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Der Blick aufs Ganze. Bert Neumann hat mit seinen Bühnenbauten das Bild vom Theater verändert.

© Lenore Blievernicht/LSD

Bühnenbildner der Volksbühne Berlin: Bert Neumann ist tot

Jahrzehntelang war er der kreative Partner von Volksbühnen-Intendant Frank Castorf. Seine Entwürfe für die Bühne revolutionierten die Theaterwelt. Jetzt ist Bert Neumann überraschend gestorben.

Er war der Meister der bewohnbaren Bühnenbilder. In Bert Neumanns Theater-Küchen kochten die Schauspieler Spaghetti und brieten Spiegeleier. In seinen Badezimmern wurde mitten auf der Bühne ausgiebig geduscht. Neumann revolutionierte mit seinen Schöpfungen die Theaterwelt. Am Donnerstag starb er überraschend im Alter von 54 Jahren, wie am Freitag die Berliner Volksbühne bestätigte.

Jahrzehntelang war er der kongeniale Bühnendesigner des Volksbühnen-Intendaten Frank Castorf. Neumann arbeitete aber auch mit Regisseuren wie René Pollesch, Leander Haußmann und Johan Simons zusammen. Mit teils mehrstöckigen Wohncontainern entwarf Neumann bewegliche Stadtlandschaften. Den Theaterzuschauern gewährte er so geschickt Einblicke in fremde Schlafzimmer und Wohnstuben. „Mir gefällt es, wenn sich die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum auflöst“, sagte der mit zahlreichen Auszeichnungen bedachte Neumann einmal.

Zu den Höhepunkten in Neumanns Schaffen gehörte die „Neustadt“, die er für Castorfs Dostojewski-Inszenierung „Der Idiot“ baute. Das Publikum saß im Hotel „Romantic World“ mitten auf der Drehbühne. Rundherum war eine Stadt mit komplett eingerichteten Wohnhäusern, Supermarkt, Bordell, Friseur und Kneipe aufgebaut.

Das Leben hinter den Fassaden und Türen von Neumanns berühmten Bungalows ließ sich oft nur per Videoübertragung mitverfolgen - zum Beispiel in Castorfs bis zu sechsstündigen Dostojewski-Adaptionen „Die Dämonen“ und „Erniedrigte und Beleidigte“. Manchmal gab es sozusagen Video im Video: bei Castorfs Inszenierung von Ibsens „Baumeister Solness“ flimmerte in Neumanns Wohnkulisse mit unzähligen Türen und Schubladen unentwegt eine TV-Krankenhaus-Serie über einen Mini-Bildschirm.

Bühnenbild von Bert Neumann für "Der Meister und Margarita" von Michail Bulgakow an der Berliner Volksbühne 2002
Bühnenbild von Bert Neumann für "Der Meister und Margarita" von Michail Bulgakow an der Berliner Volksbühne 2002

© dpa/Claudia Esch-Kenkel

Im Berliner Prater ließ Neumann leicht verändert das Londoner Globe Theatre nachbauen. Dort bot er den in einer geschlossenen Arena über drei Etagen verteilten Zuschauern einen ungewohnten Blick auf die Shakespeares „Rosenkriege 1-8“. Für Polleschs „Prater-Trilogie“ entwarf er eine Zimmerflucht inklusive Porno-Filmset.

Neumann wurde in Magdeburg geboren. Er wuchs in Ost-Berlin auf. Nach einem Bühnenbildstudium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee arbeitete er am Hans-Otto-Theater in Potsdam. 1990 war er Mitbegründer des Grafikbüros LSD in Berlin. Seit 1988 arbeiteten Neumann und Castorf zusammen.

Für seine Arbeit wurde Neumann unter anderem mit der Joseph-Kainz-Medaille der Stadt Wien und dem Theaterpreis Berlin ausgezeichnet. Mehrfach wurde er in der Kritikerumfrage der Fachzeitschrift „Theater heute“ zum Bühnenbildner des Jahres gekürt. Noch im April erhielt er für seine „stets neuen, radikalen Bühnenerfindungen“ den Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis. (dpa)

Ein Interview mit Bert Neumann vom April lesen Sie hier.

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