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© Thilo Rückeis

Bürgerinitiativen: Auf der Bugwelle von "Mediaspree versenken"

Seit dem Bürgerentscheid bekommt die „ Initiative Mediaspree versenken“ immer mehr Mitstreiter. Andere Initiativen suchen Rat. Ab dem 24. September wird es Ernst für die Protestler um Carsten Joost.

Er ist das neue Vorbild der linken Protestkultur Berlins. Mit seiner Initiative „Mediaspree versenken“ hat Carsten Joost den Bürgerentscheid gegen die geplante Bebauung der Spreeufer auf den Weg gebracht. Er und seine Mitstreiter verstehen es, Aufmerksamkeit zu erregen. Mal standen sie als Ärzte verkleidet vor dem Rathaus, um dem Bezirk eine „Nothilfe“ zu verabreichen. Dann besetzten sie mit Schlauchbooten die Spree. Zuletzt organisierte die Initiative eine Demonstration mit 1000 Teilnehmern während der Eröffnungszeremonie der O2-World vor einer Woche.

Dienstagmittag, eine neue Aktion. Der Erfolg ihrer Proteste macht die Versenker offenbar anziehend. Joost hat sich am Spreeufer vor dem Allianzturm aufgebaut. Seine Haare zeigen in alle Richtungen. Er steckt sich eine Zigarette an, sein Mund ist eingerahmt von einem Drei-Tage-Bart. Neben dem 43-Jährigen steht Harald Moritz, grauer Schnauzer, akkurates Jacket. Moritz gehört zu der Bürgerinitiative Stadtring Süd (Biss), die den bis 2016 geplanten Autobahnausbau verhindern will. Zusammen mit Joost übergibt er hier einen symbolischen Scheck über 26 Millionen Euro. Das ist in etwa der Betrag, den der Senat in das 420 Millionen Euro teure A100-Projekt investiert. Der Ausbau mache wegen der Feinstaubbelastung und der hohen Benzinkosten keinen Sinn, meint Moritz. Joost setzt noch einen drauf: „Es geht um das größte Bausündenprojekt, das uns bevorsteht.“

Deshalb kündigen Joost und Moritz an, künftig enger zusammenarbeiten zu wollen. „Wir prüfen, ob gegen die A 100 ein Volksbegehren sinnvoll ist“, sagt Joost. Außerdem wolle der gelernte Architekt die Biss auf das Planfeststellungsverfahren für den Bau vorbereiten. In Joosts Rücken erheben sich die Molecule Men über der Spree. Von der gegenüberliegenden Seite weht leise der Baulärm vom Labels II-Neubau im Osthafen herüber.

Bei Joost klingelt in letzter Zeit oft das Telefon. Auch andere Initiativen hätten um Rat gefragt, sagt er. Auch bei der gestrigen Aktion sind eine Menge neue Gesichter zu sehen. So wie das von Tobias Trommer. Er war zuerst bei Biss aktiv, nun auch bei „Mediaspree versenken“. Von denen könnten andere noch lernen, findet er. „Etwa wie man hoch technische und komplizierte Sachen auf den Punkt bringt.“

Die Initiative „Mediaspree versenken“ hatte im Juli 30 000 Friedrichshain-Kreuzberger dazu gebracht, sich gegen die geplante Bebauung der Spreeufer auszusprechen. Ein Erfolg, der den Aktivisten von unterschiedlichen Seiten Lob einbringt. „Sie haben eine Diskussion angestoßen, inwieweit noch mehr an den Ufern erreicht werden kann“, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne).

Selbst Christian Meyer vom Regionalmanagement Mediaspree, Vertreter von 21 Investoren und gewissermaßen Joosts Gegenspieler im Streit um Baumassen und Abstand der Neubauten, zollt Respekt. „Der Spreeraum ist jetzt mehr in der Öffentlichkeit. Das ist Werbung für diesen Raum.“ Und Werbung für die Initiative. Der Bürgerentscheid habe ihr zehn neue Mitglieder gebracht, sagt Joost. Zum harten Kern zählt er derzeit 30 Leute. Doch der Zulauf bringt auch Probleme mit sich. „Joost hat sich nicht genug von der gewaltbereiten Szene distanziert“, findet Meyer. Ein Beleg sind für ihn vereinzelte Krawalle bei der Eröffnung der O2-World.

„Man weiß nicht, was deren Minimalkonsens ist“, sagt Andy Hehmke, BVV-Fraktionsvorsitzender der SPD angesichts der verschiedenen Strömungen. Manche wollten wohl vom Südflügel des Künstlerhauses Bethanien die globalisierte, kapitalistische Welt verändern, sagt er ironisch.

Ab dem 24. September wird es Ernst für Joost und seine Mitstreiter. Dann soll die Bezirksverordnetenversammlung einen Ausschuss Spreeraum beschließen, dem auch Mitglieder der Initiative angehören werden. Gremienarbeit statt Aktivismus. „Das stellt hohe Anforderungen an sie “, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der die Protestler unterstützt. „Wir haben den Bürgerentscheid umzusetzen, außer da, wo das Baurecht erdrückend ist“, sagt Joost.

Matthias Jekosch

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