Lebenszeit gesetzt sind. Ich halte es deshalb für legitim, mit jedem Einzelnen auch über eine Endlichkeit dieser Mandate zu sprechen.

Sie beschrieben das Ideal. Nun häufen sich gerade in der CDU Schlagzeilen über Politiker und Parlamentarier, bei denen es eher um Eigeninteressen geht. Bei Herrn Schierack ist es die Arztpraxis, die er nicht für den Ministerjob aufgeben wollte. Sven Petke war Manager bei Bombardier und blieb Abgeordneter …

… bei Herrn Schierack liegen die Dinge schon etwas anders. Es wäre töricht von ihm, schon rein rechtlich, seine Praxis abzumelden. Die Zulassung wäre dann weg. Da muss man schon unterscheiden. Trotzdem, für Bürger ist es generell schwer oder gar nicht nachvollziehbar, wenn Abgeordnete neben dem Landtagsmandat einer Arbeit nachgehen oder selbständig sind. Die Diäten sind schließlich schon so hoch, mit großem Abstand zum Normalbürger. Da können Wähler erwarten, dass das Mandat vollumfänglich wahrgenommen wird. Man muss sich eben entscheiden: Will man zuerst Politik machen oder ist Politik der Nebenjob? Letzteres nimmt der Wähler übel.

Herr Petke hat das inzwischen geklärt, zu Gunsten der Politik.

Er hatte in einem Weltkonzern Fuß gefasst, Bombardier ist ja keine kleine Nummer, und sich jetzt doch für den Vorsitz des Haushaltsausschusses im Landtag entschieden. So habe ich es gelesen. Ich gebe zu, das überrascht mich schon.

Ist Brandenburgs CDU besonders anfällig für solche Fälle?

Das bestreite ich. Das gibt es auch in anderen Parteien, das sieht man schon an der Gehaltsliste, die der Landtag veröffentlicht hat.

Wie finden Sie es, dass die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche, mitten in der Legislatur in die Wirtschaft wechselt und das Direktmandat verfällt?

Persönlich habe Verständnis für ihre Entscheidung. Wer ein solches Angebot nicht annehmen würde, wäre töricht. Ich halte auch nichts davon, Neiddebatten zu befeuern. Ich bedaure aber sehr, dass das Mandat verloren geht. Das ist ein Problem.

Ausgerechnet in Potsdam, wo die Leute erstmals seit 1990 nicht Rot, sondern CDU gewählt haben.

Für die Union in Potsdam ist das ein herber Schlag. Wir waren so stolz, der vermeintlich „roten“ Landeshauptstadt endlich einmal einen CDU-Stempel aufgedrückt zu haben. Es war auch ein Beleg: Es ist kein Naturgesetz, dass man in Brandenburg hauptsächlich SPD oder noch Die Linke wählt.

Und nun, 58 000 Wählerstimmen, weg.

So ist es, leider. Wie gesagt: Ich bedaure das sehr. Ich hoffe, dass sich Fraktion und Kreisvorstand in Potsdam gut neu strukturieren, um an den Erfolg zumindest anzuknüpfen.

Frau Heinrich, Sie leben in Elsterwerda im tiefen Süden Brandenburgs. Als Ort für dieses Interview haben sie ein Café in Doberlug-Kirchhain gewählt. Gibt es etwas, was sie aus Ihrer Heimat in den Potsdamer Politikbetrieb mitbringen?

Ich nehme jeden Tag ein Stück Demut mit nach Potsdam. Nämlich vor dem, was die Menschen hier leisten, obwohl sie unter schwierigeren Bedingungen leben- weiter weg von Metropolen, der Arbeitsmarkt sich langsamer bewegt, die Quote an neuen Unternehmen und Ansiedlungen geringer ist. Die Leute laufen trotzdem nicht mit geknicktem Kopf herum, sie ackern, damit ihre Region lebenswert bleibt. Gerade weil ich hier lebe, und hier auch alt werden möchte, geht es mir so: In Potsdam vermisse ich diese Bescheidenheit, Bodenständigkeit und Demut schon sehr. Ich glaube, dass im dortigen Politik-Karussell zwischen Landtag und Regierung viel davon untergeht, auch in dieser Leichtigkeit mal schnell Beschlüsse zu fassen und auszublenden, was sie für die Regionen eigentlich bedeuten.

