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Teures Vergnügen. Fußballfans müssen jetzt stark sein.

© dpa

Bundesliga Public-Viewing: Fußballkneipen vom Aussterben bedroht

Bundesliga in der Kneipe – ein Auslaufmodell? Den Saisonstart in dieser Woche sehen viele Gaststättenbetreiber mit Sorge.

Für Fußballvereine und Fernsehsender ist es ein Millionenspiel, bei dem sie zumindest in finanzieller Hinsicht nur gewinnen können – doch viele Berliner Kneipenbetreiber befürchten ein großes Minusgeschäft. Wenn an diesem Freitag die neue Bundesliga-Saison startet, sehen etliche Berliner Wirte das mit gemischten Gefühlen. „Natürlich kommen viele Besucher zu Live-Spielen, um gemeinsam Fußball zu schauen“, sagt Bernd Stumpf, der Betreiber der Hertha-Fankneipe „Spener Stuben“ in Moabit. Allerdings rentiere sich für viele Betreiber das Geschäft durch den massiven Anstieg der Abo-Kosten nicht mehr.

Wie berichtet, teilen sich Sky Deutschland und Eurosport für die nächsten vier Jahre die Live-Übertragungsrechte für die meisten Bundesligaspiele. Das ist nicht nur für viele Privatkunden eine Umstellung, sondern auch für viele Gaststättenbetreiber. „Sky ist für den Laden ein absolutes Minusgeschäft“, sagt Kneipenchef Stumpf. „Es sind durchschnittlich um die 15 Personen, die extra zum Fußballschauen kommen.“ Bei einer Jahresgebühr von mehr als 7000 Euro, die für den Anbieter mit den meisten Bundesliga-Live-Berichten anfallen, sei das nicht mehr zu refinanzieren.

Die Fußballkneipen sterben aus

Wer alle Spiele der Bundesliga ausstrahlen möchte, braucht ein zusätzliches Abo von Eurosport. Der Spartensender zeigt in dieser Saison 40 Bundesligaspiele, darunter alle der für Kneipiers beliebten Freitagabendspiele. Durch den neuen TV-Vertrag können viele Wirte ihren Kunden nicht mehr den gewohnten Service bieten – mit der Folge, dass deren Zahl weiter sinkt.

Rund 200 Sportbars, Kneipen und Hotels übertragen derzeit in Berlin die Sky-Liveberichterstattung, wie die Website des Senders aufführt: Von der „Abseitsfalle“ bis „Zur kleinen Fanmeile“. Doch die Zahl Wirte, die ihren Kunden diesen Fußball-Service bieten, nimmt seit einigen Jahren stark ab. Nach Preiserhöhungen im Sommer 2013 probten Berliner Kneipiers den Aufstand und starteten eine Protestbewegung. Auf Facebook gab es mehrere Seiten mit Tausenden Likes, es wurde eine Website geschaffen, mit der Gewerbebetreiber zum Boykott gegen Sky aufriefen.

„Die Schmerzgrenze ist irgendwann erreicht“

Und dieses Jahr? „Gegen ein großes Unternehmen wie Sky kann man wenig bewegen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin (Dehoga), Thomas Lengfelder. „Ich verspüre eher eine Resignation aufgrund der neuen Situation als den großen Aufstand“, sagt Kneipier Stumpf. „Die Schmerzgrenze ist irgendwann erreicht“, sagt eine Sprecherin des Dehoga-Bundesverbandes.

Für viele Kneipiers ist diese Grenze bereits überschritten. Vor allem für kleinere Lokale sind die Zustände nicht mehr tragbar. „Vor fünf Jahren habe ich noch 189 Euro im Monat bezahlt. Heute sind es rund 500 im Monat", berichtet der Inhaber der „Bilderpinte“ in Prenzlauer Berg, Andreas Eggerstorfer. „Den Service ‘Alle Spiele, alle Tore‘ kann ich meinen Gästen nicht mehr bieten“, sagt Kneipenbetreiber Stumpf. Deswegen habe er seinen Sky-Vertrag erstmal gekündigt. Er erwarte ein Angebot des Senders zu besseren Konditionen. Auch Eggerstorfer hat gekündigt. Für sein 39-Quadratmeter-Lokal sei der Preis nicht mehr zu tragen.

Der Kommerz regiert den Fußball

Wer zusätzlich zu Sky auch noch Eurosport abonnieren will, um wie bisher alle Spiele zeigen zu können, hat zwei Optionen. Entweder holt sich der Wirt den Jahrespass für den Eurosport-Player für 29,99 Euro und streamt dann die Spiele in seinem Lokal. Voraussetzung dafür ist allerdings eine funktionstüchtige Internetverbindung. Oder er strahlt die Spiele weiter über den Satelliten aus. Dafür müsste er allerdings die technischen Voraussetzungen für HD+ erfüllen. Bei vielen, vor allem kleineren Lokalen ist das nicht der Fall, sodass sie in Zukunft auf einen Teil der Bundesligaspiele verzichten müssen.

„Es ist für alle Beteiligten eine unbefriedigende Situation“, sagt die Sprecherin des Dehoga-Bundesverbandes. Aber eine koordinierte Protestbewegung der Wirte wie vor vier Jahren sei ihr bisher nicht bekannt. Noch ertragen viele Gaststättenbetreiber die Situation – Grund zur Hoffnung sehen sie jedoch kaum. „Ich sehe die unaufhaltsame Kommerzialisierung des Fußballs höchst kritisch“, sagt Kneipenchef Bernd Stumpf. „Wenn die Preise weiterhin so ins Unermessliche steigen, verliert der Volkssport Fußball seine Zustimmung in der Breite.“

Yunus Güllü

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