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Nostalgiker aus Überzeugung. Wenn es um die Gaslaternen in seinem Kiez geht, wird Christian Mey vom Bürgerverein Gartenstadt Frohnau zum Kämpfer.

© Paul Zinken

Bürgerbewegung in Frohnau: Kampf gegen die Abschaffung der Gaslaternen

Berlin schafft die Gasleuchten ab. Eine Frohnauer Initiative widersetzt sich: Sie will die Lampen retten.

Charme und Wärme verströmen die Laternen jede Nacht in Frohnau und verleihen dem Stadtteil seine ganz eigene Atmosphäre, findet Christian Mey. Er steht in der Abenddämmerung an der Zeltlinger Straße und deutet auf die Gasleuchten, die den Straßenzug seit den fünfziger Jahren in warmes Licht tauchen. Der Senat plant, sie, wie alle anderen in Berlin, durch elektrische Leuchten zu ersetzen. „Dann würde das Ursprüngliche verloren gehen“, sagt Mey besorgt. Als Sprecher des „Berliner Bürgervereins in der Gartenstadt Frohnau“ engagiert er sich für das Erhalten der Lampen.

Für den Senat sind die 44 000 Gasleuchten in Berlin in erster Linie Energiefresser. Als erste sind 8400 Gas-Reihenleuchten im Stil der Zeltlinger Straße dran; ihnen wird das Licht ausgeknipst. Schon jetzt werden es monatlich weniger. Seit Ende vergangenen Jahres lässt der Senat sie nach und nach durch elektrische Leuchten ersetzen. Für Mey ist die Umrüstung „Zerstörung von Kulturgut“. Lange blickt er in das gelb-goldene Licht, das die sechsflammige Leuchte ausstrahlt. „Gaslicht schafft eine warme, beruhigende Atmosphäre und blendet nicht, wenn man hineinschaut.“

Bei der Umrüstung der Gaslampen geht es nicht um Flair, sondern um Geld. Viel Geld. „Für die öffentliche Beleuchtung in Berlin werden zurzeit 23 Millionen Euro im Jahr für Energiekosten aufgewendet, je zur Hälfte für Strom und für Gas“, sagte Mathias Gille, der Pressesprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Allerdings: 180 000 Leuchten werden elektrisch betrieben, 44 000 mit Gas. „Die Gasbeleuchtung ist also viermal so teuer wie die elektrisch betriebene“, erklärt Gille. Das sei aus wirtschaftlicher Sicht nicht zu rechtfertigen. Um die 8400 Reihenleuchten umzurüsten, sind 29,5 Millionen Euro veranschlagt. Durch die Modernisierungsmaßnahmen erhofft sich der Senat, jedes Jahr 2,5 Millionen Euro an Energiekosten einzusparen. Außerdem rechnet er mit geringeren Betriebskosten, weil Elektrolaternen günstiger gewartet werden können und weniger störanfällig sind.

Christian Mey hält andere Argumente für wichtiger und die Berechnungen des Senats für geschönt. „Die Gas-Reihenleuchte ist ein typisches Element des Stadtbildes im westlichen Berlin der Nachkriegsgeschichte“, sagt er. In Frohnau gebe es „das weltweit größte zusammenhängende gasbeleuchtete Gebiet“. Berlin ist die Heimatstadt der Reihenleuchten, die in den Fünfzigern entwickelt wurden. „Berlin ist klamm, das Geld für die Umrüstung wäre an anderer Stelle besser aufgehoben.“ Ein Großteil der Gasleuchten in Frohnau sei erst vor fünf Jahren modernisiert worden. Deshalb wirbt er mit dem Bürgerverein für deren Erhaltung und organisiert Informationsveranstaltungen. Bislang beteiligen sich 500 Frohnauer an einer Unterschriftenaktion. Auch der „Förderverein Gaslicht-Kultur e.V.“ setzt sich in Berlin dafür ein, dass der Gaslampe noch kein Licht ausgeht. „Gaslicht hat die höchste Farbwiedergabe überhaupt“, sagte der Vereinsvorsitzende Bertold Kujath. Es verschönere das Stadtbild und sei umweltfreundlicher.

Der Senat argumentiert, moderne LED-Technik könne die Lichtfarbe von Gas sehr gut kopieren. „Optisch ist kaum ein Unterschied feststellbar“, sagte Mathias Gille. Kujath widerspricht: Elektrolicht, das wie Gaslicht aussieht, gibt es nicht. „In viele der bislang umgerüsteten Laternen sind außerdem keine modernen LED-Leuchten eingesetzt worden, sondern veraltete Leuchtstoffröhren, die Quecksilber enthalten.“ Kujath plädiert für einen Kompromiss: „Zumindest die Gaslampen in denkmalgeschützten Bereichen wie etwa in der Gartenstadt Frohnau und im Weltkulturerbe Weiße Stadt sollten erhalten bleiben.“ Nach dem aktuellen Lichtkonzept sollen bis zum Jahr 2020 alle 44 000 Gaslaternen aus dem Stadtbild verschwunden sein.

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