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Immer schön sauber bleiben. Vera Gäde-Butzlaff ist Vorstandsvorsitzende der BSR und damit Chefin von mehr als 5300 Mitarbeitern.

© Thilo Rückeis

BSR-Chefin Vera Gäse-Butzlaff: „Die BSR gehört zu den 50 besten Arbeitgebern in Deutschland“

Seit mehr als elf Jahren steht Vera Gäde-Butzlaff an der Spitze der BSR. Zum Jahresende hört sie auf. Im Interview spricht sie über die Aufgaben eines öffentlichen Unternehmens und die Flughafenbaustelle BER.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Frau Gäde-Butzlaff, die Rekommunalisierung des Gas- und Stromnetzes ist in Berlin umstritten. Sie leiten seit langem ein erfolgreiches kommunales Unternehmen. Was bedeutet für Sie denn öffentliche Daseinsvorsorge?
Für mich geht es dabei um Dienstleistungen in einer Stadt, ohne die ein sicheres und geordnetes Zusammenleben nicht möglich wäre. Die Berliner Stadtreinigung beispielsweise bietet als öffentliches Unternehmen solche Leistungen an: Ohne jederzeit gesicherte Abfallentsorgung oder Straßenreinigung kann keine Stadt ordentlich funktionieren. Dabei dürfen Renditegesichtspunkte nicht allein maßgebend sein. Hier geht es um Stadthygiene und den verantwortungsvollen Umgang mit unserer Umwelt, also klassische Daseinsvorsorge.

Was muss die öffentliche Hand erledigen, was geht privat – gibt es dafür keine allgemeingültigen Kriterien?
Das ist im Prinzip eine gesellschaftliche Entscheidung. Entsprechend ändern sich mit der Zeit die Einstellungen dazu. Berlin bietet dafür genug Anschauungsunterricht. Allgemein gesprochen aber sind die Aufgaben von Ver- und Entsorgung, von Wohnraumbeschaffung oder Sportstättenangebot eher als kommunale Aufgaben zu betrachten, da sie auch unter sozialen Gesichtspunkten nicht in die völlige Abhängigkeit von privaten Gewinnerzielungsabsichten geraten dürfen.

Wie stellt man bei öffentlichen Unternehmen wirtschaftliches Handeln sicher?
Durch den klaren Willen des öffentlichen Eigentümers, eine durchdachte Strategie, einen verantwortlichen Vorstand und einen die Strategie führenden und kontrollierenden Aufsichtsrat. Als Maßstab hat man den – auch privaten – Wettbewerb, wo sich etwa im Gebührenvergleich zeigt, ob wirtschaftlich gearbeitet wird. Berlin kann sich da mit seiner BSR sehen lassen. Wir haben bei der Abfallentsorgung wie auch der Reinigung bundesweit den Spitzenplatz. Alle im Unternehmen wissen, dass der öffentliche Auftrag langfristig nur so zu sichern ist.

Der wirtschaftliche Wettbewerb – was hat die BSR damit zu tun?
Die BSR hat zwar ein Monopol, aber private Wettbewerber versuchen natürlich immer wieder, bestimmte, uns zugewiesene Aufgaben zu übernehmen. Denken Sie nur an den Streit um die Kunststoffabfälle in Berlin. Dass wir unseren Teil verteidigen konnten und nun eine gemeinsame Tonne mit Alba haben, ist maßgeblich darin begründet, dass das Argument, kommunale Betriebe seien teuer und ineffizient, bei der BSR keine Grundlage hatte. Wo aber kein Konkurrenzdruck wirtschaftliches Handeln fördert, muss der Eigentümer klare Vorgaben machen. So hat die BSR mit dem Land Berlin schon 2000 eine Zielvereinbarung getroffen. Darin haben wir uns verpflichtet, bis 2015 durch fünf dreijährige Effizienzsteigerungsperioden wettbewerbsfähig zu werden. Dieses Ziel ist bereits erreicht. Eine weitere Voraussetzung ist natürlich, dass das operative Geschäft nicht unter politischen Einzelfallentscheidungen leidet.

