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Bürgerbegehren: Glaubensfreiheit geht vor Volksempfinden

In deutschen Städten, auch in Berlin, waren Bürgerbegehren gegen Moscheen juristisch chancenlos.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass eine Volksabstimmung gegen den Bau einer Moschee oder eines Minaretts in Berlin – oder in anderen deutschen Städten – erfolgreich sein könnte. Nach dem erfolgreichen Plebiszit in der Schweiz für das Verbot neuer Gebetstürme gibt es zwar Befürchtungen, dass Volksbegehren auf Landesebene oder Bürgerbegehren auf bezirklicher Ebene gegen den Bau weiterer muslimischer Gotteshäuser auch hierzulande neuen Schwung bekommen könnten. Aber bisher blieben sämtliche Abstimmungen dieser Art erfolglos.

In Berlin gilt das für zwei Bürgerbegehren gegen den Moscheebau im Ortsteil Heinersdorf (Pankow) durch die Ahmadiyya-Gemeinde. In beiden Fällen erklärte das Bezirksamt die Begehren für unzulässig. Die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit werde verletzt, lautete die erste Begründung. Im zweiten Anlauf scheiterte die Initiative „Heinersdorfer Bürger“ an einer anderen juristischen Hürde. Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Bezirks, einem privaten Bauherrn von einem rechtlich zulässigen Bauvorhaben abzuraten. Jeder Bauherr, der sich an die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften halte, so steht es im Bezirksamtsbeschluss vom September 2006, „hat einen einklagbaren Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung“.

In Dortmund bemühte sich eine „Freie Bürgerinitiative“ im letzten Jahr darum, ein 15 Meter und ein 24 Meter hohes Minarett zu verhindern. Die Bauten seien „zur Ausübung der Religionsfreiheit nicht notwendig“, wurde das Bürgerbegehren begründet. Ein Minarett sei nur ein „islamisches Herrschaftssymbol“. Der Dortmunder Stadtrat sah das anders. Das Begehren sei unzulässig. Mit der Genehmigung der Minarette setze die Stadt geltendes Baurecht um. In den betreffenden Wohngebieten seien kirchliche Bauten gleich welcher Religion zugelassen.

In Gelsenkirchen konnte die rechtsextreme Vereinigung „Pro Gelsenkirchen“ im Juni 2008 zwar eine Unterschriftensammlung gegen den Neubau einer Moschee starten, aber das westfälische Amt für Denkmalpflege sah nach Prüfung der Pläne nur eine „geringfügige Beeinträchtigung“ der denkmalgeschützten Bergbausiedlung, in der die Moschee gebaut werden sollte. Die Stadtverwaltung erteilte daraufhin die Baugenehmigung.

Die ebenfalls stark rechtslastige Initiative „Pro Köln“ wollte schon 2006 in Köln-Porz eine Moschee mit Kuppel und Minarett verhindern. Dies wurde ebenfalls damit begründet, dass ein solcher Bau städtebaulich nicht in das Gebiet passe. Außerdem gebe es dann jeden Freitag Verkehrsprobleme und die neue Moschee werde die „islamische Parallelgesellschaft“ verfestigen. Die Unterschriftensammlung verlief aber genauso im Sande wie ein Jahr später eine ähnliche Initiative gegen einen Moscheebau in Köln-Ehrenfeld. Das Begehren wäre ohnehin unzulässig gewesen, denn es griff in die örtliche Bauleitplanung ein. Das ist dort aber grundsätzlich nicht erlaubt.

In Berlin ist es nicht viel anders. Bezirkliche Bürgerbegehren zu „bestimmten Fragen der Bauleitplanung“ sind nur dann zulässig, wenn sie empfehlenden Charakter haben, also rechtlich unverbindlich bleiben. Innensenator Erhart Körting (SPD) weist außerdem darauf hin, dass das Grundgesetz „neben der Religionsfreiheit ausdrücklich auch die Religionsausübungsfreiheit schützt“. Demnach dürfe man seine Religion nach außen zeigen und Gotteshäuser bauen, „egal ob Kirchen, Moscheen oder Synagogen“. Eine Volksabstimmung, die dies verhindern wolle, verstoße gegen Grundgesetz und Länderverfassungen und sei deshalb unzulässig, so Körting.

Der bundesweit agierende Verein „Mehr Demokratie“ urteilt weniger eindeutig. Volksentscheide, die die Religionsfreiheit beschneiden, seien „rechtlich problematisch“, urteilt Anne Dänner, Sprecherin des Vereins in Berlin. Einschlägige Gerichtsurteile zur Religionsausübungsfreiheit eröffnen ebenfalls Ermessensspielräume.

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