Der Islam und Deutschland

Frau Heinrich, sind Sie womöglich zu naiv, nicht abgebrüht genug für die Berufspolitik?

Mein Verständnis von Politik ist ein anderes. Diese Kaltschnäuzigkeit, die man von Politikern erwartet, trägt nicht immer zum Erfolg bei. Ich habe mir immer vorgenommen, Herrin meiner eigenen Meinung, Gedanken und Überzeugungen zu bleiben. Und das tue ich auch.

Was haben Sie als Generalsekretärin falsch gemacht?

Niemand ist fehlerfrei. Wo man ist, egal was man macht; Es ist mindestens immer einer im Raum, der irgendetwas auch besser kann. Alles andere wäre vermessen. Ich habe mich nie über meine Vorgänger gestellt. Jeder hat seinen Stil, und jeder hat seine Vorstellung, wie ein Generalsekretär sein sollte. Der eine sagt, man muss brachial sein, mit angezogenem Stiefel durch die Lande ziehen und Tritte verteilen. Vielleicht hat sich mancher von mir lautere Töne erhofft. Ich habe gezeigt: Man kann auch moderater sein - und trotzdem erfolgreich. Da bin ich bei mir geblieben. Ich verstelle mich nicht, nur um dem Wähler oder der Partei ein Schauspiel zu bieten. Das habe ich nie gemacht. Ich war vom ersten bis zum letzten Tag ganz Anja Heinrich. Ich denke, die Ergebnisse geben mir Recht.

Sie waren früher Sozialarbeiterin. Denken Sie manchmal darüber nach, die Politik wieder an den Nagel zu hängen?

Das ist nicht spruchreif, ich habe kein Ausstiegszenario. Aber ich hab mir die innere Freiheit gelassen und auch erarbeitet, von Politik nicht abhängig zu sein. Das will ich nicht, das wäre ein Zustand, in dem ich mich nicht mehr wohl fühlen würde, ich wäre nicht mehr Anja Heinrich. Ich halte mich daher auch auf dem Laufenden, was in meinem Beruf passiert, im Sozialen, in der Psychologie. Denn wenn man nichts anderes kann als Politik, dann verhält man sich auch so, wird angepasst. Wenn ich beruflich weiter einen Fuß in der Tür habe, gibt mir das auch innerlich Sicherheit. Dann muss ich nicht immer alles mitragen, nur um den nächsten Status zu erreichen. Es ist wichtig so einen Plan B zu haben.

Verdirbt Politik?

Kann sein, muss nicht. Aber Politik verändert einen selbst, und sie verändert das gesamte Leben, das persönliche, das der Familie. Ich habe zum Glück viele Freunde außerhalb der Politik. Sie halten mir auch mal einen Spiegel vor, sagen mir auch ehrlich, was nicht geht. Es fehlt Zeit, es fehlen Gelegenheiten, Freundschaften zu pflegen. Es kostet Mühe, aber es lohnt sich.

Wie haben Sie sich verändert?

Ich bin ernster geworden.

Was war Ihre größte Genugtuung?

Auf mein Wahlergebnis im Wahlkreis bei der letzten Landtagswahl bin ich stolz. Es ist nicht selbstverständlich, dass man einmal ein Direktmandat schafft und dies einfach wiederholen kann. Man wird beim zweiten Mal auch anders gesehen, anders zur Rechenschaft gezogen, zumal ich noch CDU-Generalsekretärin war. Ich habe trotzdem landesweit das beste CDU-Ergebnis erzielt. Und der Unterschied zu Ministerpräsident Woidke, der sein Mandat mit 44 Prozent gewann, ich mit 41 Prozent, ist minimal. Mich hat es bestärkt in dem, wie ich Politik verstehe und praktiziere.

