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Moabiter Millionengrab. Seit dem Auszug des Innenministeriums stehen viele Flächen in dem Gebäude leer.

© Thilo Rückeis

Bürohaus "Spreebogen" in Berlin-Moabit: 17,5 Millionen Euro Miete, fällig bei Auszug

Wurde gemauschelt, als der Bund den Sitz des Innenministers mietete? Die Behörde steckt im Mietvertrag fest und stellt Strafanzeige.

Mietverhältnisse haben so ihre Tücken, vor allem, wenn einer sie beenden will: Dann wird über den Zustand der Immobilie bei der Übergabe und über die Zuständigkeit für Schönheitsreparaturen gestritten – ärgerlich, aber lösbar. Dass ein Vertrag aber so gestrickt ist, dass nach Auszug zwei weitere Jahre lang noch die volle Miete fällig ist, das dürfte wohl einmalig sein. Ausgerechnet Rechtsexperten des Bundes sollen ein Vertragswerk mit einer so ungünstigen Klausel unterzeichnet haben. Und das ist Stoff für eine Posse und ärgert den Steuerzahler.

Gestritten wird über den früheren Dienstsitz von Thomas De Maizière in Moabit, dem Bürohaus „Spreebogen“. Und der Fall beschäftigt nun auch die Berliner Justiz. Dort ging eine Strafanzeige gegen Unbekannt ein – verfasst vom Bundesinnenministerium selbst, „um zu klären, ob vor Abschluss des Vertrages Absprachen zum Nachteil für die Bundesrepublik Deutschland getroffen worden sind“, sagte ein Sprecher de Maizières. Dass dieser Verdacht besteht, wird in einer mehr als 50 Seiten starken Strafanzeige dargelegt. Neben der dubiosen Klausel wird darin so ziemlich jede Auffälligkeit rund um den millionenschweren Mietvertrag angegriffen: Die Mietentscheidung selbst, die Höhe der Miete – und eben die verdächtige Klausel.

Verträge geben keine Unterbringung von Flüchtlingen her

570.000 Euro Miete im Monat plus 160.000 Euro Betriebskosten, so viel zahlte das Bundesministerium des Inneren für das Bürohaus. Sollte die Klausel im gerade auslaufenden Vertrag Bestand haben, müsste der Steuerzahler 17,5 Millionen Euro bezahlen, obwohl der Bund raus ist aus dem Haus. Aber: So steht es im Mietvertrag, wo der Betrag als „Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile“ des Vermieters bezeichnet wird. Denn eigentlich, auch das steht im Vertrag, endet das Mietverhältnis erst am 30. Juni 2029.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte den Eingang der Strafanzeige. Ob der „Anfangsverdacht“ ausreicht, um Ermittlungen auszulösen, werde zurzeit noch geprüft. Dass die Strafverfolgungsbehörde den Juristen des Bundesinnenministerium einen Korb gehen, damit rechnet kaum jemand. Kommt es aber zu Ermittlungen, so könnten auch Spitzenpolitiker ins Visier der Fahnder geraten wie Klaus Töpfer (CDU). Denn dieser hatte sich in der Vergangenheit wiederholt für die Anmietung des Gebäudes vom früheren Lebensmittel-Multi Ernst Freiberger („Alberto“-Tiefkühl-Pizza) ausgesprochen – trotz heftiger Widerstände und Ablehnender Voten zum Vertrag von SPD, Grünen und Linken im Parlament.

Begründet war der Bau mit niedrigen Kosten

Und die Kritik war begründet, jedenfalls nach Auffassung des Bundesrechnungshofes. In einem Bericht, der Mitte der 2000er Jahre öffentlich wurde, hatte die Aufsichtsbehörde selbst den Bund dazu aufgefordert, den Verantwortlichen für die umstrittene Mietentscheidung herauszufinden, nicht zuletzt um Schadensersatzforderung geltend machen zu können. Erst jetzt, mehr als ein Jahrzehnt nach Erscheinen des Berichts, folgt der Bund diesem Ratschlag – dafür mit aller Härte.

Gut möglich, dass das Innenministerium zunächst eine einvernehmliche Regelung angestrebt hatte. Die Fortzahlung der Miete für den leeren, früheren Dienstsitz würde allerdings die im Bundestag vorgetragenen Rechtfertigung für den mehr als 200 Millionen Euro teuren Neubau nahe dem Hauptbahnhof als Makulatur erscheinen lassen: Begründet war der Bau, der vor einem Jahr übergeben wurde, mit insgesamt geringeren Kosten.

„Die Vorwürfe sind absurd“, sagt Karlheinz Knauthe, der Freiberger in der Sache vor dem Landgericht vertritt. Auch dort wird über die Klausel gestritten. Eine Freiberger-Sprecherin sagte: Indem der Bund das Sonderkündigungsrecht ausübte, sei das Mietverhältnis 13 Jahre früher geendet als vorgesehen und deshalb sei die vertraglich vereinbarte Ausgleichszahlung fällig. Dem Vertragsabschluss seien ein Bieterverfahren sowie zehnmonatige Verhandlungen vorausgegangen unter Einbindung dreier Ministerien und des Haushaltsausschusses des Bundestages.

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