Nennen Sie doch bitte ein Beispiel!
Seit elfeinhalb Jahren, solange ich dabei bin, gibt es glücklicherweise kein Beispiel, bei dem Vorstand und Aufsichtsrat der BSR dies zugelassen haben. Unsere Aufgaben und Zuständigkeiten sind auch eindeutig im Berliner Betriebegesetz geregelt. Trotzdem gibt immer wieder Begehrlichkeiten, teilweise durchaus nachvollziehbar, wie etwa bei unserem Grundstück Holzmarktstraße. Da gab es den Wunsch von politischer Seite, dass die Betreiber der „Bar 25“ das BSR-Grundstück zum Vorzugspreis bekommen sollten. Wir haben dem widersprochen, denn es ging um die Immobilie eines kommunalen Unternehmens, das entsprechend den rechtlichen Vorgaben an den meistbietenden Bewerber verkauft werden musste. Im Betriebegesetz ist das so geregelt. Dort steht übrigens auch, dass der Vorstand das Unternehmen in eigener Verantwortung zu führen hat. Politische Anweisungen sind – gerade wegen der Erfahrungen der Vergangenheit – nicht vorgesehen.

Beim Flughafen BER wurde dem Regierenden Bürgermeister vorgeworfen, sich zu wenig in die Geschäfte eingemischt und die Kontrolle vernachlässigt zu haben.
Klaus Wowereit wurde sogar vorgeworfen, in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender nicht oft genug auf der Baustelle gewesen zu sein. Auf einer Baustelle hat der Aufsichtsrat aber nichts zu suchen, von Besichtigungsterminen mal abgesehen. Bei der öffentlichen Kontrolle eines Unternehmens geht es nicht darum, selber das operative Geschäft zu leiten, sondern vielmehr um die Frage, werden vom Vorstand die Vorgaben der – in diesem Fall öffentlichen – Eigentümer eingehalten und die Regeln guter Unternehmensführung beachtet? Wenn uns aus der Politik zugerufen würde: Baut noch eine Anlage für den Biomüll, obwohl wir die erforderlichen Mengen gar nicht haben, dann müsste ich als Vorstand sagen: Das mache ich nicht.

"Wir arbeiten knallhart wirtschaftlich"

Sympathieträger. 1999 startete die BSR ihre Imagekampagne.
Sympathieträger. 1999 startete die BSR ihre Imagekampagne.

© Promo

Sie sind nicht an Weisungen des Eigentümers gebunden?
Nein, denn die BSR ist eine Anstalt öffentlichen Rechts, bei der im Betriebegesetz die eigenverantwortliche Führung des operativen Geschäfts durch den Vorstand geregelt ist. Der Aufsichtsrat hat die Kontrollfunktion, bei der er selbstverständlich auch an die gesetzlichen Vorgaben zu den Aufgaben des Unternehmens gebunden ist.

Wenn der Finanzsenator und BSR-Aufsichtsratschef Ulrich Nußbaum Ihnen sagen würde, mir geht es bei der Stadtreinigung nur um eine möglichst hohe Rendite, alles andere interessiert nicht, was würden Sie dann tun?
So etwas habe ich nicht erlebt, seitdem ich die BSR führe. Im Übrigen werden über 90 Prozent unseres Geschäfts über Gebühren finanziert, da gilt das Kostendeckungsprinzip. Eventuelle Überschüsse müssen dem Gebührenzahler zurückgegeben werden. Beim gewerblichen Geschäft sind wir ohnehin renditeorientiert. Hier können wir einer solchen Vorgabe entsprechen, aber es gilt ja generell: Es ist eine gemeinsame Aufgabe von Aufsichtsrat und Vorstand, einvernehmlich eine Unternehmensstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Wenn das nicht möglich ist, muss man sich trennen.

Und wenn es funktioniert?
Dann ist es der Weg zum Erfolg. Bei der BSR haben wir schon vor vielen Jahren eine Strategie entwickelt, die nach wie vor gültig ist. Wir wollen wirtschaftlich arbeiten und im Vergleich mit anderen Großstädten niedrige Gebühren anbieten. Unser drittes Standbein ist die Ökologie und eine soziale Unternehmenspolitik. Wir zahlen gute tarifliche Löhne, trotz einer konsequenten Sparpolitik.