Was hat Sie am meisten getroffen?

Wenn mich etwas trifft, dann ist es Neid, damit kann ich nicht umgehen. Gegenwind, Kritik, Angriffe auch der Konkurrenz kann ich wegstecken, das ist für mich kein Problem. Man muss sich einen eigenen Schutzmechanismus entwickeln. Das geht.

Voriges Jahr gerieten Sie als Tabubrecherin in die Schlagzeilen, weil sie in die CDU-Kreistagsfraktion in Elbe-Elster einen AfD-Mann aufgenommen haben. Eine Lektion?

Ich würde es wieder tun.

Meinen Sie das im Ernst?

Im Kreistag war die CDU stärkste Kraft. Und es gab einen einzelnen AfD-Abgeordneten, auch noch aus meiner Heimatstadt Elsterwerda, der frei im Orbit schwebte. Ich hielt es für legitim, ihm eine Zusammenarbeit anzubieten, ohne eine Koalition zu schmieden.

Mit Verlaub, Frau Heinrich, die Aufnahme in die CDU-Fraktion ist ja noch gravierender.

Nein, denn die Fraktion heißt CDU, und sie macht ausschließlich CDU-Politik, zu einhundert Prozent.

Es war also politische Sozialarbeit?

Das kann man so sehen, das würde ja auch zu mir passen. Und es hat geklappt. (lacht) Hätte man den Mann in die Ecke gestellt, tabuisiert, zum Aussätzigen erklärt, hätte man ihn und die AfD nur stark gemacht. In der Politik muss man manchmal auch Entscheidungen treffen, die unpopulär, und trotzdem richtig sind.

Sie leben an der Grenze von Brandenburg und Sachsen. Dort haben sich die PEGIDA-Demonstrationen konzentriert, immer auch begleitet von ausländerfeindlichen Parolen. Wie sollte Politik darauf reagieren?

Das treibt mich natürlich um, hier schwappt das ja auch rüber. Ich würde mich nicht mit Organisatoren treffen, aber mit den Demonstranten. Es wäre ein Fehler, das nicht zu tun. Die Heuchelei der SPD, die klare Kante fordert und Parteichef Siegmar Gabriel dann hinfährt, regt mich furchtbar auf. Man hätte in Dresden von Anfang an mit den Menschen sprechen müssen. Ich habe kaum einen gefunden, der mich davon überzeugen wollte, das Abendland zu schützen. Es ging meist um andere Themen, etwa dass sich Leute von der Politik nicht gehört fühlen, dass für sie die Politik vermeintlich nicht sozial ist. Damit muss man sich auseinandersetzen.

Wie finden Sie es, dass Regierungschef Stanislaw Tillich erklärte, der Islam gehört nicht zu Sachsen?

Er hat ja nicht ganz Unrecht. Diese Aussage polarisiert, und sie führt gerade auch deshalb zu Diskussionen und Diskrepanzen. Was uns einen sollte, ist der Respekt und die Toleranz gegenüber den Religionen, dass jeder dazu gehört. Wissen Sie, ich habe auch die Aussage der Bundeskanzlerin als sehr bedenklich empfunden.

Dass der Islam zu Deutschland gehört.

Mir war klar, es wird anders aufgefasst als sie es sagt. Für mich geht es nicht um Zugehörigkeit. An erste Stelle gehört Respekt, egal, welche Religion dabei gelebt wird.

Frau Heinrich, werden Sie vielleicht selbst für den Vorsitz der brandenburgischen CDU kandidieren, wie es mancher an der Basis, mancher in bestimmten Gliederungen wünscht?

Ich nehme das mal als Kompliment. Zum heutigen Tage schließe ich eine Kandidatur allerdings aus. Aber man soll ja niemals nie sagen.

Das Interview führte Thorsten Metzner

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