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Volles Rohr. 1500 Kilometer Glasfaserkabel sollen der lahmen Digi-Ente Brandenburg Beine machen. Dass dies auf die Schnelle gelingt, halten Fachleute für zweifelhaft.

© dpa

Breitbandausbau in Brandenburg: 1500 Kilometer Glasfaserkabel für schnelleres Netz

User in Brandenburg sollen schneller im Internet surfen können: Das Land lässt jetzt Glasfaserkabel verlegen – aber nicht bis vor die Haustür.

Viele Aufträge, mehr Überstunden – das freut Jens Fromm in seiner Firma für Computerservice in Langerwisch bei Michendorf. Doch wenn ihn mal wieder das langsame Internet nervt, wenn er minutenlang warten muss, bis ein neues Anti-Virusprogramm für seine Kunden installiert ist, ärgert ihn das. Überstunden wegen des Schnecken-Netzes? Nein danke. Eine Übertragungsgeschwindigkeit von 6 Mbit pro Sekunde (Mbit/s) steht ihm nur zur Verfügung. Manchmal hat er schon überlegt, mit seiner Firma fortzuziehen. In eine Gegend mit leistungsfähigeren Anschlüssen.

Das will ihm Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) mit seinem Entwicklungskonzept „Brandenburg Glasfaser“ ersparen. Bis 2015/16 soll Brandenburg „flächendeckend verglasfasert“ werden. Dass es derart rasch gelingt, aus einem lahmen Schmalspur-Land einen Breitband-Champion zu machen, bezweifeln aber Kritiker wie etwa der Uckermärker CDU-Bundestagsabgeordnete und Internetexperte seiner Fraktion, Jens Koeppen.

Schnellere Datenübertragung mit Glasfaserkabel

Nach Christoffers Plänen sollen die Telekom und andere Firmen vor allem im ländlichen Raum mehr als 1500 Kilometer Glasfaserkabel verlegen. Diese bieten im Vergleich zu herkömmlichen Kupferleitern oder Funksystemen eine erheblich größere Bandbreite. Es können weitaus mehr Daten pro Sekunde übertragen werden. Ziel des Mammutunternehmens ist ein Datentempo von 50 bis maximal 100 Mbit/s für bis zu 350 000 computermäßig unterversorgte Nutzer. Das ist in Potsdam oder Berlin ein schon nahezu selbstverständlicher Standard. Problemlos kann man damit skypen, Videos streamen, Musikdateien herunterladen, hochaufgelöste Fotos versenden, Strategiespiele nutzen oder Videokonferenzen veranstalten.

Im Nordwesten und Nordosten Brandenburgs hat der Breitbandausbau, kombiniert mit VDSL-Technik, vor sechs Monaten begonnen. In den Regionen Uckermark-Barnim, Oderland-Spree und Oberhavel-Prignitz kam die Telekom nach einer europaweiten Ausschreibung zum Zug. Rund 10 000 Nutzer erhielten bereits in Oberhavel-Prignitz das schnelle Internet. Für die südwestlichen Regionen Havelland-Fläming und Lausitz-Spreewald laufen noch Ausschreibungen. 100 Millionen Euro investiert das Land in das gesamte Vorhaben, es sind überwiegend EU-Gelder zur Wirtschaftsförderung.

Für jeden Dritten ist das Internet in Brandenburg noch eher ein Nadelöhr. Die Verfügbarkeit des Netzes ist allerdings von Ort zu Ort höchst unterschiedlich. Digitaler Frust und Freude liegen eng beieinander. In aufgerüsteten Inseln wie Hennigsdorf oder Hohen Neuendorf macht Surfen seit langer Zeit Spaß, weil sich die Kommunen dort schon früh um gute Anschlüsse und Fördergelder bemühten. In Zehdenick oder Oranienburg sieht es hingegen schlechter aus. „Bisher hing das schnelle Internet von kommunaler Eigeninitiative ab“, sagen Experten. Das jetzige Glasfaserprojekt soll diese digitale Kirchturmpolitik beenden.

Das freut die Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK). Sie zählt die vielen Klagen auf, die noch im Land zu hören sind. Wenn Architekten ihre Entwürfe, Handwerker ihre Angebote nicht rasch digital austauschen oder Mütter nicht im „Home-Office“ arbeiten können, obwohl ihre Firma damit einverstanden wäre.

Unterirdische Rohre, Tausende Verteilerkästen

Wie geht die Telekom technisch vor? Die Glasfaserkabel werden unterirdisch in Rohren verlegt und enden in Tausenden Verteilerkästen in der Nähe von Ansiedlungen oder Straßen. Von dort führen klassische Kupferkabel zu den Nutzern. Aus Sicht von Kritikern sind diese Schnittstellen der Schwachpunkt. Denn die Übertragungsrate von Daten nimmt in Kupfer rapide ab. Einige hundert Meter Länge bringen schon hohe Verluste. In der Stadt sind diese Brückenschläge kurz, in ländlichen Gegenden aber ist es aus Kostengründen kaum möglich, die Glasfasern an alle teils weit auseinanderstehenden Gebäude nah heranzuführen. Ein Kilometer Glasfaserstrecke kostet mehr als 50 000 Euro.

Bei Land und Telekom vermisst der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen „den Willen, dieses Problem zu lösen“. Alternativen wie Richtfunk würden zu wenig erwogen. Dem widerspricht das Wirtschaftsministerium. Man habe das Problem Kupferkabel „im Griff“, heißt es. Der Datenfluss werde im Kupfer abschnittsweise mit neuen Techniken so weitgehend verstärkt, „dass beim Kunden noch mindestens 50 Mbit/s möglich sind. Im Übrigen sei man „voll im Zeitplan“.

Computerexperte Jens Fromm in Langerwisch bleibt misstrauisch. Er hat die Telekom gefragt, ob auch für ihn bald mehr als 6Mbit/s drin seien. Das wurde verneint. Sein Haus sei zu abgelegen.

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