Die BSR hatte früher einen ziemlich schlechten Ruf.
In den achtziger Jahren, so hörte ich, war der Personalratschef der BSR bekannter als die Direktoren des Eigenbetriebs BSR. Früher spielte wirtschaftliches Handeln eher keine Rolle. Und ein Mitarbeiter aus dem Osten Berlins erzählte mir, dass er nach der Wende schockiert war. Er kam aus dem real existierenden Sozialismus und erlebte dann ähnliche sozialistische Verhältnisse bei der BSR.

Wann änderte sich das? Und wie kam es dazu?
Die Umkehr kam mit der Privatisierungswelle in Berlin, die in den neunziger Jahren auf alle Berliner Landesunternehmen Druck ausübte. Die Geschäftsführung und die Arbeitnehmer der Stadtreinigung reagierten so, dass man sie heute noch dafür loben muss. Sie wiesen nach, dass der geplante Erlös aus dem Verkauf der BSR vom Unternehmen aus eigener Kraft erwirtschaftet werden konnte. Die Stadtreinigung hat sich quasi selbst gekauft, über eine Ausschüttung von Eigenkapital und der Auszahlung der Eigenkapitalverzinsung für 15 Jahre im Voraus. Die Effizienz des Unternehmens wurde und wird in fünf Schritten dramatisch erhöht. Die fünfte Runde läuft gerade. Wir arbeiten knallhart wirtschaftlich und haben in den letzten zwei Jahren viele Preise gewonnen. Als einziges großes Berliner Unternehmen gehört die BSR zu den 50 besten Arbeitgebern in Deutschland.

Da wundern Sie sich, dass viel darüber spekuliert wurde, warum Sie zum Jahresende die tolle BSR verlassen?
Ich wundere mich mehr darüber, dass trotz meiner schlüssigen Begründung dieses Schrittes immer wieder versucht wird, einen Zusammenhang mit unserem Aufsichtsratsvorsitzenden herzustellen. Wir hatten und haben eine professionelle Zusammenarbeit. Wie ich schon im Dezember letzten Jahres sagte, bin ich seit nunmehr über elf Jahren mit Herzblut und großem Einsatz bei der BSR. Ich bin stolz auf das, was wir alle gemeinsam in dieser Zeit erreicht haben, und damit meine ich wirklich alle Kolleginnen und Kollegen und auch den Aufsichtsrat, ohne dessen Unterstützung diese Entwicklung nicht möglich gewesen wäre. Wenn ich Ende dieses Jahres gehe, also mehr als ein Jahr nachdem ich die Entscheidung getroffen habe, hinterlasse ich ein gut aufgestelltes Unternehmen. Und ich selbst möchte mit dann 60 Jahren eine neue Lebensphase beginnen.

Was dann?
Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Nicht weil das ein Geheimnis ist, sondern weil ich es für mich noch nicht entschieden habe.

Das Gespräch führte Ulrich Zawatka-Gerlach.

Daten und Fakten zur BSR

UNTERNEHMEN

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) hat rund 5300 Mitarbeiter. Die drei wesentlichen Bereiche des Unternehmens sind die Müllabfuhr, die Straßen- und Gehwegreinigung sowie die Abfallverwertung. Der Vorstand des Unternehmens besteht aus der Vorsitzenden Vera Gäde-Butzlaff, Michael Theis (Finanzen) und Martin Urban (Personal). Als Kontrollgremium gibt es einen Aufsichtsrat, an dessen Spitze Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD) steht.

IMAGAGEKAMPAGNE

1999 startete die BSR eine Kampagne, um ihr Image aufzupeppen. „We kehr for you“ wurde ein Erfolg; die großflächigen orangefarbenen Plakate mit den coolen Typen und witzigen Sprüchen verschafften dem Unternehmen nachhaltig viele Sympathiepunkte. Zurzeit läuft eine Kampagne „Eimer ist immer für Sie da“, um auf die vielen Mülleimer in der Stadt aufmerksam zu machen. Außerdem beteiligt sich die BSR an der Aktion „Berlin tüt was“: Am 20. September soll auf dem Flughafengelände Tempelhof eine neun Kilometer lange Kette mit gebrauchten Plastiktüten gebildet werden. Informationen dazu gibt es im Internet unter www.berlintuetwas.de. (sik)

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