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Berlin: BSE: Die Fleischer bleiben auf ihren Knochen sitzen

Die BSE-Krise bringt nicht nur den Fleischhandel in Not, sondern auch die Entsorgungsindustrie. Schlachtabfälle, die früher ein Wertstoff waren, will heute keiner mehr haben.

Die BSE-Krise bringt nicht nur den Fleischhandel in Not, sondern auch die Entsorgungsindustrie. Schlachtabfälle, die früher ein Wertstoff waren, will heute keiner mehr haben. Das bekamen in dieser Woche auch die Berliner Fleischer zu spüren: Der Entsorger Rohage GmbH ließ die rund 120 Meisterbetriebe wissen, dass er keine Knochen mehr abholen werde, die beim Zerlegen von Schweine- und Rinderhälften anfallen - damit sei kein Geschäft mehr zu machen.

Rohage lässt Knochen zu Tiermehl verarbeiten. Mit der Gesetzesänderung, wonach dieses nicht mehr verfüttert werden darf, werde es "sehr schwierig sie loszuwerden", sagte gestern Rohage-Mitarbeiter Rolf Rehberger. Die Fleischereien befürchteten schon, auf den Abfällen sitzenzubleiben. Nun habe sich der Tiermehlproduzent Saria Bio-Industries, der mit einer Niederlassung im brandenburgischen Genthin sitzt, bereit erklärt, die Knochen anzunehmen, sagte der Chef der Fleischerinnung Uwe Bünger. Allerdings sei in der Branche nun von Preisen um die 100 Mark für jede abgeholte 240-Liter-Tonne Knochen die Rede, 20 Mark seien bislang üblich gewesen. Weil auch auf die Schlachthöfe zusätzliche Kosten zukämen, werde das Fleisch bald "deutlich teurer", prognostizierte Bünger.

"Seit anderthalb Tagen bin ich nur am herumtelefonieren", sagte der Pankower Fleischermeister Dietmar Schlag. Am Dienstag habe er auf den Lieferwagen der Rohage GmbH gewartet. "Am Mittwoch kam ein Schrieb, in dem stand, dass sie nicht mehr abholen". Etwa 300 Kilo Knochen, Schwarte, Fett und Sehnen fallen bei Schlag pro Woche an Abfall an - von Schwein und Rind. Das macht aber keinen Unterschied: Mehl wird aus den Resten beider Tiere gewonnen. Auch Schlag befürchtet höhere Kosten. Dabei sei der Umsatz seines 15-Mann-Betriebs in der vergangenen Woche bereits um "ein gutes Drittel bis um die Hälfte" zurückgegangen.

Das Tiermehlverbot trifft auch die Schlachtereien. Bis zu 400 Prozent höhere Entsorgungspreise für Innereien, Borsten und Schwarten kämen auf sie zu, sagte Kai Neumann vom Fleischhandelszentrum Templin in Brandenburg, eine Schlachterei, die ihre Abfälle ebenfalls an die Saria Bio-Industries abgibt. Knochen seien bislang umsonst abgenommen worden. Seit vergangenen Montag müsse die Firma für 1000 Kilo Knochenabfall 550 Mark berappen.

"Aus Tiermehl wurde schlagartig Abfall", sagte Saria-Sprecher Claus Michael Andreas. Zwölf Anlagen betreibt das Unternehmen in Deutschland. Für das Land Berlin ist es öffentlich bestellter Tierkörperbeseitiger. Während Saria das Fett und das Mehl, das aus Tierresten gewonnen wird, bislang an Futtermittelproduzenten und an die Chemieindustrie verkaufen konnte, sei nun ein ganzes Geschäftsfeld weggebrochen. Bei Saria "brennt die Luft", sagte Andreas. Man suche nun fieberhaft nach Lagerhallen für das Tiermehl und nach Verbrennungsöfen, in dem es vernichtet werden könne. Andreas: "Wir machen derzeit 500.000 Mark Verlust pro Tag."

Tobias Arbinger

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